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# taz.de -- Berlins Finanzsenator über Häuserkauf: „Ein Mittel gegen Spekul…
> Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) erklärt, warum es sinnvoll wäre, wenn sich
> landeseigene Gesellschaften bei der Rigaer94 engagierten – und bei
> weiteren Mietshäusern.
Bild: Es wird Zeit, die Stadt zurückzukaufen: Protestplakat am Hausprojekt Rig…
taz: Herr Kollatz-Ahnen, wie wichtig ist dem Senat die Befriedung des
Konflikts um die Rigaer Straße 94?
Matthias Kollatz-Ahnen: Mir als Finanzsenator ist es wichtig, dass wir
ausloten, ob es Möglichkeiten der Deeskalation gibt. Es gab eine
Gerichtsentscheidung, die den Polizeieinsatz dort korrigiert hat. Außerdem
hat die Innenverwaltung mitgeteilt, dass es einen neuen Eigentümer gibt,
von dem man aber noch nicht weiß, wer es ist. Aus meiner Sicht ist es
sinnvoll, dass wir versuchen, da den Kontakt aufzunehmen.
Mit welchem Ziel?
Um zu klären, ob der Eigentümer an einer Deeskalation interessiert ist. Und
ob es Möglichkeiten gibt, mit den Bewohnern, die an friedlichen Lösungen
interessiert sind, Gespräche zu führen.
Welche Rolle spielt die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Degewo dabei?
Die Degewo versucht mit meiner Unterstützung über einen Rechtsanwalt einen
Kontakt mit dem Eigentümer herzustellen. Das soll noch über den Sommer
stattfinden. Eine mögliche Frage ist die, ob der Eigentümer es sich
vorstellen kann, eine Verwaltungsgesellschaft zu beauftragen. Ein
Geschäftsbereich der Degewo ist das Verwalten von Wohnungsbeständen.
Welches Interesse sollte der Eigentümer daran haben?
Wenn man eine professionelle Verwaltung hat, kann man einen gewissen
Interessenausgleich herbeiführen. Da könnte man auch zu klareren
Verhältnissen etwa in Nutzungsverträgen kommen. Das muss ausgelotet werden.
Wenn es das Interesse des Eigentümers ist, Mietparteien rauszuklagen, wird
er wenig Interesse an einer Kooperation mit der Degewo haben.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine solche Lösung das eine oder andere
Mal ein Weg war, einen solchen Konflikt zu deeskalieren. Insofern ist es
einen Versuch wert.
Eine Verwaltungsgesellschaft wäre die billigste Lösung für den Senat. Die
teuerste wäre ein Kauf durch die Degewo. Wie teuer darf die politische
Lösung eines solchen Konflikts sein?
Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass irgendwer genau wusste,
dass für die Rigaer Straße 4 Millionen Euro geboten werden sollen.
Die Zahl kam nicht von Ihnen?
Nein. Das ist alles absurd. Wenn es wirklich stimmt, dass es einen neuen
Eigentümer gibt, ist es doch eher unwahrscheinlich, dass der gleich wieder
verkaufen will. Der hat das Haus gekauft, um etwas damit anzufangen.
Deshalb ist es eher so, dass man mit ihm über die Frage eines
Verwaltungsvertrags reden kann als über andere Themen.
Und wenn der neue Eigentümer modernisieren will? Führt das nicht eher zu
neuen Konflikten als zu einer Deeskalation?
Es gibt Bewohner, die deutlich gemacht haben, dass sie an einer
Deeskalation und an Gesprächen Interesse haben. Außerdem würde eine solche
Deeskalation Kompromisse von allen Seiten beinhalten.
Angenommen, der Eigentümer wäre zum Verkauf bereit: Wären Sie in diesem
Fall auch bereit, eine Summe auf den Tisch zu legen, die über das
hinausgeht, was man in diesem Haus – auch unter Einbeziehung der Bewohner –
an Miete erwirtschaften kann?
Als Land Berlin verlangen wir von den Wohnungsbaugesellschaften, dass sie
bei allen Projekten, die sie erwerben, auf die Wirtschaftlichkeit achten.
Das gilt auch hier. Deshalb kommen manchmal Käufe nicht zustande.
Zum Beispiel bei der Großgörschenstraße mit der Gewobag.
Da gab es Verhandlungen mit dem Bund, wo wir gesagt haben: Wenn sich das
nicht wirtschaftlich darstellen lässt, dann machen wir das nicht. Das gilt.
Weil es im Umkehrschluss bedeuten würde, dass die Mieter anderer Häuser nur
Autoreifen anzünden müssten, und schon hätten sie bessere Chancen?
Das haben Sie gesagt. Meine Sichtweise ist anders. Wenn wir Häuser kaufen,
die nicht wirtschaftlich sind, bedeutet das eine Quersubventionierung im
Unternehmen. Die Häuser müssen deshalb jeweils für sich wirtschaftlich
gedacht werden, damit nicht der eine Teil der Mieterschaft für den anderen
zahlen muss.
Nun ist es so, dass in Erhaltungsgebieten die Bezirke ein Vorkaufsrecht
ausüben können, wenn der Eigentümer etwa über Luxusmodernisierungen die
sozialen Ziele gefährdet.
