# taz.de -- Zukunft der Mieter in Berlin: „Verdrängung ist nicht zu stoppen�… | |
> Die grüne Baustadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Sibyll Klotz, über das | |
> neue Umwandlungsverbot und die Gentrifizierung rund um den | |
> Gleisdreieckpark. | |
Bild: Die Mieten steigen und steigen und steigen... | |
taz: Frau Klotz, am Dienstag hat der Senat die Umwandlungsverordnung | |
beschlossen. Noch in diesem Monat soll das Instrument, mit dem die | |
Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen erschwert werden soll, in Kraft | |
treten. Ein Grund zum Feiern? | |
Sibyll Klotz: Bestimmt nicht, dafür kommt das Ganze viel zu spät. Aber ich | |
bin zufrieden, dass die Umwandlungsverordnung jetzt endlich da ist. | |
Was bedeutet das für die Mieter in Tempelhof-Schöneberg? | |
Es bedeutet, dass überall dort, wo es soziale Erhaltungsgebiete gibt, wir | |
von der Möglichkeit Gebrauch machen können, die Umwandlung von Miet- in | |
Eigentumswohnungen abzulehnen. | |
Wie viele Erhaltungsgebiete haben Sie in Ihrem Bezirk? | |
Wir haben jetzt drei solcher Gebiete, also einmal rund um den | |
Barbarossaplatz und den Bayerischen Platz, dann die Bautzener Straße und | |
schließlich den Kaiser-Wilhelm-Platz. Für ein viertes Gebiet, die | |
Schöneberger Insel, gibt es einen Aufstellungsbeschluss des Bezirksamtes. | |
Da laufen derzeit die Untersuchungen. | |
Wann wird die Schöneberger Insel dazukommen? | |
Das wird noch im Laufe des Jahres sein. | |
Wie viele Mieter werden in diesen Gebieten dann geschützt sein? | |
In den drei festgesetzten Gebieten befinden sich 13.000 Mietwohnungen. Mit | |
der Schöneberger Insel kommen schätzungsweise noch einmal zwischen 4.000 | |
und 5.000 Wohnungen dazu. | |
Wie viele Wohnungen wurden in den vergangenen Jahren in | |
Tempelhof-Schöneberg umgewandelt? | |
Wie Charlottenburg-Wilmersdorf hat Schöneberg schon in der Vergangenheit | |
immer viele Eigentumswohnungen gehabt. Jede vierte Wohnung ist bereits | |
umgewandelt. Oft auch von selbst nutzenden Eigentümern. Entscheidend ist | |
der Umwandlungsdruck in den vier Erhaltungsgebieten. So hat sich im Bereich | |
Kaiser-Wilhelm-Platz die Zahl der Umwandlungen von 2012 zu 2013 fast | |
verdoppelt. Es ist nach unserer Einschätzung so, dass es bei weiteren | |
Umwandlungen eine deutliche Entmischung der Wohnbevölkerung gäbe. Da wollen | |
wir gegensteuern. | |
Jede Umwandlung in den Erhaltungsgebieten muss nun ja vom Bezirk genehmigt | |
werden. Mit welcher Begründung können Sie das verweigern? | |
Mit den städtebaulichen Gründen, mit denen wir auch die soziale | |
Erhaltungsverordnung ins Leben gerufen haben. Wir wollen mit diesem | |
Instrument einen Beitrag dazu leisten, dass es keine Entmischung der | |
Wohnbevölkerung gibt. Wir können Verdrängung zwar nicht stoppen, aber wir | |
können sie verlangsamen. | |
Wenn der Eigentümer aber sagt, dass er innerhalb von sieben Jahren nur an | |
die Mieter verkauft, müssen Sie genehmigen. | |
Das ist die Ausnahmeregelung, ja. Ebenso wenn die Verweigerung zu | |
wirtschaftlicher Unzumutbarkeit führt oder das Grundstück vererbt wird und | |
zu Teileigentum für die Erben führt. | |
Eines der großen Themen in Ihrem Bezirk ist der Verkauf der Großgörschen- | |
und Katzlerstraße durch die bundeseigene Bima an einen privaten Käufer. Im | |
Februar hat der Haushaltsausschuss des Bundestags dafür grünes Licht | |
gegeben. Kein Happy End. | |
Nein, überhaupt kein Happy End. Im Gegenteil. Das ist super ärgerlich, weil | |
die Mieterinnen und Mieter der Großgörschen- und Katzlerstraße diejenigen | |
waren, die Bima-Wohnungen in Berlin als Thema auf die politische Bühne | |
gehoben haben. Sie haben auch dazu beigetragen, dass es die Paketlösung | |
gibt, mit der der Senat 4.660 Wohnungen von der Bima kauft. Dass es nun | |
ausgerechnet sie sind, die nicht im Paket sind, das ist schon ziemlich | |
bitter. | |
Nun haben Sie eine Frist, innerhalb deren sie als Bezirk entscheiden | |
können, ein Vorkaufsrecht wahrzunehmen. Wollen Sie denn? | |
Ja, das wollen wir. | |
