# taz.de -- Fehlende Mietwohnungen in Berlin: Senat gießt Quote in Beton | |
> Bei größeren Neubauprojekten müsssen künftig ein Viertel aller Wohnungen | |
> preiswerte Mietwohnungen sein. Diese Bindung gilt aber nur 20 Jahre lang. | |
Bild: Eine berechtigte Forderung - leider ist sie noch in weiter Ferne. | |
Es gibt tatsächlich noch Themen, bei denen sich die Koalition aus SPD und | |
CDU einig ist. „Völlig im Konsens“ ist laut Vizesenatssprecher Bernhard | |
Schodrowski am Dienstag die Entscheidung gefallen, Investoren von | |
Neubauprojekten dazu zu verpflichten, ein Viertel der Wohnungen als relativ | |
preisgünstige Mietwohnung zu erstellen. 6,50 Euro kalt pro Quadratmeter | |
dürfen jene für die Mieter kosten. Damit will der Senat die „Berliner | |
Mischung erhalten“, so Schodrowski - sprich verhindern, dass noch mehr | |
Menschen durch steigende Mieten vor allem aus der Innenstadt verdrängt | |
werden. | |
Ganz neu ist dieses „Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ nicht. | |
Bereits seit August vergangenen Jahres gilt es, allerdings variierte der | |
verpflichtende Anteil je nach Bezirk zwischen zehn und 33 Prozent. Nun | |
können Investoren berlinweit einheitlich planen. Neben der 25-Prozent-Quote | |
für Mietwohnungen müssen sie sich künftig zudem nicht nur an der Erstellung | |
von Grünflächen und zusätzlichen Kitaplätzen, sondern auch von Grundschulen | |
beteiligen. | |
Betroffen sind alle Bauprojekte, für die vom Bezirk oder dem Senat eine | |
Bebauungsplan neu aufgestellt oder verändert wird. In der Regel wird es | |
sich also um größere Projekte handeln; eine in Zahlen fassbare Untergrenze, | |
ab welchen Umfang die Regel gilt, gibt es anders als von der Bauwirtschaft | |
gefordert, nicht. Die Schließung von Baulücken zum Beispiel ist davon | |
ausgenommen, sagte Martin Pallgen, der Sprecher von | |
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), am Dienstag der taz. | |
## „Angemessener“ Anteil | |
Nach Pallgens Einschätzung ist der 25 Prozent-Anteil „angemessen“, | |
schließlich müsse sich der Bau für Investoren noch rechnen. Pallgen | |
betonte, dass für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften die | |
33-Prozent-Klausel gilt. Eine Quadratmetermiete von 6,50 Euro - immerhin | |
etwa 1 Euro mehr als der Durchschnitt laut neuestem Mietspiegel - wiederum | |
sei die unterste Grenze, die bei Neubau vertretbar sei. Erst ab mindestens | |
10 Euro Miete pro Quadratmeter ist Beubau rentabel. | |
Die Investoren können für die mietpreisgebundenen Wohnungen Förderung des | |
Landes beantragen. Pallgen hofft, dass der Neubaufonds des Landes im | |
nächsten Doppelhaushalt aufgestockt wird. Denn: die kooperative | |
Baulangentwicklung „kostet natürlich Geld“. Wieviel, sei aber derzeit nicht | |
abschätzbar. | |
Allerdings gilt die 6,50-Euro-Begrenzung lediglich für 20 Jahre; danach | |
gelten die Wohnungen als normale Mietwohungen - ein Punkt, den Andreas | |
Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, kritisiert. „Die 20 | |
Jahre sind halt irgendwann um“, sagte er; oftmals schneller als erwartet. | |
Otto hätte es besser gefunden, wenn die Investoren ein Viertel des | |
Grundstücks an Genossenschaften oder landeseigene Baugesellschaften hätten | |
abgeben müssen, damit diese dauerhaft Wohnungen mit niedrigen Mieten | |
errichten. Generell hält er das Modell jedoch für einen Fortschritt; bei | |
einigen Großprojekten wie an der Heidestraße in Mitte hätte es noch gar | |
keine Quote für preiswerte Mietwohnungen gegeben. | |
Von einem „Schritt in die richtige Richtung“ sprach auch Rouzbeh Taheri, | |
Sprecher des Bündnisses Berliner Mietenvolksentscheid. Das Bündnis will | |
erreichen, dass Mieten in Sozialwohnungen gedeckelt werden. Doch auch | |
Taheri kritisierte die Laufzeit der Mietbindung und forderte, dass vor | |
allem landeseigene Wohnungsbaugesellschaften bauen sollten. Zudem sei der | |
Senat spät dran: Hamburg etwa hätte ein ähnliches Modell bereits vor Jahren | |
eingeführt. | |
## Investoren skeptisch | |
In der Bauwirtschaft wird die Regelung skeptisch gesehen. „Weder wird das | |
Bauen dadurch schneller noch kostengünstiger“, sagte David Eberhart, | |
Sprecher des Verbandes Berliner und Brandenburger Wohnungsunternehmen | |
(BBU). Die BBU-Mitglieder sind Eigentümer von rund 40 Prozent der Berliner | |
Mietwohnungen. Vor allem kleinere Projekte würden laut Eberhard nun | |
unattraktiver für Investoren. Immerhin, so der Sprecher, könnte sie dazu | |
führen, dass die Akzeptanz von Bauprojekten steigt, es also weniger Protest | |
von Initiativen dagegen geben wird. | |
Generell bekam der Senat für seine Wohnungsbau- und Mietenpolitik sowohl | |
vom BBU wie auch von Taheri Lob. „Gute Arbeit auf diesem Gebiet“, würde | |
Rot-Schwarz derzeit leisten, sagte David Eberhart. Und Taheri hat | |
„hektische Aktivitäten“ im Senat beobachtet, die seiner Meinung nach | |
zumindest zum Teil auch auf die Aktivitäten des Mietenbündnisses | |
zurückgehen würden. | |
16 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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