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# taz.de -- Debatte um Palais am Festungsgraben: Ein Kleinod als Zwischenlager
> Eine Initiative möchte gerne ein „Haus der Vereinten Nationen“ aus dem
> Palais am Festungsgraben machen. Doch bis 2019 wird das Gebäude
> zwischengenutzt.
Bild: Außen hui und innen pfui? Palais am Festungsgraben.
Auch Til Schweiger war mal hier. Für seinen Kino-„Tatort“ „Tschiller –…
Duty“ wurde ordentlich rumgeballert. Gut gegen Böse. Das war oben im ersten
Stock in den herrschaftlichen Sälen des Palais am Festungsgraben – im
Marmorsaal und im Eichensaal, die auch sonst für Veranstaltungen vermietet
werden. Denn irgendwie muss sich das Palais ja über Wasser halten. Zur Not
eben mit Til Schweiger.
Es sind nicht viele Kleinode aus dem 18. Jahrhundert, die Berlin sein eigen
nennen kann. Das Palais am Festungsgraben gehört dazu. Der von 1751 bis
1753 von Christian Friedrich Feldmann errichtete Prachtbau hinter der Neuen
Wache diente einst als Amtssitz der preußischen Finanzminister, nach dem
Krieg beherbergte er zunächst die Sowjetische Militäradministration, bevor
er dann zum Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft wurde. Viele haben
noch die Grusinische Teestube in Erinnerung.
Doch dann kam die Wende und mit ihr die lange Zeit des Leidens.
„Vernachlässigt“ und „beklagenswert“, das sind die Attribute, die Rolf
Kreibich einfallen, wenn er an das Palais denkt, das sich seit 1990 wieder
in Landesbesitz befindet. Kreibich hat sein Büro im Seitenflügel des
Gebäudes und legt voller Stolz sein Konzept auf den Tisch. „Das Palais am
Festungsgraben. Ein Haus für die Vereinten Nationen in Berlin“, lautet der
nicht gerade bescheidene Titel.
## Privatisierung vom Tisch
Kreibich findet, dass man über die UN nicht viel weiß in der deutschen
Hauptstadt. „Wir wollen, dass hier ein Bürgerforum entsteht und die UN ein
Gesicht bekommt.“ Sein Vorschlag: „Immer, wenn ein Vertreter der Vereinten
Nationen nach Berlin kommt, soll er im Palais einen öffentlichen Vortrag
halten.“
Zukunftsmusik, die freilich ganz gut klingt. In der Gegenwart knirscht es
eher. Viele Räume sind nicht vermietet, investiert wurde schon lange nicht
mehr. Neben den spätbarocken Schmuckräumen, die für Veranstaltungen und
Filmdrehs vermietet werden, hat sich das Gorki-Theater Büroräume im Palais
gesichert, die es zeitweilig sogar untervermietet. Auch die Berliner
Immobilienmanagement GmbH BIM, die für die Immobilien des Landes Berlin
zuständig ist und das Palais verwaltet, hat zahlreiche Räume vermietet. Wer
vor dem schmucken Eingangsportal steht und die vielen Schilder sieht, denkt
eher an ein Bürohaus als an ein barockes Palais.
Das findet auch Gabriele Streichhahn. Kurz nach der Wende war die
Schauspielerin ans Theater im Palais gekommen, das sich damals neu
gegründet hatte. Seit 1999 führt sie das Haus als Intendantin. „Es stößt
uns bitter auf, dass es immer noch kein Konzept gibt“, sagt sie. Zwar hat
das Theater ein Bleiberecht im Palais, das Drumherum aber wird immer
ungemütlicher. „Manchmal rufen Besucher an und fragen, ob es uns überhaupt
noch gibt“, klagt Streichhahn.
Die Idee, das Palais für einen symbolischen Preis für einen Euro zu
privatisieren, ist inzwischen vom Tisch. Doch eine Entscheidung über die
Zukunft wurde vom Senat immer wieder verschoben. Auch das für Ende 2016
angekündigte Konzeptverfahren, bei dem ein langfristiges Nutzungskonzept
gefunden werden soll, hat die Senatsverwaltung für Finanzen auf Eis gelegt.
Der Grund: Weil in Gebäuden der Humboldt-Universität und in der Verwaltung
des Gorki-Theaters Sanierungsarbeiten anstehen, sollen die betroffenen
Mitarbeiter im Palais untergebracht werden, erklärt Eva Henkel, Sprecherin
von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). „Drehscheibe“ nennt man das
in der Finanzverwaltung.
Was sie darunter zu verstehen haben, haben elf Mieter des Palais, darunter
die Junge Islamkonferenz, am29. September erfahren. Ein Bote brachte ihnen
im Namen der BIM die Kündigung. Bis Ende des Jahres müssen sie ihre Büros
räumen.
Der CDU-Abgeordnete Stefan Evers hat die Faxen inzwischen dicke. „Seit
Jahren frage ich den Senat nach einem Nutzungskonzept und nach den Kosten
für die Sanierung des Gebäudes“, sagt Evers der taz. „Bisher gibt es keine
Antwort.“ Dass die BIM nun einigen Mietern kündigt, hält er für einen
politischen Skandal. „Das ist übelste Heuschreckenmanier“, sagt Evers, „…
hätte ich bei einem öffentlichen Vermieter nicht erwartet.“
Finanzsprecherin Henkel dagegen verteidigt das Vorgehen. Die Umsetzung von
HU und Gorki-Mitarbeitern findet sie „naheliegend“. „Die derzeitigen
Zwischennutzungen des Palais müssen gegenüber dem Gemeinwohlinteresse des
Landes Berlin zurücktreten.“
Die BIM selbst erklärte inzwischen, es seien Lösungen für die gekündigten
Mieter gefunden worden. „Wir haben auch entschieden, dass das Gebäude beim
Land Berlin bleiben wird“, betont BIM-Sprecher Christian Breitkreutz. Nach
Abschluss der Umsetzungsmaßnahmen werde 2019 mit der Sanierung begonnen.
Die Kosten bezifferte Breitkreutz auf eine Summe zwischen 10 und 20
Millionen Euro. Künftige Nutzer könnten sich bereits mit einer
Interessenbekundung bei der BIM melden.
Rolf Kreibich reicht das nicht: „Immer wieder wurde uns gesagt, dass es ein
Konzeptverfahren geben soll und wir uns mit unserer Idee bewerben sollen.“
Dass die Entscheidung nun erneut verschoben wurde, sei wie das „Hornberger
Schießen“. Kreibich hat eine Befürchtung: „Es ist ein offenes Geheimnis,
dass sich auch das Gorki-Theater langfristig um das Palais am
Festungsgraben bemüht.“
Ist mit der Zwischennutzung vielleicht schon eine Art Vorentscheidung
gefallen? Das Gorki winkt ab. „Wir haben offiziell noch gar kein Konzept
eingereicht“, sagt Sprecherin Mona Intemann. Man engagiere sich aber für
ein „Nutzungskonzept, das einen niedrigschwelligen, die Diversität der
Stadt repräsentierenden Ort für Kunst und Kreativität entstehen lässt“.
Immerhin eines dürfte damit feststehen: Til Schweiger und seine
Ballermänner dürften raus sein – egal ob das „Haus der Vereinten Nationen…
oder das Gorki das Rennen macht.
22 Nov 2016
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Matthias Kollatz-Ahnen
Maxim Gorki Theater
Vereinte Nationen
Finanzsenator Matthias Kollatz
Staatstheater Braunschweig
CDU Berlin
Matthias Kollatz-Ahnen
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