| # taz.de -- Landeseigene Wohnungsgesellschaften: Kritiker sind unerwünscht | |
| > Bis zum 8. September sollen in den landeseigenen Wohnungsgesellschaften | |
| > Mieterräte gewählt werden. Doch 108 Kandidaten wurden nicht zur Wahl | |
| > zugelassen. | |
| Bild: Was ist das Bündnis für soziale Mieten von 2012 wert? | |
| Mitbestimmung schön und gut, aber nur, wenn sie keine unangenehmen Fragen | |
| aufwirft. So in etwa lässt sich der Auftakt für die Wahl von Mieterräten | |
| für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften beschreiben. Zwar stellen | |
| sich für die Wahl zwischen dem 5. August und 8. September rund 1.000 | |
| Mieterinnen und Mieter zur Wahl. Jeder zehnte Kandidat aber wurde | |
| abgelehnt. | |
| ## Gesobau in der Kritik | |
| Mehr Mitbestimmung bei den städtischen Gesellschaften: Das war eines der | |
| Ziele, die der Mietenvolksentscheid gefordert hatte. Im | |
| Wohnraumversorgungsgesetz, das das Abgeordnetenhaus daraufhin im Januar | |
| verabschiedete, ist für jedes der sechs Berliner Wohnungsunternehmen ein | |
| Mieterrat vorgesehen. „Die neuen Mieterräte vertreten die Interessen aller | |
| Mieterinnen und Mieter des Wohnungsunternehmens“, hieß es am Mittwoch aus | |
| dem Hause von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). „Sie | |
| beschäftigen sich mit den Planungen des jeweiligen Wohnungsunternehmens für | |
| Neubau, Modernisierung und Instandsetzung, Quartiersentwicklung sowie | |
| Gemeinschaftseinrichtungen.“ | |
| So weit die Theorie. Die Praxis brachte eine kleine Anfrage des | |
| Linken-Abgeordneten Steffen Zillich ans Licht. In ihr musste Geisels | |
| Verwaltung einräumen, dass 108 Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt von | |
| den Wohnungsbaugesellschaften nicht zugelassen wurden. Besonders | |
| hervorgetan haben sich dabei die Degewo mit 31 Ablehnungen, die Gewobag mit | |
| 31 und die Gesobau mit 22. | |
| Der Sprecher des Mietenvolksentscheids, Rouzbeh Taheri, nannte den | |
| „massenhaften Ausschluss von MieterInnen bei den landeseigenen | |
| Wohnungsunternehmen“ einen Skandal. „Wir wissen von mehreren Fällen, | |
| speziell bei der Gesobau, dass aktive MieterInnen gezielt von der | |
| Kandidatenliste gestrichen worden sind“, so Taheri. | |
| Tatsächlich liegt der taz ein Schreiben vor, in dem die Gesobau den | |
| Ausschluss eines Kandidaten für die Wahl zum Mieterbeirat begründete. | |
| Wörtlich heißt es darin, der Mieter „legte Widerspruch zur Ankündigung von | |
| Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen an dem von ihm bewohnten | |
| Gebäude ein“. | |
| Die Gesobau wies die Anschuldigungen zurück. Abgelehnt wurden nur solche | |
| Kandidaten, die unter anderem gegen das „friedliche Zusammenleben“ | |
| verstießen, sagte Gesobau-Sprecherin Birte Jessen. „Einspruch gegen | |
| Modernisierungsmaßnahmen zählt dabei nicht zu den Ausschlusskriterien“, so | |
| Jessen weiter. | |
| Die linke Mietenpolitikerin Katrin Lompscher vermutet dennoch, dass die | |
| Wohnungsbaugesellschaften keine Kritiker ihrer Modernisierungspolitik in | |
| den Mieterräten wünsche. Tatsächlich stand vor allem die Gesobau in Pankow | |
| in der Kritik. Gegen Bauvorhaben, an deren Ende oft 8 Euro pro Quadratmeter | |
| Kaltmiete gefordert wurde, hatten sich die Betroffenen verschiedener Häuser | |
| zu einem „Pankower Mieterprotest“ zusammengeschlossen. Nach Druck aus dem | |
| Abgeordnetenhaus und der BVV gibt es in Pankow seit 2013 einen | |
| „Pilotvertrag“. Darin verpflichtet sich die Gesobau, bei ihren Sanierungen | |
| eine unabhängige Mieterberatung einzuschalten. | |
| ## Senat schweigt | |
| Zur Ablehnung der Kandidaten wollte sich die Senatsverwaltung für | |
| Stadtentwicklung nicht äußern. Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup | |
| (SPD) verwies darauf, dass die Kandidaten von einer unabhängigen | |
| Wahlkommission geprüft worden seien und nicht von den städtischen | |
| Gesellschaften selbst. Dieses Argument will Mietenvolksentscheid-Sprecher | |
| Taheri nicht gelten lassen. „Die Wahlkommissionen wurden vom Vorstand der | |
| landeseigenen Gesellschaften eingesetzt“, sagte er der taz. „Sie sind also | |
| nicht unabhängig.“ | |
| 3 Aug 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Malene Gürgen | |
| Uwe Rada | |
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