# taz.de -- Klimarat schlägt Alarm: Revolution oder Katastrophe | |
> Ein interner Bericht des Weltklimarats IPCC ist pessimistisch: Viele | |
> Probleme sind technisch zu lösen, Geld ist auch genug da – allein der | |
> politische Wille fehlt. | |
Bild: Noch lässt sich die Klimakatastrophe vermeiden | |
BERLIN taz | Der [1][Klimarat der Vereinten Nationen (IPCC)] schlägt Alarm: | |
Nur wenn die Staaten ihre Energieversorgung und ihre Landwirtschaft schnell | |
und gründlich revolutionieren, kann sich die Klimakatastrophe noch | |
vermeiden lassen. Das ist das Fazit eines internen Berichts, der von | |
Hunderten Wissenschaftlern in ehrenamtlicher Arbeit für den Klimarat | |
verfasst wird und der taz vorliegt. | |
Das Ziel, den Klimawandel bis 2100 auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, heißt | |
es dort, „wird eine rapide Veränderung der Energiesysteme und bei der | |
Nutzung der globalen Landoberfläche erfordern“. Ein derart tiefgreifender | |
Wandel sei aber nicht in Sicht. | |
Noch ist der Report der Arbeitsgruppe III des IPCC vertraulich. Doch die | |
letzte Version vom 28. Februar 2013 zeichnet ein pessimistisches Bild vom | |
Treibhaus Erde: Zwar könnten viele Probleme technisch gelöst werden, auch | |
wäre genug Geld da. Aber die möglichen Verbesserungen werden kaum | |
umgesetzt. | |
Folge: Kraftwerke und Fabriken pusten weiterhin immer mehr schädliche | |
Abgase in die Luft; die Klimaverhandlungen sind blockiert; und die Zeit für | |
ernsthafte Verbesserungen läuft davon. | |
## 1.200 Kohlekraftwerke im Bau | |
Die Wissenschaftler warnen deshalb: „Ohne verstärkte Anstrengungen zur | |
Reduktion von Emissionen wird die Konzentration von Treibhausgasen noch vor | |
2030 die 450 ppm [die 2-Grad-Grenze, die Red.] überschreiten.“ Bei den | |
meisten Zukunftsszenarien werde die Schwelle von „1.000 ppm [etwa 4 bis 5 | |
Grad Celsius, die Red.] im Jahr 2100 überschritten, selbst wenn sich das | |
Wirtschaftswachstum abschwächt“. | |
Ein paar Beispiele: In den nächsten fünf Jahren wird der globale Verbrauch | |
von extrem klimaschädlicher Kohle noch einmal um 1,2 Milliarden Tonnen | |
steigen, prognostiziert die [2][Internationale Energieagentur IEA]. | |
Weltweit sind 1.200 Kohlekraftwerke im Bau, vor allem in Indien und China. | |
Kanada erschließt immer mehr Teersände. | |
Deutschland hat im Jahr 2012 seine CO2-Emissionen um 1,6 Prozent erhöht. | |
Eine ökologische Reform des EU-Agrarhaushalts lässt weiter auf sich warten. | |
Noch nie ist die Menge der Treibhausgase weltweit so schnell gestiegen, | |
zuletzt 2010 auf ein Rekordhoch von umgerechnet 50 Milliarden Tonnen CO2: | |
„Alle zwölf Jahre wird so viel CO2 aus fossilen Brennstoffen ausgestoßen | |
wie in der gesamten Geschichte der Menschheit bis 1970.“ | |
## Schwellenländer auf der Überholspur | |
Schwellenländer wie China haben die Industriestaaten überholt. Allerdings | |
entsteht in diesen Ländern ein Drittel der schädlichen Abgase bei der | |
Produktion von Gütern, die in Industriestaaten verbraucht werden. | |
Weltweit, so monieren überdies die Experten, „übersteigt der Zuwachs der | |
Emissionen die Einsparungen aus der verbesserten Energieeffizienz“. | |
Die Beschlüsse, die bei der [3][Klimakonferenz von Cancún 2010] gefasst | |
wurden, sollen die Erwärmung auf höchstens 3 Grad beschränken. Um dieses | |
Ziel zu erreichen, müssten sich die verantwortlichen Institutionen aber so | |
schnell und so umfassend den neuen Erfordernissen anpassen, wie es „noch | |
niemals in der menschlichen Geschichte vorgekommen ist“. | |
Dabei sehen die Autoren seit dem [4][4. Bericht von 2007] durchaus auch | |
Fortschritte: Erneuerbare Energien wurden schneller ausgebaut als gedacht, | |
die Preise etwa für Solarmodule sind drastisch gesunken. Mit besseren | |
Motoren und Niedrigenergiehäusern lässt sich viel sparen. Allein bei | |
Neubauten kann der Energiebedarf um „das Zwei- bis Zehnfache“ und um das | |
„Zwei- bis Vierfache bei bestehenden Gebäuden“ sinken. | |
Manche Industrien könnten bis zu 25 Prozent weniger Energie verbrauchen. | |
Wenn die Bauern ökologischer produzierten und die Menschen weniger Fleisch | |
konsumierten, würde das Klima ebenfalls deutlich entlastet. | |
## Verantwortung für die Zukunft | |
In diesem Entwurf für den 5. IPCC-Bericht, der im Jahr 2014 veröffentlicht | |
wird, betonen die traditionell naturwissenschaftlich geprägten Forscher | |
auch „ethische“ Aspekte und „Gerechtigkeitsfragen“: Welche Verantwortung | |
trägt die heutige Generation für die Zukunft? Wie werden die Lasten und | |
Kosten (der Bericht spricht von 4 Prozent des globalen Wirtschaftsprodukts, | |
um den Klimawandel zu bremsen) zwischen Staaten und in Gesellschaften | |
gerecht verteilt? | |
Der Report greift eine Frage auf, die bereits früher zu großem Streit | |
geführt hat: Haben die Opfer des Klimawandels gegenüber den Verschmutzern | |
„Anspruch auf Schadenersatz?“ | |
Klimaschutz, so das Argument, nutzt auch auf anderen Gebieten: Weniger | |
Kohlestaub in der Luft macht weniger krank; mehr Sonne- oder Windenergie | |
verringert die Abhängigkeit von Ölimporten. „Es ist daher von zentraler | |
Bedeutung, Klimawandel im größeren Zusammenhang der nachhaltigen | |
Entwicklung zu betrachten“, schreiben die Autoren. | |
Auf der anderen Seite haben weltweit 2,6 Milliarden Menschen keinen Zugang | |
zur Elektrizität. Höhere Strompreise – etwa aus der Förderung erneuerbarer | |
Energien – könnten die Bekämpfung der Armut erschweren, heißt es in dem | |
Bericht. Klimapolitik dürfe die Energie für die Armen der Welt nicht | |
verteuern. | |
3 Apr 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ipcc.ch/ | |
[2] http://www.iea.org/ | |
[3] http://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/internationale-klimapoli… | |
[4] http://www.de-ipcc.de/de/128.php | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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