| # taz.de -- Stadtentwicklungssenator über Berlin: „Ein Volksbegehren ist kei… | |
| > Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel über die Auseinandersetzung mit | |
| > Mieteraktivisten, die Probleme einer wachsenden Stadt und fehlende | |
| > Radwege. | |
| Bild: „Ich weiche keinem Konflikt aus“: Senator Geisel. | |
| taz: Herr Geisel, Sie wohnen in Karlshorst. Wie hat sich Ihre Nachbarschaft | |
| in den letzten Jahren verändert? | |
| Andreas Geisel: Aus einem verschlafenen Vorort wurde ein kinder- und | |
| familienfreundliches Wohngebiet. Durch den Zuzug entstanden aber auch neue | |
| Notwendigkeiten: Es mussten zum Beispiel viele Kitas gebaut werden. | |
| Hat das geklappt? | |
| Ja. Aber nun kommt die Kehrseite: Mehr Bewohner erzeugen mehr Verkehr und | |
| mehr Trubel. Die Debatte, wie die Stadt wächst, wird nun auch in Karlshorst | |
| geführt. Manche Anwohner, die lange gesagt haben, hier sei es zu | |
| verschlafen, sagen nun: Puh, hier ist es aber voll geworden. | |
| Wie sieht ihre Vision von der Stadt aus? | |
| Mich bewegt als Senator, dass Menschen mit den unterschiedlichsten | |
| Einkommen überall in der Stadt wohnen können. Auch in der Innenstadt. Wenn | |
| wir diese Mischung halten wollen, dann müssen wir auch in der Mitte der | |
| Stadt Sozialwohnungen bauen. Das ist eine heftige Debatte, denn dort ist | |
| nicht mehr viel Platz. | |
| Geht es überhaupt noch um den Erhalt der Mischung? Wenn man sich von | |
| Kreuzberg ihrem Amtssitz direkt neben dem Bärenzwinger am Köllnischen Park | |
| nähert, reiht sich ein teures Projekt mit Eigentumswohnungen an das | |
| nächste. Hier ist kein Platz mehr für Sozialwohnungen. | |
| Das gehört zur Mischung dazu. In der Mitte der Stadt sollen ja auch | |
| Menschen mit höherem Einkommen wohnen können. Mich stört nicht, dass es | |
| diese Projekte gibt. Mich stört, dass zu wenig preiswerter Wohnraum | |
| vorhanden ist. Da müssen wir was tun. | |
| Bisher ist wenig passiert. | |
| Als wir 2011 den Wohnungsneubau anschieben wollten, mussten wir | |
| feststellen, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ihre | |
| Bauabteilungen abgeschafft hatten, weil sie seit 15 Jahren nicht mehr | |
| gebaut haben. Wir stellen deswegen erst in diesem Jahr die ersten 1.300 | |
| Wohnungen durch kommunale Baugesellschaften fertig. Alles davor war | |
| privater Wohnungsbau. Diese Verzögerung auf dem Immobilienmarkt ist ganz | |
| erheblich - das gebe ich zu. | |
| Ist sie noch aufzuholen? | |
| Mit Tempo: ja. Ich weiche deshalb auch keinem Konflikt aus, weil ich weiß, | |
| dass wir dieses Tempo halten müssen. Auf Veranstaltungen, die ich besuche, | |
| kritisieren viele Berliner, dass die Brachen bebaut werden, die Busse | |
| voller sind, die Straßen auch und sie keine Parkplätze mehr finden würden. | |
| Und dann wird gefragt: Muss das sein? Das ist nicht mehr die Frage. Die | |
| Menschen kommen einfach nach Berlin, sie fragen nicht nach einer Erlaubnis. | |
| Diesen Prozess muss man steuern. Und das gibt Konflikte. Aber wir sind die | |
| gewählte Regierung, von der Entscheidungen erwartet werden. Wir können uns | |
| nicht wegducken. | |
| Der Tempelhof-Entscheid hat auch gezeigt: Viele Berliner haben kein | |
| Vertrauen mehr in den Senat. | |
| Ich gebe Ihnen Recht, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Weil sich die | |
| Politik nicht immer intensiv genug mit dem Thema und den Konflikten | |
