# taz.de -- Volksbegehren startet: Mieten interessieren alle | |
> Gleich am ersten Tag sammelt das Bündnis Berliner Mietenvolksentscheid | |
> mehr als 3.000 Unterschriften. Am Tempelhofer Feld gibt es viel Zuspruch. | |
Bild: Genau darum geht's | |
Ob sie mehr wissen wolle, wird sie gefragt. Muss aber nicht sein. „Der Name | |
spricht für sich“, antwortet Kristin Guttenberg. Das grüne Tuch, das sie | |
sich in ihre Haare gebunden hat, flattert im Wind. Entschlossen nimmt sie | |
ein Klemmbrett mit einer Liste in die Hand und trägt ihren Namen ein – eine | |
Unterschrift mehr für die Initiative Berliner Mietenvolksentscheid. Am | |
Samstag begann sie mit dem Sammeln der Unterschriften für die erste Etappe. | |
Ziel ist es, innerhalb der nächsten sechs Wochen 26.000 Unterschriften zu | |
sammeln, 20.000 benötigt man, um ein Volksbegehren einleiten zu können. | |
Einer der vier Orte, an denen das Bündnis von etwa 20 Gruppen aus der | |
ganzen Stadt am Wochenende um Unterschriften warb, war der Eingang zum | |
Tempelhofer Feld an der Herrfurthstraße. Zwei Tische voll mit Infomaterial | |
und 18 Freiwillige warben um Unterschriften wie die von Kristin Guttenberg. | |
Der Ort – das Tempelhofer Feld – war bewusst gewählt: „Es ist nicht nur | |
eine Reminiszenz an den Volksentscheid des Tempelhofer Feldes, sondern auch | |
an den benachbarten Schillerkiez, der von Mieterhöhungen betroffen ist“, | |
erklärt Rouzbeh Taheri von der Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau und | |
Mitglied des Koordinationskreises des Berliner Mietenvolksentscheids. Er | |
engagierte sich auch bei den Initiativen zur Offenlegung der | |
Teilprivatisierungsverträge der Berliner Wasserbetriebe und der S-Bahn. | |
Zuletzt war er für das Tempelhofer Feld aktiv – ein alter Hase im | |
Unterschriftensammel-Business. | |
Auch Kristin Guttenberg hatte vergangenes Jahr für ein unbebautes | |
Tempelhofer Feld unterschrieben. Die Künstlerin sah damals Frei- und | |
Begegnungsräume bedroht, die nicht dem Konsum dienen, und so sieht sie es | |
auch heute. „In meiner Gegend gibt es immer mehr lebensfremde Läden“, sagt | |
die in Prenzlauer Berg wohnende 42-Jährige. „Läden mit hochklassiger Mode, | |
Luxusartikeln und kaum Räume für soziale Begegnung.“ Das liege an der | |
Mietpreissteigerung, die zu sozialen Veränderungen im Kiez führe. Sie gibt | |
den Stift und das Brett zurück, schwingt sich auf ihr Fahrrad und fährt auf | |
das Tempelhofer Feld. | |
„Die Leute hören Mieten und unterschreiben“, fasst es Unterschriftensammler | |
Marcus Stein zusammen. Innerhalb der ersten zwei Stunden habe man bereits | |
500 Unterschriften zusammengehabt, am Samstag waren es laut Angaben des | |
Bündnisses dann an allen Standorten mehr als 3.000. Neben dem Tempelhofer | |
Feld sammelte man noch am Leopoldplatz, in der Frankfurter Allee und am | |
Hermannplatz. | |
Dort steht Thommy von Café Reiche, einer Initiative aus der Reichenberger | |
Straße. Er trägt einen goldenen Faschingshut und sieht so aus, als könne | |
man ihn um diese Zeit eher beim Feiern in einem Technoclub treffen als beim | |
Sammeln von Unterschriften. Er hält ein Mikrofon in der Hand und grüßt | |
Passanten auf Arabisch und auf Deutsch, während Mitglieder von Kotti & Co | |
Leute direkt ansprechen. Er sagt: „Wir arbeiten hier, unsere Kinder gehen | |
hier zur Schule – Tausende haben ihre Wohnung verloren.“ Er spricht von | |
Umstrukturierungen, vom Skandal der Wohnungsnot und fordert dazu auf, mit | |
einer Unterschrift „sich selbst zu helfen“. | |
Ursel Kluve will sich nicht selbst helfen. Mit 81 Jahren sei das für sie | |
nicht mehr relevant. Dennoch ist sie bewusst zum Stand gekommen, sie hatte | |
im Radio von ihm gehört. „Ich unterschreibe für die Kinder und die Armen, | |
für bezahlbare Mieten.“ | |
12 Apr 2015 | |
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