Vorkaufsrechte sind ein Ansatz, der uns in nächster Zeit immer wieder
beschäftigen wird. Wir haben schon in einer ganzen Reihe von Fällen eine
Vorkaufsabsicht der Bezirke geprüft und ihr auch zugestimmt. In einigen
Fällen haben wir es auch vollzogen. Das ist ein sinnvolles Element einer
mieterorientierten Wohnungspolitik. Und ein Mittel gegen die Spekulation
mit Grund und Boden.
Welche Mittel gibt es da sonst?
Das beste Mittel ist die Entwicklung neuer Flächen mit sogenannten
Entwicklungsgebieten oder mit Flächen im öffentlichen Eigentum, was wir
etwa mit der Nachnutzung des Flughafens Tegel und neuen Gebieten wie der
Elisabethaue beabsichtigen. Das zweitwichtigste Instrument ist die
kooperative Baulandentwicklung, bei der die Privaten gehalten sind, einen
Teil ihrer Wohnungen als Sozialwohnungen zu bauen.
Der Wille zur politischen Gestaltung ist bei Ihnen unübersehbar. Woher
kommt der?
Administratives Handeln kann auch ins Gelingen verliebt sein. Darum mühen
wir uns alle in der Finanzverwaltung. Gerade in einer Situation, in der die
Stadt stark wächst. Und wenn das positiv wahrgenommen wird, umso besser.
Wie ist denn Ihr Verhältnis zum Bund? Gerade erst hat
Bima-Vorstandssprecher Jürgen Gehb erklärt, dass er den Verkauf des
Dragoner-Areals nicht rückabwickeln werde – und das, obwohl das Land Berlin
diesem Verkauf im Bundesrat nicht zugestimmt hat.
Was Liegenschaftspolitik angeht, haben wir eine andere Auffassung als der
Bund. Beim Dragoner-Areal ist es so, dass unsere Zustimmung im Bundesrat
die notwendige Voraussetzung für den Verkauf ist. Der Finanzausschuss im
Bundesrat hat den Verkauf abgelehnt. Damit ist der Verkaufsprozess zu Ende.
Die Wahlen stehen vor der Tür. Für die SPD spielen die landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften eine Hauptrolle in der Mietenpolitik. Aber die
landeseigenen Gesellschaften wollen nicht immer so, wie es die SPD will.
Ist es wirklich so, dass eine Modernisierung für eine landeseigene
Gesellschaft nur dann wirtschaftlich ist, wenn sich die Mieten um 70, 80
oder 100 Prozent erhöhen?
Es ergibt zum einen keinen Sinn, Wohnungen verfallen zu lassen. Es macht
aber auch keinen Sinn, Wohnungen so zu modernisieren, dass man damit
massive Gentrifizierungsprozesse in Gang setzt. Insofern gibt es eine
Diskussion zwischen den Gesellschaften und dem Land als Eigentümer. Mein
Kollege Geisel und ich machen da deutlich, dass wir die Mieterhöhungen im
Schnitt nicht über 2 Prozent haben wollen. Das ist ein halbes Prozent
weniger als die Steigerung bei den mittleren Tarifabschlüssen.
Das ist ein Durchschnittswert, der bei einer Modernisierung natürlich weit
überstiegen wird. Sollte man dort, wo etwa eine Wärmedämmung ohnehin
umstritten ist, nicht darauf verzichten?
Man muss sich in der Tat die Frage stellen, in welchem Stadtquartier
welcher Umfang an Modernisierung nötig ist. Manchmal ist es so, dass
Modernisierungsmaßnahmen viel Geld kosten und die Mieten steigen ohne einen
adäquaten Gewinn an Lebensqualität. Je näher man dem Ziel kommt, dass die
ersparten Heizkosten den Mieterhöhungen entsprechen, umso besser.
Heißt das auch, dass die Einsparungen künftig nachgewiesen werden müssen.
Bislang ist das nicht der Fall.
Das ist eine der Aufgaben, um die sich etwa die Anstalt des Öffentlichen
Rechts kümmern muss, die künftig die Wohnungsbaugesellschaften und den
Senat strategisch beraten wird. Diese Anstalt kann und soll in ihren
Gremien Gutachten beauftragen, die Modernisierungsstrategien und ihre
Wirkung bewerten.
Sie haben als einen der beiden Geschäftsführer für die Anstalt Jan Kuhnert
vorgeschlagen, Mitinitiator des Mietenvolksentscheids. Nun wird Ihnen
Vetternwirtschaft vorgeworfen, weil er ein alter politischer Weggefährte
von Ihnen sein soll.
Ich schätze Herrn Kuhnert. Er ist ein ausgewiesener Experte. Wir sind aber
bisher weder durch gemeinsame Auffassungen zum Mietenvolksbegehren noch
durch gemeinsame politische Grundüberzeugungen aufgefallen. Zum
Verfahrensstand: Gegenwärtig findet eine Nachsuche nach weiblichen
Kandidatinnen statt, die in einigen Wochen abgeschlossen sein wird. Im
Rahmen der Bestenauslese wird es dann zu einer endgültigen Entscheidung
kommen
Stadtentwicklungssenator Geisel hat den Ex-Degewo-Chef Frank Bielka
vorgeschlagen, also einen ehemaligen Vertreter der Wohnungswirtschaft.
Zeigt sich in der Unterschiedlichkeit der Kandidaten ein anderer
Politikstil, den Sie im Vergleich zur traditionellen Sozialdemokratie
führen?
Der Kollege Geisel und ich arbeiten gut, gerne und viel zusammen.
12 Aug 2016
## AUTOREN
Uwe Rada
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