# taz.de -- Bauprojekt am Leipziger Platz: Wer will denn hier schon wohnen | |
> Bausenator Geisel hat einen Investor am Leipziger Platz davon befreit, | |
> Wohnungen bauen zu müssen. Grüne und CDU drohen mit Konsequenzen. | |
Bild: Im Schein-Gebäude am Leipziger Platz gibt es keine Wohnungen | |
Den Rücktritt des Bausenators hat bislang noch keiner gefordert, weder die | |
Opposition noch der Koalitionspartner CDU. Dennoch könnte Andreas Geisel | |
(SPD) schweren Zeiten entgegengehen. Am Leipziger Platz hat der Senator, | |
der seinen politischen Erfolg an den Bau von Wohnungen knüpft, einen | |
Investor vom Wohnungsbau befreit. Bei der nächsten Sitzung des | |
Bauausschusses muss sich Geisel nun erklären – 13 Tage vor der Wahl am 18. | |
September. | |
Stein des Anstoßes ist das letzte nicht bebaute Grundstück am Leipziger | |
Platz. Seit zwölf Jahren steht an der Ecke zur Ebertstraße ein Baugerüst | |
mit einer Plane. Im vergangenen November hatte der Eigentümer, die F 100 | |
Investoren AG, beim Bezirk Mitte einen Bauvorbescheid beantragt. Pikant | |
daran: Der Luxemburger Investor will sich nicht an den gültigen | |
Bebauungsplan halten. Der nämlich schreibt einen Wohnanteil von 20 Prozent | |
vor. Bislang haben nach Informationen der taz alle Bauherren am Leipziger | |
Platz Wohnungen gebaut. | |
Die F 100 will dagegen nur Büros errichten, das bringt deutlich mehr Geld. | |
Dennoch blieb das Bezirksamt Mitte standhaft. Im Januar 2016 lehnte | |
Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) den Antrag des Investors ab. | |
Zu diesem Zeitpunkt aber war der Investor schon in der Behörde von Andreas | |
Geisel vorstellig geworden. Und rannte dabei offenbar offene Türen ein. So | |
beschied die Stadtentwicklungsverwaltung bereits am 1. September 2015, dass | |
eine Befreiung vom Wohnungsbau rechtlich möglich sei. Das geht aus den | |
Akten hervor, die der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU, Stefan | |
Evers, einsehen konnte. „Das ist ein klarer Rechtsbruch“, sagte Evers am | |
Montag der taz. | |
Dass sich Bausenator Geisel über den Bebauungsplan hinweggesetzt hat, | |
findet auch der grüne Baupolitiker Andreas Otto eine „herbe Sache“. Den | |
Widerspruch des Bezirks hatte die Senatsverwaltung am 17. März kassiert – | |
und dem Investor grünes Licht gegeben. | |
## Auch Strieder ist mit dabei | |
Dass darüber hinaus der ehemalige SPD-Landeschef und Bausenator Peter | |
Strieder die Finger im Spiel hatte, hat für den Grünen Otto „mehr als ein | |
Geschmäckle“. Strieder arbeitet als Lobbyist für F 100 – und soll schon im | |
Vorfeld des Bauantrags beim Bezirksamt Mitte vorstellig gewesen sei. Dort | |
sei er allerdings abgeblitzt. | |
Eine ganz andere Geschichte erzählt Martin Pallgen, der Sprecher von | |
Bausenator Geisel. Demzufolge habe der neue Eigentümer 2014 deutlich | |
gemacht, dass er tatsächlich bauen wolle. „Es bestand damit die Chance, | |
endlich das Baugerüst wegzubekommen, mit dem Stadt nur simuliert wird.“ | |
Das Verfahren erklärt Pallgen damit, dass der Investor „parallel zum | |
Bauantrag im Bezirk“ in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung | |
nachgefragt habe, ob eine Befreiung vom Wohnungsbau denkbar wäre. Das | |
Schreiben vom 1. September 2015 sei ein interner Vermerk gewesen, der dem | |
Eigentümer nicht mitgeteilt wurde. „Den Bezirk haben wir mündlich | |
informiert“, so Pallgen. Für Pallgen stellt sich auch die Frage, ob die | |
Vorgaben des Bebauungsplans noch zeitgemäß seien. „Ist denn mit den | |
Luxuswohnungen am Leipziger Platz Urbanität erreicht worden?“, fragt er. | |
Die Fragen von Grünen und Opposition dürften damit nicht beantwortet sein. | |
Andreas Otto, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Bauausschusses ist, | |
geht davon aus, dass das Thema dort am 5. September zur Sprache kommen | |
wird. | |
Und auch CDU-Mann Evers hat Gesprächsbedarf. „Wir werden das nicht gegen | |
den Koalitionspartner zum Besprechungspunkt machen wollen“, sagt Evers der | |
taz. „Aber wenn es die Opposition auf die Tagesordnung setzt, werden wir | |
mit unserer Meinung nicht hinterm Berg halten.“ Evers’ Forderung: „Geisel | |
soll seine Genehmigung zurückziehen.“ | |
Geisel-Sprecher Pallgen dazu: „Wir haben nicht vor, den Beschluss | |
rückgängig zu machen.“ | |
15 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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