| beschäftigt hat. Das gehört zur Wahrheit dazu. Aber können Sie Vertrauen | |
| zurückgewinnen, indem Sie jedem sagen, was er gern hören möchte? Meine | |
| Antwort ist ganz klar: Nein. | |
| Sie haben vergangene Woche gemeinsam mit der CDU die kooperative | |
| Baulandentwicklung beschlossen: Ein Viertel aller Wohnungen bei großen | |
| Projekten muss Mietwohnungen zum Preis von 6,50 Euro pro Quadratmeter sein. | |
| Wer kann sich denn diese 6,50 Euro leisten? Das sind ja deutlich mehr als | |
| der Mietspiegel-Schnitt. | |
| 6,50 Euro sind für einen Neubau sehr günstig. Die Baukosten liegen bei zehn | |
| Euro netto kalt pro Quadratmeter. Und es gibt in Berlin nicht nur arme | |
| Menschen: Drei Viertel aller neu gebauten Wohnungen werden von Berlinern | |
| bezogen. | |
| Aber es geht doch um Mischung. | |
| Deswegen machen wir ja Druck auf die Investoren. Und: Wir fördern derzeit | |
| 1.000 Wohnungen pro Jahr. Das ist viel zu wenig. Wir würden gerne 3.000 | |
| Wohnungen fördern. Und selbst das wäre noch nicht wirklich viel. Doch das | |
| kostet viel Geld, für die 3.000 Wohnungen wären es rund 200 Millionen Euro. | |
| Hat der Finanzsenator Entgegenkommen signalisiert? | |
| Die Haushaltsgespräche laufen gerade. Und sie laufen meiner Meinung nach | |
| sehr gut und vertrauensvoll mit Matthias Kollatz-Ahnen. | |
| Sie sagen, Sie wollen keinem Konflikt aus dem Weg gehen. Das ginge auch nur | |
| schwer: Bei jedem neuen Bauprojekt bilden sich Initiativen dagegen. Kaum | |
| erwähnen Sie den geplanten Bau von bis zu 5.000 Wohnungen in der | |
| Elisabeth-Aue in Nordpankow, schon ist Blankenfelde zugepflastert mit | |
| Protestplakaten. Dummerweise sind das Konflikte, die man nicht lösen kann. | |
| Die müssen wir aber lösen. Überall in der Stadt gibt es das theoretische | |
| Verständnis, dass neu gebaut werden muss. Doch dieselben Menschen, die | |
| beklagen, dass die Mieten steigen und Abhilfe fordern, sind auch | |
| diejenigen, die sagen: Nicht bei uns! Es kann doch nicht sein, dass die die | |
| eine Wohnung haben, einen Kampf führen gegen die, die eine Wohnung suchen. | |
| Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die Anwohner der Elisabeth-Aue, die | |
| einen weiten Blick ins Grüne haben, es nicht gut finden, wenn dort bald | |
| gebaut wird. Aber das Areal ist seit vielen Jahren als Baugebiet | |
| ausgewiesen, es ist zu 100 Prozent in Landeseigentum, und wenn wir solche | |
| Grundstücke nicht nutzen, dann bewältigen wir den Zuzug nicht. | |
| Der Bürgermeister von Pankow unterstützt Sie nicht. | |
| Doch, er unterstützt mich und befürwortet die Planungen für die | |
| Elisabeth-Aue. Aber er hat von seiner Bezirksverordnetenversammlung | |
| verboten bekommen, eine entsprechende Absichtserklärung zu unterzeichnen. | |
| Gleichzeitig will die BVV bestimmte Bedingungen erfüllt haben, wenn doch | |
| gebaut würde: ein ordentliche Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr zum | |
| Beispiel; genau das planen wir ja. | |
| Sie haben von einem Besuch in Wien die Erkenntnis mitgebracht, dass es klug | |
| sein kann, zuerst die Nahverkehrsanbindung zu schaffen, und dann zu bauen. | |
| Für die Elisabeth-Aue gibt es noch kein Verkehrskonzept. | |
| Es gibt noch nicht mal ein Bebauungskonzept. Wir wollen gemeinsam mit der | |
| Bevölkerung ein integriertes Stadtentwicklungskonzept erstellen: Wie soll | |
