| # taz.de -- Schwarz-rote Pläne zu Datenspeicherung: Die Antwort ist Massenübe… | |
| > So weit geht die Empörung über die Ausspähung durch den NSA dann doch | |
| > nicht. CDU/CSU und SPD halten an der Vorratsdatenspeicherung fest. | |
| Bild: Überwachungskameras: Nur für das geübte Auge zu erkennen. | |
| BONN taz | Die Koalition will sechs Monate speichern, welche Nummern | |
| Kanzlerin Merkel anruft und an welchen Orten sie sich mit ihrem Handy | |
| bewegt. Eine verrückte Idee? Unglaublich nach all der Aufregung um die | |
| Ausspähung der Kanzlerin durch die Amerikaner? Die Koalition findet das | |
| nicht. Das Projekt ist nämlich altbekannt. Es nennt sich | |
| Vorratsdatenspeicherung und soll nicht nur die Kanzlerin betreffen, sondern | |
| die ganze Bevölkerung. | |
| Seit 2006 sind alle EU-Staaten verpflichtet, in ihrem nationalen Recht eine | |
| Vorratsdatenspeicherung einzuführen, damit die Polizei im Verdachtsfall die | |
| Daten anfordern kann. Das heißt: Telefonfirmen müssen mindestens sechs | |
| Monate speichern, wer wen wann und wo angerufen hat. Internetfirmen müssen | |
| die Verkehrsdaten der Emails speichern und wer wann mit welcher IP-Adresse | |
| online ging. | |
| Die letzte große Koalition hatte die Vorratsdatenspeicherung 2008 zunächst | |
| pflichtgemäß eingeführt. Doch im März 2010 kippte das | |
| Bundesverfassungsgericht das Gesetz und forderte Nachbesserungen. Seitdem | |
| stritt die schwarz-gelbe Koalition über die Wiedereinführung und konnte | |
| sich nicht einigen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger | |
| (FDP) wollte die Internetdaten nur sieben Tage speichern und die | |
| Telefondaten gar nicht. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) beharrte | |
| dagegen auf einer vollständigen Umsetzung der EU-Richtlinie. | |
| Mit diesem Streit sollte es jetzt vorbei sein. Denn auch die SPD | |
| befürwortet die Vorratsdatenspeicherung und kritisierte die FDP regelmäßig | |
| für ihre Blockadepolitik. Eigentlich sollte die Vorratsdatenspeicherung das | |
| große innenpolitische Konsensprojekt von Union und SPD werden. Doch nun | |
| hakt es doch. | |
| ## Schwer zu vermitteln | |
| Denn es wird der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln sein, warum man sich | |
| über die Massenüberwachung der Amerikaner empört und dann selbst eine | |
| anlasslose Massenüberwachung einführt. Die Empörung, die sich heute noch | |
| recht hilflos gegen die übermächtigen Amerikaner richtet, kann sich schnell | |
| gegen die viel greifbarere eigene Regierung wenden. Vor allem aber schafft | |
| die Vorratsdatenspeicherung gewaltige Datenpools, die dann möglicherweise | |
| auch von der NSA – und anderen Geheimdiensten – genutzt werden. | |
| Wohl deshalb kommen jetzt Vorschläge aus beiden künftigen | |
| Regierungsfraktionen, die Vorratsdatenspeicherung nur abgemildert | |
| einzuführen. So schlug SPD-Innenpolitiker Thomas Oppermann vor, die Nutzung | |
| der Daten auf „schwere Verbrechen“ zu begrenzen. CSU-Chef Horst Seehofer | |
| meinte, dass eine dreimonatige Speicherung der Daten ja auch genüge. Statt | |
| der von der EU vorgesehenen sechs Monate. | |
| Wirklich neu ist das jedoch nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 | |
| ohnehin gefordert, dass die zwangsgespeicherten Daten nur zum Schutz | |
| "„überragend wichtiger Rechtsgüter“ eingesetzt werden, etwa zur Verfolgung | |
| „schwerer Straftaten“. Und der Europäische Gerichtshof, der im Juli über | |
| die Gültigkeit der EU-Richtlinie verhandelte, wird wahrscheinlich eine | |
| Absenkung der Mindestspeicherpflicht auf drei Monate fordern. | |
| Gegen die vermeintlichen Kompromiss-Vorschläge von CDU/CSU und SPD spricht | |
| aber vor allem, dass sie an der anlasslosen Speicherung von Milliarden | |
| privater Datensätze nichts ändern. Hauptproblem ist nicht die Nutzung der | |
| Daten im polizeilichen Verdachtsfall sondern die vorsorgliche Speicherung | |
| von Daten, die die Polizei nie brauchen wird. | |
| So hat die Polizei in Österreich von April 2012 bis März 2013 nur 326 mal | |
| zwangsgespeicherte Telefon- oder Internetdaten angefordert. Von 139 bereits | |
| abgeschlossenen Fällen konnten die Daten in 56 Fällen wesentlich zur | |
| Aufklärung beigetragen. Dabei ging es unter anderem um 16 Diebstähle, 12 | |
| Drogendelikte und 12 Fälle von Stalking, aber keinen einzigen Fall von | |
| Terrorismus. | |
| 30 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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