| # taz.de -- Mietenvolksentscheid vor dem Aus: Ein Aufbruch geht zu Ende | |
| > Die Initiative für soziales Wohnen distanziert sich neun Wochen zu spät | |
| > und sehr halbherzig vom Kompromiss mit dem Senat. Die Kraft der Bewegung | |
| > ist dahin. | |
| Bild: Da war man noch tatkräftig bei der Sache: Unterschriftenaktion der Initi… | |
| Sein Lächeln hat nicht lange gehalten, seine Gesichtszüge gleiten hin und | |
| her zwischen Ärger und Verzweiflung. Es ist Freitagabend, und Max Manzey | |
| von der Initiative Mietenvolksentscheid sitzt inmitten einer | |
| Diskussionsrunde im Weddinger Ex-Rotaprint. Das Thema: „Der | |
| Mietenvolksentscheid: Niederlage oder Erfolg für die stadtpolitische | |
| Bewegung?“ | |
| Um Manzey herum sitzen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener | |
| Initiativen, allesamt größere und kleinere Mitstreiter im Kampf für ein | |
| neues Wohnraumgesetz. Sie wechseln die Plätze zwischen Publikum und | |
| Diskussionskreis, so ist das in der „Fishbowl“-Methode. Doch Manzey bleibt | |
| lange in der Runde. An ihn ist schließlich eine Geschichte adressiert, die | |
| an diesem immer wieder erzählt wird. Es ist eine Geschichte des Scheiterns. | |
| „Aber das ist nicht die Geschichte, die ich erzählen will“, sagt Manzey. | |
| Manzeys Geschichte beginnt im April dieses Jahres. Damals startete die | |
| Initiative ihre Unterschriftensammlung für ein neues Wohnraumgesetz. Sie | |
| forderte unter anderem die Umwandlung städtischer Wohnungsbaugesellschaften | |
| in Anstalten öffentlichen Rechts und die Errichtung eines | |
| Wohnraumförderfonds, der ökonomisch schwache Schichten vor hohen Mieten | |
| schützen sollte. | |
| Berlins Bürger gefiel das. Mindestens 20.000 Unterschriften musste die | |
| Initiative in der ersten Phase des Volksbegehrens sammeln. Sie reichte mehr | |
| als 48.000 ein. Der Senat reagierte: Einerseits drohte man mit einer | |
| Verfassungsklage – zu schwerwiegend seien die Eingriffe in das Budgetrecht | |
| des Abgeordnetenhauses. | |
| ## Es kam zu Gesprächen | |
| Andererseits bewegte sich die SPD auf die Initiative zu, es kam zu | |
| Gesprächen. Am Ende stand ein Entgegenkommen: ein Gesetzesvorschlag der | |
| Sozialdemokraten. Über ihn soll am 12. November im Abgeordnetenhaus | |
| abgestimmt werden. | |
| Manche feiern das als Erfolg, so auch Max Manzey. „Wir haben eine breite | |
| Öffentlichkeit geschaffen. Ohne diese Bewegung hätte es das Gesetz nicht | |
| gegeben“, resümiert er im Ex-Rotaprint. Doch das sehen hier die wenigsten | |
| so. Ein tiefer Graben verläuft zwischen den Sprechern in den Hinterzimmern | |
| und den Aktivisten und Sammlern auf der Straße, zwischen Realos und | |
| Revolutionären. Für Letztere ist der „Kompromiss“ mit den Sozialdemokraten | |
| ein Verrat an der Bewegung. | |
| Das liegt unter anderem daran, dass das SPD-Gesetz hinter dem der | |
| Initiative zurückbleibt. Das kritisierte diese in einer kürzlich | |
| veröffentlichten Stellungnahme. Es sei zwar „ein erster Schritt in die | |
| richtige Richtung“, biete aber „auf viele der drängendsten Probleme keine | |
| Lösung“. Die Ausstattung des neuen Wohnraumfonds sei mangelhaft, die | |
| Subventionen im sozialen Wohnungsbau zu niedrig, die Einbindung der | |
| Landeswohnungsunternehmen in eine Dachgesellschaft öffentlichen Rechts zu | |
| wenig. | |
| ## „Nicht mit der SPD ins Bett“ | |
| Doch in der Öffentlichkeit bleibt trotz aller Dementis der Eindruck eines | |
| Kompromisses, an dem die Initiative mitgewirkt hat. Als Revoluzzer | |
| gestartet, als Erfüllungsgehilfen der Sozialdemokraten geendet – die Basis | |
| der Initiative versetzt das in Wut. „Man steigt nicht mit der SPD ins Bett | |
| und wundert sich, dass man über den Tisch gezogen wurde“, sagt Margarete | |
| Heitmüller von „100% Tempelhofer Feld“. Und ihre Kollegin Kerstin Meyer | |
| klagt: „Das Wichtigste – dass die Bürger entscheiden – ist uns verloren | |
| gegangen.“ Jetzt, so sind sich die Kritiker einig, sei die Bewegung | |
| erlahmt. Die Kraft, die Initiative zu Ende zu führen: dahin. | |
| Wie es mit ihr weitergehen wird, bleibt auch am Freitag unklar. Das liegt | |
| nicht nur am internen Ärger. Es ist noch immer nicht geklärt, ob der | |
| Gesetzesvorschlag der Initiative verfassungswidrig ist. Auf ein Gutachten | |
| des Senats wartet man schon seit Monaten. „Skandalös“, findet Max Manzey. | |
| Auch er lässt offen, ob die Initiative weitermacht, wenn das Gesetz des | |
| Senats am 12. November verabschiedet wird. Vieles spricht jedoch dafür, | |
| dass sie am Ende ist. | |
| 1 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Bolsinger | |
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