| gebaut werden, in welcher Dichte, 3.000 Wohnungen oder bis zu 5.000 etc. | |
| Das wird etwa ein Jahr dauern. Dann wird es auch ein Verkehrskonzept geben. | |
| Wir wollen einen möglichst bunten Mix an Bauformen und Bauherren: Howoge | |
| und Gesobau sollen die Hälfte übernehmen, hinzu kommen Genossenschaft, | |
| Baugruppen, Private. | |
| Wie soll sich das Areal vom Baugebiet Karow Nord aus den 90ern | |
| unterscheiden, wo viele Planungsfehler gemacht worden? | |
| Die Siedlung in Karow hat ihre Probleme, das stimmt. Die Elisabeth-Aue | |
| hingegen wird die Gartenstadt des 21. Jahrhunderts. Man kann aus Gebieten, | |
| die in der Vergangenheit nicht ganz gelungen sind, nicht den Schluss | |
| ziehen: Dann lassen wir es in Zukunft halt ganz bleiben. Aber aus gemachten | |
| Fehlern kann man lernen. | |
| Ab wann wird in der Elisabeth-Aue gebaut? | |
| Ich rechne mit 2019. | |
| Neubau ist das eine, der Bestand das andere. Die Initiative | |
| Mietenvolksbegehren hat für ihre weitreichenden Forderungen für die | |
| Unterstützung der Berliner Mieter 40.000 gültige Unterschriften gesammelt. | |
| Wie gehen Sie damit um? | |
| Wir führen Gespräche mit den Initiatoren. Und ich sehe auf deren Seite | |
| durchaus Reaktionen auf unsere Kostenschätzung. Allerdings müssen auch wir | |
| uns bewegen und auf die Initiative zugehen. Nur dann machen ja solche | |
| Gespräche Sinn. | |
| Hoffen Sie auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf? | |
| Das kann ich noch nicht sagen. Ich kann die Kritik an der | |
| Wohnungsbaupolitik des Senats, was die letzten drei Jahre betrifft, nicht | |
| nachvollziehen. Die rechtlichen Instrumente zur Dämpfung der | |
| Mietenentwicklung haben wir inzwischen alle ausgeschöpft. Wir sind das | |
| erste und bisher einzige Bundesland, das die Mietpreisbremse voll umgesetzt | |
| hat. Es braucht kein Volksbegehren, damit wir uns für Mietendämpfung und | |
| preiswerten Wohnraum einsetzen. Das ist seit drei Jahren aktive Politik des | |
| Senats, und ich setze das fort. | |
| Es gibt noch keine Lösungen für jene 28.000 Wohnungen, die aus der | |
| Anschlussförderung herausgefallen sind. | |
| Das stimmt. Aber wir werden eine Lösung finden. | |
| Wie lautet Ihr Vorschlag? | |
| Wir führen eine individuelle Härtefallklausel ein: Wir kappen die Miete, | |
| wenn 30 Prozent des Haushaltseinkommens überschritten werden - also anders | |
| als die Initiative, die eine grundsätzliche Kappung fordert. Das wäre | |
| falsch, weil wir dann Mieten von Menschen bezuschussen würden, die dies gar | |
| nicht nötig haben. Generell muss man wissen: Wird der Entwurf der | |
| Initiative vollständig umgesetzt, würde er sämtliche zur Verfügung | |
| stehenden finanziellen Mittel binden. Dann sind andere wichtige Ziele - | |
| etwa die Sanierung von Schulen oder Ausbau von öffentlichen Nahverkehr und | |
| Radverkehrsnetz - nicht mehr finanzierbar. | |
| Ist das Volksbegehren verfassungskonform? | |
| Das prüft jetzt der Innensenator. Bei dieser finanziellen Dimension ist das | |
| auch völlig normal. | |
| Wann rechnen Sie mit dem Abschluss der Prüfung? | |
| Das müssen Sie den Innensenator fragen. Das Abstimmungsgesetz schreibt | |
| keine Frist für eine solche Prüfung vor. Aber er wird das nicht verzögern. | |
| Es geht hier um den Zeitpunkt eines eventuellen Volksentscheids: | |
| Befürworten Sie einen Termin parallel mit der Abgeordnetenhauswahl im | |
