# taz.de -- Feministischer Presseclub: SPD-Männer belehren gern | |
> Wie sexistisch ist Politik? – Mit diesem Thema startete am Donnerstag der | |
> 1. Feministische Presseclub vom rbb-Kulturradio und von der taz. | |
Bild: Gespräch beim 1. Feministischen Presseclub in der taz | |
BERLIN taz | Spitzenpolitikerinnen können im Grunde nur alles falsch | |
machen. Sind sie zu weiblich, heißt es meist: Na, ob die den Job überhaupt | |
kann? Haben sie männliche Attitüden (sich zugelegt), ist das auch wieder | |
nicht recht. Dann wird ihnen häufig nachgesagt: Puh, die hat ja gar nichts | |
weibliches mehr. Wie Frauen es auch anstellen: Irgendwas ist immer. | |
Das hat Kanzlerin Angela Merkel erlebt, das erleben Verteidigungsministerin | |
Ursula von der Leyen, Hannelore Kraft, Ex-Ministerpräsidentin von | |
Nordrhein-Westfalen, Ex-Familienministerin und frische Ministerpräsidentin | |
in Mecklenburg Vorpommern, Manuela Schwesig, Annegret Kramp-Karrenbauer, | |
Chefin des Saarlandes … Die Liste ließe sich fortsetzen. | |
Für die Verhaltensweisen der Politikerinnen finden männliche Kollegen und | |
Medien rasch schnittige Bezeichnungen. Merkel mutiert dann wahlweise zu | |
„das Merkel“, zur „Eiskönigin“ oder zur „Mutti“, Schwesig muss sich | |
„Heulsuse“ nennen lassen. Wie gehen Spitzenpolitikerinnen damit um? Ist es | |
schlauer, darauf zu reagieren und sich das zu verbitten? Oder viel | |
eleganter, so zu tun, als hätten sie das gar nicht gehört? Und überhaupt: | |
Was sagt das über unsere Gesellschaft aus? | |
Solche und ähnliche Fragen diskutiert ab jetzt viermal im Jahr der | |
Feministische Presseclub. Der ist eine Kooperation von taz und | |
rbb-Kulturradio und komplett neu in der Republik. | |
Start war am Donnerstag mit der Frage: Wie sexistisch ist Politik? Das | |
Podium war sich einig: ziemlich. Oder anders formuliert: Sexismus gab es | |
früher, Sexismus gibt heute immer noch, er ist nur etwas subtiler geworden. | |
## Blick auf die andere Seite | |
Diese Einschätzung des Podiums im taz-Café überraschte nicht. Sind die | |
Frauen, die mit taz-Redakteurin, rbb-Mitarbeiterin und Moderatorin Heide | |
Oestreich debattierten, allesamt Expertinnen für Geschlechterfragen: | |
Bloggerin Anne Wizorek hat 2013 die Twitteraktion #aufschrei initiiert und | |
damit eine laute Debatte über Alltagssexismus losgetreten. Elisabeth | |
Niejahr beobachtet als Zeit-Redakteurin seit Jahren den Berliner | |
Politikbetrieb. Vor zwei Jahren erschien ihr Buch (zusammen mit ihrem | |
Kollegen Peter Dausend) „Operation Röschen“ über Ursula von der Leyen mit | |
der entscheidenden Frage: Kann sie wirklich Kanzlerin? | |
Susanne Gaschke, die früher ebenfalls für die Zeit schrieb und heute für | |
die Welt arbeitet, kennt als einzige der Frauen auf dem Podium Politik als | |
Akteurin. Von Dezember 2012 bis Oktober 2013 war die SPD-Frau in Kiel | |
Oberbürgermeisterin. Sie trat nach einer heftigen Kontroverse um eine | |
Steuer-Entscheidung zurück. Heute sagt sie: „Ich kann Journalistinnen nur | |
empfehlen, mal in die Politik zu gehen. Das ist sehr lehrreich.“ | |
Auch Gaschke musste von Anfang an gegen das Vorurteil ankämpfen, dem Posten | |
nicht gewachsen zu sein. Sie hätte sich gern einen anderen Politikstil | |
gewünscht als den, den sich viele SPD-Politiker zugelegt haben. Wer schon | |
mal länger mit SPDlern geredet hat, ahnt, was Gaschke meint. Unterhaltungen | |
von Frauen mit sozialdemokratischen Anzugträgern laufen in etwa so ab: | |
Sie: „Männliches Verhalten ist nach wie das beherrschende Normativ. Ob in | |
der Politik, in Unternehmen, in den Medien. Wer da nicht mitspielt, hat | |
verloren.“ | |
Er: „Ja, richtig. Da muss sich dringend was ändern, das ist auf Dauer auch | |
für uns Männer nicht gut. Aber ich frage mich trotzdem, ob Frauen immer den | |
richtigen Ton treffen.“ | |
Oder zugespitzt formuliert: SPD-Männer artikulieren zunächst Zustimmung, | |
spitzen das Argument sogar noch zu, um es dann komplett in die Tonne zu | |
treten. Am Ende wollen sie Recht behalten. | |
## Was tun? | |
Eine, die offenbar den „richtigen Ton“ getroffen hat, ist | |
CDU-Verteidigungsministerin von der Leyen. Wie keine andere vor ihr hat sie | |
mit dem von ihr 2007 als damalige Familienministerin angestoßenen | |
Kita-Ausbau und der Einführung der Vätermonate die Republik | |
geschlechterpolitisch umgekrempelt. Im Laufe der Jahre hat sie einen | |
vdL-Politikstil perfektioniert: immer lächeln, immer charmant sein, also | |
brav weiblich genug bleiben. In der Sache aber, in ihren Entscheidungen und | |
in ihrer Konsequenz, ist sie knallhart. Niejahr hat mal über sie | |
geschrieben, sie hätte „aus ihrem Lächeln eine Waffe“ gemacht. Trotzdem | |
muss sich „Flinten-Uschi“, wie die Verteidigungsministerin schon mal | |
genannt wird, (JournalistInnen)Fragen gefallen wie: „Haben Sie schon mal | |
geschossen?“ | |
Es ist und bleibt verworren. Und es ist und bleibt hart für Frauen, trotz | |
Quoten, trotz einer Kanzlerin, trotz zahlreicher Ministerinnen und | |
Landeschefinnen. | |
Was tun? Als Politikerin? Als Frau mit Drang nach oben? Wie sich nun | |
verhalten, damit Frauen keine Angriffsfläche bieten – außer die, die Männer | |
auch bieten, nämlich sichtbare Erfolge oder Misserfolge? | |
„Mit der Selbstoptimierung nicht übertreiben“, sagt Wizorek. Sie rät zu | |
einem „gesunden Mittelweg zwischen strategischem Vorgehen und sich nicht | |
selbst zu verbiegen“. | |
23 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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