Wie läuft dieses Verfahren konkret? | |
Das heißt, dass wir das Negativzeugnis, das der Eigentümer bei uns | |
beantragt, nicht erteilen. | |
Das Negativzeugnis bedeutet, dass der Bezirk keine Bedenken gegen den | |
Verkauf hat. | |
Genau. Wir wollen den neuen Eigentümer auf die Ziele verpflichten, die es | |
im sozialen Erhaltungsgebiet gibt, zu dem ja die ehemaligen Bima-Häuser | |
gehören. | |
Das ist die sogenannte Abwendungsvereinbarung, mit der der Eigentümer Ihr | |
Vorkaufsrecht abwenden kann. | |
So ist es. Er muss in einem solchen Dokument versichern, dass er keine | |
Luxusmodernisierung und keine Umwandlung vornimmt. Wenn das so ist, werden | |
wir das auch unterzeichnen. Man muss dazu aber wissen, dass das nur eine | |
Gültigkeit von zehn Jahren hat. | |
Was, wenn er dazu nicht bereit ist? | |
Dann müssen wir in der Lage sein, juristisch und finanziell das | |
Vorkaufsrecht auszuüben. Das wollen wir tun. | |
Hat sich der Eigentümer bereits dazu geäußert? | |
Nein. | |
Es wurde ja kritisiert, dass das Verkehrswertgutachten, dass die Bima | |
erstellt hat, mit 7,1 Millionen Euro viel zu hoch angesetzt war. Zumal in | |
einem Gebiet, in dem nun auch eine Umwandlung nicht mehr ohne weiteres | |
möglich ist. Haben Sie als Bezirk da auch ein eigenes Gutachten in Auftrag | |
gegeben? | |
Ich kenne das Verkehrswertgutachten der Bima bis heute nicht. Übrigens auch | |
nicht die Abgeordneten, die im Haushaltsausschuss des Bundestages sitzen. | |
Das ist schon ein tolles Ding. Aber natürlich ist eine Voraussetzung für | |
die Ausübung des Vorkaufsrechtes die, dass es ein eigenes | |
Verkehrswertgutachten gibt. | |
Das liegt bei Ihnen in der Schublade. | |
Ja. | |
Mit welchem Ergebnis? Waren die 7,1 Millionen wirklich zu teuer? | |
Dazu möchte ich beim jetzigen Stand des Verfahrens nichts sagen. | |
Falls es nicht zu dieser Vereinbarung mit den Eigentümern kommt, müssen Sie | |
innerhalb von acht Wochen den ganzen Verkauf stemmen. Nun hat der Bezirk | |
dafür aber kein Geld. Sind Sie da in Gesprächen mit dem Senat und den | |
Wohnungsbaugesellschaften? | |
Wir sind als Bezirk mit allen relevanten Stellen in einem guten Kontakt. Es | |
ist auch kein Geheimnis, dass die Wohnungsbaugesellschaft, die ja selbst im | |
Bieterverfahren den Finger gehoben hat … | |
die Gewobag | |
… dass es mit denen auch Gespräche gibt. | |
Das wäre ja ein Präzedenzfall. | |
So ist es. | |
Kommen wir zum Neubau. Mittlerweile ist es so, dass jedes Neubauvorhaben zu | |
Protesten führt. Am Mauerpark hat Bausenator Geisel nun die Reißleine | |
gezogen und das Verfahren an sich gezogen. Damit wird auch einem | |
Bürgerbegehren die Grundlage entzogen. Ein unfreundlicher Akt des Senats | |
gegenüber den Bezirken? | |
Das muss ich schon aus bezirklicher Sicht kritisieren. Bei der Bewertung | |
des konkreten Falls will ich mich zurückhalten, weil ich da zu wenig | |
drinstecke. Grundsätzlich ist es aber ein Problem, wenn es bei Bauvorhaben | |
lange Aushandlungsprozesse gibt, die zu einem Kompromiss führen, dieser | |
dann aber zum Schluss von einer Partei wieder grundsätzlich in Frage | |
gestellt wird. Wir werden beim Thema Neubau immer wieder diese Kompromisse | |
schließen müssen. | |
Auch der Gleisdreieckpark ist fertiggestellt. Können Sie schon sagen, | |
inwieweit er auch zur Aufwertung und Verdrängung beigetragen hat? | |
Wenn eine Gegend mehr Grün bekommt, mehr Freiräume, mehr Spielplätze, ist | |
das natürlich auch eine Verbesserung der Wohngegend. Ich kann aber nicht | |
sagen, wie viel an Aufwertung der Gegend auf den Park zurückzuführen ist. | |
Aber was sagt das auch aus? Dass wir keine Grünflächen und Spielplätze mehr | |
machen sollen? | |
In der Pohlstraße, war neulich aus dem Quartiersrat zu hören, seien viele | |
türkische und arabische Namen von den Klingelschildern verschwunden. | |
Das jetzt allein auf den Park zurückführen zu wollen, ist aber reichlich | |
unterkomplex. Die Verdrängung hat mit vielen Faktoren zu tun. | |
6 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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