| Herbst 2016? | |
| Wenn das möglich ist: ja. Es geht nicht darum, die Debatte und die | |
| Entscheidung darüber wegzudrücken. Ich war gerade in der Schweiz, dort sind | |
| Volksbegehren etwas völlig Normales, und die Politik kommt dort damit auch | |
| klar. Für mich ist ein Volksbegehren keine Drohung. | |
| Das ist auch eine klare Akzeptanz der direktdemokratischen Verfahren, die | |
| man so aus dem Senat bisher nicht gehört hat. | |
| Also bitte: Die SPD hat die direkte Demokratie in Berlin in dieser Form | |
| erst möglich gemacht. | |
| Ja schon. Aber der Regierende Bürgermeister Michael Müller kritisiert immer | |
| wieder, dass es nicht sein könne, dass eine gut vernetzte Minderheit es | |
| schafft, dank Volksbegehren die Politik vor sich herzutreiben. | |
| Da hat er Recht. | |
| Sie sagen hingegen, mit Volksbegehren kann die Politik problemlos umgehen. | |
| Richtig. Aber es gibt zwei Probleme bei Volksbegehren: Sie werden initiiert | |
| von gut vernetzten Interessengruppen, die eloquent genug sind, ihre | |
| Interessen zu formulieren und zu verdeutlichen. Weniger eloquente Menschen | |
| in sozial schwierigen Situationen sind dazu nicht in der Lage. Das zweite | |
| Problem liegt darin, dass der Interessenausgleich, den die repräsentative | |
| Demokratie gewährleistet, durch die direkte Demokratie nicht gewährleistet | |
| werden kann. Aber trotz dieser beiden Probleme sind wir nicht gegen direkte | |
| Demokratie. | |
| Wollen Sie an das Abstimmungsgesetz noch mal ran? | |
| Nein, das reicht aus. Die Quoren sind richtig gesetzt. Ich denke darüber | |
| nach, wie man damit umgehen muss, wenn im Zuge von Volksbegehren Milliarden | |
| Euro verschoben werden, ohne das gesagt werden muss, woher das Geld kommen | |
| soll. Gute Ideen, die viel Geld kosten, können alle entwickeln. Die | |
| schwierige Entscheidung ist, welche Projekte man in der Konsequenz nicht | |
| mehr fördert, weil das Geld dann fehlt. Als Bezirksbürgermeister von | |
| Lichtenberg habe ich diese Erfahrung gemacht, nachdem wir dort den | |
| Bürgerhaushalt eingeführt haben. | |
| Was generell gelobt wird! | |
| Das ist auch total super. Dahinter steckt die Idee, dass die Menschen | |
| öffentlich über öffentliche Gelder diskutieren sollen. Es kamen immer ganz | |
| viele Vorschläge, wofür Geld ausgegeben werden soll; die Vorschläge, was | |
| sich der Bezirk nicht mehr leisten sollte, kamen dagegen sehr sehr | |
| spärlich. Die dazu gehörige Haushaltdebatte wird dort nicht geführt. | |
| Nachvollziehbar, oder? | |
| Ja, das ist auch unangenehm. Es gehört aber zur Demokratie dazu, | |
| unangenehme Entscheidung mitzudiskutieren. Und das müssen wir auch bei | |
| direkter Demokratie noch stärker beachten. Die öffentliche Diskussion muss | |
| qualifizierter werden. | |
| Sollte es dafür Geld vom Land geben? | |
| Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sind teuer. Wenn wir solche | |
| Elemente stärken, dann muss es dafür auch Geld geben. | |
| Als Michael Müller im Dezember sie gefragt hat, ob Sie | |
| Stadtentwicklungssenator werden wollen, haben Sie da kurz gezögert. | |
| Als Michael Müller mich gefragt hat, habe ich sofort zugesagt. Ich betreibe | |
| Politik wirklich mit Leidenschaft. Eine solche Herausforderung, eine solche | |
| Chance, Berlin zu gestalten, die kriegt man einmal im Leben. | |
| Sie sind erst 49 Jahre alt. | |
| Ja. | |
