# taz.de -- Grenzfluss Oder: Einseitiger Ausbau | |
> Polen will die Oder ausbauen. Nun liegen die Unterlagen auch in | |
> Brandenburg aus. Die Naturschutzverbände kündigen Widerstand an. | |
Bild: Brandenburger Oder-Seite | |
Mitten im Sommerloch will Polen an der Oder Fakten schaffen. Vom 1. bis zum | |
22. Juli legte die Regionaldirektion zum Schutz der Umwelt in Stettin Pläne | |
zum Ausbau des Grenzflusses aus, die es in sich haben. So soll die | |
Fahrrinne von Ratzdorf an der Neißemündung bis Küstrin so vertieft werden, | |
dass ein Wasserstand von 1,80 Metern Tiefe an 80 Prozent eines Jahres | |
möglich sei. Von Küstrin bis Schwedt soll die Oder sogar an neun von zehn | |
Tagen so tief sein. Zum Vergleich: An diesem Dienstag betrug der Pegelstand | |
in Ratzdorf im Landkreis Oder Spree 1,39 Meter. | |
Die Grünen in Brandenburg jedenfalls schlugen bereits Alarm. „Die deutsche | |
Seite hat davon kaum etwas mitkommen“, kritisierte der umweltpolitische | |
Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Benjamin Raschke „Wir verlangen von | |
der Landesregierung eine umfangreiche Stellungnahme.“ Für die Grünen, aber | |
auch für Umweltschutzverbände ist die auf 500 Kilometern frei fließende | |
Oder ein einzigartiger Naturraum, der durch einen Ausbau gefährdet wäre. | |
Denn eine Vertiefung der Fahrrinne kann zu einem Austrocknen der sensiblen | |
Auenwälder führen. | |
Damit ist die Debatte über den Ausbau der Oder wieder voll entbrannt. Zwar | |
hat Polen in einem Vertrag, den Warschau mit Berlin im Jahr 2015 | |
unterzeichnete, tatsächlich eine weitgehende Mindesttiefe von 1,80 Metern | |
bestätigt bekommen. Doch bezweifeln Umweltschutzorganisationen, ob dies | |
ohne weitreichende Ausbaupläne erreichbar sei. „Im Sommer führt die Oder zu | |
wenig Wasser, im Winter ist sie vereist“, sagt Raschke. „Ich kann die | |
wirtschaftlichen Interessen der Schifffahrt- und der Frachtbranche zwar | |
verstehen, aber für diese vagen Aussichten auf Erfolg solche kostbaren | |
Naturräume zu opfern steht in keinem Verhältnis.“ | |
Während in Deutschland die Oder nur als „Nebenwasserstraße“ gilt, versucht | |
Warschau seit Jahren, ihren Ausbau voranzutreiben. Dass das Thema nun | |
wieder auf die Tagesordnung kommt, hat mit Geldern der Weltbank zu tun, die | |
die polnische Regierung bekommen hat. Bis 2023 stehen Warschau im Rahmen | |
des Odra-Vistula Flood Management Projects 1,2 Milliarden Euro zur | |
Verfügung. Einzige Bedingung: Das Geld darf nicht für die Ertüchtigung der | |
Binnenschifffahrt ausgegeben werden, sondern einzig für den Schutz vor | |
Hochwasser. | |
## Ausbau für den Hochwasserschutz? | |
Doch Polen scheint es damit nicht ganz so genau zu nehmen. „Die deutsche | |
Seite ist an einer Modernisierung der Oder für die Binnenschifffahrt nicht | |
interessiert“, verriet der damalige Direktor der regionalen Wasserbehörde | |
in Stettin, Andrzej Kreft vor einiger Zeit der Tageszeitung Kurier | |
Szczeciński. „Aber mir ist es gelungen, das Thema umzudrehen.“ Unter dem | |
Deckmantel des Hochwasserschutzes propagiert Kreft seitdem den Ausbau der | |
Oder für Eisbrecher. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. | |
Einen ersten Rückschlag musste die polnischen Wasserbaubehörden allerdings | |
schon hinnehmen. So wurden Pläne zur Eindeichung des bis zu vier Kilometer | |
breiten Zwischenoderlandes Schwedt und Stettin von der Weltbank gestoppt. | |
Der Nutzen sei zweifelhaft, und die Umweltauswirkungen seien nur schwer | |
prognostizierbar, hieß es zur Begründung. | |
Der neue Vorstoß konzentriert sich nun auf die Erneuerung und den Ausbau | |
der Buhnen an der Oder auf der polnischen Seite. Weil das keine bloße | |
Instandsetzung ist, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach EU-Recht | |
nötig, bei der auch die deutsche Seite gehört werden muss. | |
Inzwischen hat Raschke eine Kleine Anfrage an die Brandenburger | |
Landesregierung gestellt. Darin will der grüne Umweltpolitiker wissen, was | |
„die Landesregierung zum Schutzgebiet der Oder als ökologisches | |
Vorranggewässer“ unternehme. | |
Noch weiter geht der Gewässerexperte des BUND, Sascha Maier. Er beklagte, | |
dass die Auslage der Planungsunterklagen von polnischer Seite bewusst in | |
die Ferienzeit gelegt worden sei. „Da kann ich auch als NGO nur schlecht | |
Gutachter beauftragen“, sagte Maier gegenüber der taz. Kritik kommt auch | |
von der Deutschen Umwelthilfe, der Heinz Sielmann Stiftung, dem | |
Naturschutzbund Nabu, dem WWF und dem Nationalparkverein Unteres Odertal. | |
## Bürger können Stellung beziehen | |
Inzwischen hat die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes | |
(WSV) bekannt gegeben, dass die Unterlagen vom 31. Juli 2019 auch in | |
Deutschland einzusehen seien. Bis zum 29. August bestünde die Möglichkeit, | |
Stellung dazu zu beziehen. Die deutschen Wasserbehörden wollen dann im | |
Herbst Stellung beziehen. Auch soll es eine Veranstaltung auf deutscher | |
Seite zu diesem Thema geben. | |
Laut EU-Recht müssen die polnischen Behörden auch die deutschen Einwände in | |
einem Planungsverfahren berücksichtigen. Tun sie das nicht, kann gegen eine | |
eventuelle Genehmigung der Ausbauarbeiten geklagt werden. | |
Der Grünen-Abgeordnete Raschke sieht aber noch eine andere Möglichkeit, | |
Druck auf die polnische Seite auszuüben. Er forderte gegenüber der taz die | |
Landesregierung in Potsdam auf, sich für den Umweltschutz an der Oder | |
einzusetzen. „Ministerpräsident Dietmar Woidke ist auch der | |
Polenbeauftragte der Bundesregierung. Diesen Weg muss man nutzen.“ Auf eine | |
Antwort auf seine Anfrage hofft Raschke noch vor der Wahl am 1. September. | |
4 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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