# taz.de -- Urteil zur Gudvanger Straße: Spielstraße aus dem Verkehr gezogen | |
> Das Verwaltungsgericht untersagt Nutzung der Gudvanger Straße in | |
> Prenzlauer Berg als Spielfläche. Eine Anwohnerin hat gegen die | |
> Bezirksinitiative geklagt. | |
Bild: Die Sonne scheint hier nicht für spielende Kinder: die Gudvanger Straße… | |
Der Prenzlauer Berg gehört nun wieder ganz den Autofahrern: Das Berliner | |
Verwaltungsgericht untersagte am Montag die Nutzung eines Teilbereichs der | |
Gudvanger Straße als temporäre Spielstraße. Damit gaben die Richter dem | |
Eilantrag einer Anwohnerin gegen den Bezirk statt: Die Frau sah einen 35 | |
Meter langen Abschnitt am Humannplatz nicht mehr ordentlich im Sinne der | |
Straßenverkehrsordnung genutzt. | |
„Wir bedauern die Entscheidung in erster Linie für die Kinder“, sagte | |
Bezirksstadtrat Torsten Kühne (CDU) der taz. „Das war mal eine kreative | |
Idee, schnell und unkompliziert Spielraum zur Verfügung zu stellen, der | |
gerade im nördlichen PrenzlauBezirk enttäuschter Berg knapp ist.“ | |
Mehrere Dutzend Kinder verwandelten die Verbindungsstraße zwischen Wisbyer | |
Straße und Wichertstraße seit Ende Mai einmal in der Woche in einen großen | |
Spielplatz. Das Teilstück zwischen den Hausnummern 16 und 22 war dann jeden | |
Dienstag zwischen 10 und 18 Uhr für den Durchgangsverkehr gesperrt, | |
Anwohner mussten ihre Autos umparken. | |
„Temporäres Spielen auf der Straße“, betitelte man das berlinweit | |
einzigartige Pilotprojekt, das bis Oktober laufen sollte. Verantwortlich | |
zeichneten der Bezirk und eine Anwohnerinitiative. | |
## Spielen ist keine Veranstaltung | |
Indem man die Teilzeit-Spielstraße als Veranstaltung anmeldete, hoffte man | |
seitens des Bezirks, der Straßenverkehrsordnung Genüge getan zu haben. Die | |
regelt nämlich in Paragraf 29, wann man Straßen auch ausnahmsweise anders | |
nutzen darf als zu Verkehrszwecken, sprich: um von A nach B zu kommen und | |
als Abstellfläche fürs Auto. Eine Veranstaltung, etwa eine Demonstration | |
oder ein Wochenmarkt, ist so eine Ausnahme. | |
Allein: Seilhüpfen und Gummitwist auf der Straße machen noch keine | |
Veranstaltung, urteilten die Richter nun. Es fehlten sowohl Programm als | |
auch Inhalt, die den Begriff rechtfertigen würden. „So ist einfach nur | |
gesagt worden: Wir machen aus der Straße einen Spielplatz“, erklärte ein | |
Gerichtssprecher die Entscheidung. | |
Beim Bezirk zeigte man sich am Montag indes „überrascht von der | |
Deutlichkeit“ des Urteils. Man wolle nun erst mal in Ruhe die | |
Urteilsbegründung auswerten, „aber ich sehe das schon als grundsätzliche | |
Entscheidung, die Kindern das Spielen auf der Straße prinzipiell | |
verbietet“, so Stadtrat Kühne. | |
## Naiv? Keineswegs, sagt der Bezirk | |
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk zeigte sich am Montag enttäuscht. Das | |
Urteil bedeute eine Schwächung „des Kinderrechts auf Spiel und Freizeit“. | |
Naiv sei man jedoch keinesfalls an das Projekt Spielstraße herangegangen, | |
so Kühne. „Wir haben natürlich im Vorfeld geprüft, ob man mit dem | |
Veranstaltungsbegriff argumentieren kann.“ | |
Kühne ärgert insbesondere, dass die Richter kein ausreichendes | |
„öffentliches Interesse“ an einer Spielstraße sahen. „Dabei gab es im M… | |
im Bezirksparlament einen einstimmigen Beschluss pro Spielstraße.“ | |
Der Bezirk kann das Urteil nun akzeptieren oder vors Oberverwaltungsgericht | |
ziehen. Denn die Bemühung des Veranstaltungsbegriffs war offenbar der | |
einzige – vermeintliche – Trumpf, den der Bezirk hatte, um dem Verkehr ein | |
Stück Straße abzutrotzen. | |
Ein dauerhaftes, zeitlich begrenztes Durchfahrtsverbot anzuordnen, wie es | |
etwa Frankfurt am Main und Bremen tun, habe man geprüft, das sei im Fall | |
der Gudvanger Straße aber nicht möglich, so Kühne. „Das kann man nur | |
anordnen, wenn ansonsten die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer gefährdet | |
wäre.“ Aber welches Kind spielt schon gerne Ball zwischen fahrenden Autos? | |
13 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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