| Keine weiteren Pläne? | |
| Doch. Viele. | |
| Michael Müllers Vermächtnis ist, ein Thema wiederentdeckt zu haben, das | |
| seine Vorgängerin nicht ernst genommen hat. Mit welchen Thema wollen Sie | |
| sich verewigen: als Neubausenator? | |
| Die Bandbreite des Stadtentwicklungssenators ist ja viel größer. Da gehören | |
| Verkehr und Umwelt dazu. Ich kämpfe für eine kinder- und familiengerechte | |
| Stadt, das ist mein politisches Leitmotiv. Im Moment ist das sehr auf | |
| Neubau fokussiert, weil da die Notwendigkeiten und auch die Konflikte | |
| liegen. In zwei bis drei Jahren werden wir an den Ergebnissen gemessen. | |
| Wenn wir es dann nicht geschafft haben, den Wohnungsbau anzukurbeln und | |
| bezahlbare Wohnungen zu schaffen, werden wir dafür verantwortlich gemacht. | |
| Eigentlich werden Sie schon in einem Jahr daran gemessen: Dann ist Wahl. | |
| Nein, ein Jahr ist zu kurz dafür. Wir wollen innerhalb von zehn Jahren die | |
| Zahl der Wohnungen in Landeshand von 300.000 auf 400.000 steigern. | |
| Sie gehen also davon aus, dass Sie im Herbst 2016 wiedergewählt werden. | |
| Ja natürlich. Wir machen gute Politik und selbstverständlich werden wir | |
| dafür wiedergewählt. Ich sehe auch niemanden, der das Thema wachsende Stadt | |
| so klar angeht und die für sozialen Ausgleich sorgt wie die SPD. Andere | |
| Parteien sagen das zwar, scheuen aber den Konflikt: Die Grünen und auch die | |
| Linke. | |
| Können Sie sich trotzdem vorstellen, nach 2016 mit einer der Parteien oder | |
| beiden zusammenzuarbeiten? | |
| Ich bin ein konsensorientierter Mensch, ich arbeite sachorientiert. Ich | |
| verstehe mich mit den Grünen wirklich gut, mit den Linken aber auch. Und | |
| ich glaube, wir könnten mit beiden einen Konsens finden. | |
| Mit der CDU klappt es nicht so gut? | |
| Man kann auch mit der CDU einen Konsens finden. Wir haben ja viel geleistet | |
| in dieser Legislatur. Und bei der vergangenen Woche beschlossenen Regelung | |
| zur kooperativen Baulandentwicklung, die bei Neubauprojekten eine | |
| 25-prozentige Quote für sozial geförderte Wohnungen vorschreibt, war die | |
| Union mit dabei. Wenn auch nicht als Spitze der Bewegung. | |
| Ihr Vorgänger Michael Müller war kein Fahrradsenator. Wenn Sie sagen, Sie | |
| wollen kinder- und familienfreundliche Politik machen, gehört dazu | |
| natürlich die Fahrradpolitik. Derzeit gibt der Senat nur einen Euro pro | |
| Bewohner in diesem Bereich aus. | |
| Es sind vier Euro pro Bewohner. | |
| Das ist eine Frage, wie man rechnet. | |
| Laut Haushalt sind es insgesamt 14 Millionen Euro, die wir pro Jahr | |
| ausgeben. Das heißt aber nicht, dass ich die Probleme ignoriere. An einigen | |
| Stellen bauen wir zu langsam, manchmal können wir das Geld nicht ausgeben, | |
| weil uns und den Bezirken das Personal fehlt, um alles umzusetzen. Aber | |
| schauen Sie sich an, was in der Stadt alles passiert ist: In den letzten | |
| fünf Jahren haben wir 100 Kilometer neue Radwege gebaut; in diesem Jahr | |
| kommen weitere 20 Kilometer dazu. Neben den bereits existierenden 27.000 | |
| Abstellanlagen für Fahrräder bauen wir alleine dieses Jahr 1000 neue. Die | |
| üblichen Vergleiche von Radlobbyisten mit Münster oder Kopenhagen sind | |
| absurd, weil diese Städte einfach viel kleiner sind. | |
| Aber man könnte doch mehr machen! | |
| Man kann immer mehr machen. Und wir müssen auch mehr machen. Aber wir | |
