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# taz.de -- Neues Volksbegehren in Berlin: Mehr Mietbestimmung
> Ein Bündnis will mit einem Volksentscheid durchsetzen, dass die Mieten in
> 400.000 Wohnungen gedeckelt werden. Die Abstimmung könnte parallel zur
> Wahl 2016 stattfinden.
Bild: Wohnungen sind sehr selten geworden in Berlin. Und entsprechend teuer.
Bei der Abgeordnetenhauswahl im September 2016 wird möglicherweise nicht
nur über die zukünftige Landesregierung entschieden. Geht es nach einem
Bündnis von stadtpolitischen Initiativen, findet parallel zur Wahl auch ein
Volksentscheid über eine Neuausrichtung der sozialen Wohnungspolitik statt,
ein „Berliner Mieten-Volksentscheid“, wie die MitstreiterInnen ihn nennen.
An dem Gesetzentwurf, den die Gruppen zur Abstimmung bringen wollen, haben
sie monatelang gearbeitet. Herausgekommen ist ein 30-seitiges
Paragrafenwerk, das sie am Dienstag der Öffentlichkeit vorstellten.
Dem zufolge sollen die Mieten sowohl bei den landeseigenen
Wohnungsunternehmen als auch für Sozialwohnungen je nach Einkommen
gedeckelt werden. Das betrifft nach Rechnung des Bündnisses insgesamt rund
400.000 Wohnungen in der Stadt. Ein Hartz-IV-Empfänger könnte dann für eine
gleiche Bleibe deutlich weniger zahlen als jemand mit höherem Einkommen.
Finanziert werden soll das System gestaffelter Mieten über einen neuen
Fonds. Die Summe, die durch die Subventionen auf das Land zukommen würden,
wollte das Bündnis am Dienstag nicht genau beziffern. „Aber das wird
bestimmt mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr kosten“, schätzte Jan
Kuhnert von der Kommunal- und Unternehmensberatung KUB.
Auch mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist das Bündnis in der
jetzigen Form unzufrieden. „Sie stehen unter Druck, Profit für den Haushalt
zu erwirtschaften“, kritisierte Ulrike Hamann von Kotti und Co. Damit sich
das ändert, sieht der Gesetzentwurf eine Umwandlung der sechs großen
Wohnungsbaugesellschaften – bislang Aktiengesellschaften oder GmbHs – in
„Körperschaften öffentlichen Rechts“ vor. Sie müssten den Gewinn dann ni…
mehr an den Landeshaushalt abführen, sondern würden ganz dem Zweck der
sozialen Wohnraumförderung dienen, erklärte Rouzbeh Taheri von der
Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau.
Zudem sollen in den Gesellschaften die BewohnerInnen deutlich stärker
mitsprechen können – etwa durch Mieterräte. „Die sollen in bestimmten
Bereichen ein Vetorecht haben, so dass gegen die Mieter in den
Gesellschaften nicht mehr viel zu machen ist“, so Taheri.
„Wir fordern seit Langem eine nachhaltige Mietenpolitik“, sagte Hamann von
Kotti und Co. Sie hätten die Erfahrung gemacht, dass Politiker zwar mit
ihnen redeten. Für die existenzielle Not, die viele täglich spürten, gebe
es aber kein echtes Verständnis. Der Senat habe ihr Anliegen nicht ernst
genommen. „Deshalb machen wir das jetzt selbst.“
Derzeit liegt der Gesetzentwurf beim Senat, der eine Kostenschätzung
vornimmt. Ende März soll die Kampagne starten – dann müssen die
AktivistInnen innerhalb von zwei Monaten 20.000 Unterschriften sammeln, um
das Volksbegehren einzuleiten. Klappt das, geht es in die nächste Runde:
Für einen Volksentscheid benötigt das Bündnis innerhalb von vier Monaten
weitere 175.000 Unterschriften. Keine leichte Aufgabe: „Wir arbeiten alle
ehrenamtlich, können also noch Unterstützung gebrauchen“, sagte Mark Manzey
von den Studis gegen hohe Mieten. Jeweils dienstags fänden Treffen statt,
auch regionale Kiezgruppen würden gegründet.
Zwar läuft das Ganze unter dem Label „Mieten-Volksentscheid“. Der größere
Teil der BerlinerInnen würden allerdings gar nicht davon profitieren, denn
auf die meisten Mieten in Wohnungen von Privaten bezieht sich das Gesetz
gar nicht. „Leider haben wir auf den privaten Wohnungsmarkt aus
Landesperspektive keinen direkten Zugriff“, sagte dazu Taheri. Sie hofften
aber, dass sich das Gesetz dämpfend auf den Mietspiegel auswirke – und
damit indirekt auch auf die anderen Mieten.
Der Mieterverein unterstützt das Bündnis, auch die Grünen begrüßen den
Vorstoß. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hat offenbar Respekt
vor der Initiative – er reagierte am Dienstag mit einer langen
Pressemitteilung. „Ich teile die Anliegen der Initiative grundsätzlich“,
heißt es da. An vielen Punkten arbeite der Senat jedoch bereits. Der
Vorschlag könnte zudem einen teuren und langwierigen Systemwechsel
bedeuten, so Geisel. Der Senator versprach: „Ich werde gerne Ideen
diskutieren und gegebenenfalls auch übernehmen, sofern sie zielführend,
schnell umsetzbar und bezahlbar sind und nicht zu langwierigen
bürokratischen Verfahren führen.“
10 Mar 2015
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Berlin
Mietwohnung
Volksbegehren
Senat
Wohnungsbaugesellschaften
Wohnen
Sozialer Wohnungsbau
Mietenprotest
Volksentscheid
Mieten
Wohnungspolitik
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