| müssen nicht nur den Fahrradverkehr fördern, sondern auch den ÖPNV. Wir | |
| müssen uns genauso für die Fußgänger einsetzen und ab und an auch noch eine | |
| Straße bauen. | |
| Warum setzten Sie keine Prioritäten? Vielleicht wäre es an der Zeit, dies | |
| einfach mal symbolträchtig an einer Stelle zu tun. Warum nicht wie London, | |
| die mit ihrer Maut sagen, wir wollen Auto-Verkehr aus der Innenstadt | |
| raushalten. | |
| Als sich London dafür entschieden hat, war die Lage dort dramatisch | |
| schlechter als in Berlin. Wir sind auf einer ganz anderen Situation. | |
| In den vergangenen sechs Wochen sind fünf Radler im Straßenverkehr | |
| umgekommen! | |
| Das sind definitiv fünf zu viel. Ihnen und ihren Angehörigen hilft auch | |
| nicht die Statistik. Dennoch: Der Autoverkehr macht nur noch 30 Prozent am | |
| Verkehrsaufkommen aus. Von autogerechter Stadt kann in Berlin keine Rede | |
| mehr sein. Das Verkehrsverhalten ändert sich; das ist auch das Ergebnis | |
| unserer Politik. | |
| Stimmt: Inzwischen sind die Radspuren voll, aber so schmal, dass man da | |
| nicht überholen kann. Warum bauen Sie keine breiteren Radwege? | |
| Wo denn? | |
| Etwa auf der Schönhauser Allee, laut einer Umfrage ihrer Senatsverwaltung | |
| eine der von Radlern am häufigsten beklagten Radwege. | |
| Die Schönhauser Allee ist zweispurig, auf der einen fährt auch noch die | |
| Straßenbahn. Und die Randspur ist Parkspur für die Geschäfte. Das sind die | |
| Konflikte. | |
| Es ist also doch eine Frage der Prioritäten! | |
| Ja. Sie können natürlich die Straßenbahnspur mit Autos belegen und so den | |
| Öffentlichen Nahverkehr dort verlangsamen. Sie können auch die Parkspur | |
| wegnehmen, dann hat es der Einzelhandel schwer; der lebt von den | |
| Parkplätzen. Aber eine Freigabe einer ganzen Spur für Radler schafft nur | |
| neue Probleme, und löst keine. Wir wollen nicht ein Verkehrsmittel | |
| bevorteilen zuungunsten eines oder mehrerer anderer. | |
| So ändert sich nichts. | |
| Aber wir versuchen es immerhin. Nehmen Sie das Beispiel Treskowallee in | |
| Karlshorst: Schöne alte Bebauung auf beiden Seiten, zwei Spuren, plus die | |
| Straßenbahn. Von Norden und Süden werden Radwege herangeführt, aber den | |
| mittleren, alten Teil haben wir noch nicht mit Radwegen ausstatten können. | |
| Das ist eine wirklich gefährliche Situation, und ich gebe zu: Ich selber | |
| fahre dort mit dem Rad auf dem Bürgersteig. Ab und an werde ich vom | |
| Ordnungsamt erwischt. Aber ich will mein Leben nicht auf der Straße | |
| gefährden. | |
| Sehr verständlich, das geht vielen so in Berlin. | |
| Wir brauchen also Platz. Deshalb wollten wir die Vorgärten der Anwohner | |
| kaufen und dort Radwege bauen. Das wollten die Eigentümer aber nicht, weil | |
| dann die Straße näher an ihre Häuser heranrücken würde. So gab es an dieser | |
| Stelle keine Lösung. | |
| Es bleibt beim Status Quo. | |
| An dieser Stelle. An anderen nicht: An der Warschauer Straße gab es Platz, | |
| und so haben wir allen Verkehrsteilnehmern Raum geben können. Das hat lange | |
| gedauert, weil wir mit allen Gewerbetreibenden dort und mit den Bürgern | |
| gesprochen haben. Dort haben wir eine sehr gute Lösung gefunden. (seufzt) | |
| Aber es ist schwierig. | |
| 24 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
| Bert Schulz | |
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