| # taz.de -- Rückschlag für die Netzbewegung: Die Urne ist offline | |
| > Piraten unbedeutend, Grüne schwach, selbst die letzten Bürgerrechtler aus | |
| > der FDP sind raus. Das ist ein Schlag gegen die Netz- und | |
| > Bürgerrechtsbewegung. | |
| Bild: Selbstgewählte Überwachung: Die WählerInnen pfeifen auf die Bürgerrec… | |
| BERLIN taz | Edward Snowden interessiert kein Schwein? Datenschutz ist ein | |
| Thema für Randgruppenbeschwörer? Netzpolitik ein Elitenprojekt? So ungefähr | |
| könnten einige der Antworten auf die Fragen lauten, die sich nach den | |
| Ergebnissen der Bundestagswahl in den nächsten Wochen auch Netz- und | |
| BürgerrechtsaktivistInnen stellen dürften: Wie zum Teufel konnten | |
| gesellschaftliche Mammutthemen wie die NSA-Überwachungsaffäre, die seit | |
| Wochen die Schlagzeilen mitbestimmt, solch erbärmliche Ergebnisse bei der | |
| Bundestagswahl zur Folge haben? | |
| Nach den Wahlergebnissen vom Sonntag muss die Netz- und | |
| Bürgerrechtsbewegung zur Kenntnis nehmen: Die Piratenpartei ist völlig | |
| unbedeutend, die Grünen sind geschwächt – und mit der Ex-Justizministerin | |
| Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verlässt eine der letzten großen | |
| FDP-Bürgerrechtlerinnen die politische Bühne. | |
| Kurz: Die Ergebnisse der Bundestagswahl sind, parlamentarisch betrachtet, | |
| ein deftiger Schlag für Bürgerrechtsaktivistinnen und -aktivisten. | |
| „Was meinen Sie zum Wahlausgang, Herr Innenminister?“ – | |
| „Vorratsdatenspeicherung.“ Mit diesem Witz kommentierte Twitter-Nutzer | |
| [1][@guenterhack] die politische Gemengelage am Wahlabend gleich um 18 Uhr. | |
| Unter Datenschützern und Netzaktivistinnen steht außer Zweifel, dass in der | |
| nächsten Merkel-Regierung der Widerstand gegen die Einführung der | |
| Vorratsdatenspeicherung als erstes bröckeln könnte. | |
| ## Keine Vorratsdaten, keine Netzsperren | |
| Keine Vorratsdaten, keine Netzsperren: „Im Hinblick auf Bürgerrechtsfragen | |
| könnte sich erweisen, dass die FDP in einer Regierung mehr bewirkt hat, als | |
| die Sozialdemokraten es etwa in einer Großen Koalition vermögen“, sagt der | |
| Transparenzaktivist [2][Stefan Wehrmeyer], Gründer und Betreiber von | |
| [3][fragdenstaat.de]. Der Blogger [4][Markus Beckedahl] sagt der taz: „Der | |
| Nachteil einer Regierung der großen Parteien ist, dass sich dort in | |
| Grundrechtsfragen in der Regel die Hardliner durchsetzen.“ | |
| Doch es bleibt dabei: Die Grünen, die in den letzten Wochen unter einer | |
| harten Debatte um Pädophilie in ihren Gründungsjahren gelitten haben, haben | |
| Plätze im Bundestag verloren. Und die Ergebnisse der Piratenpartei, einst | |
| die große Hoffnung vieler NetzaktivistInnen, werden gerade mal unter den | |
| „Sonstigen“ aufgezählt. Damit haben die Parteien, die der | |
| Bürgerrechtsbewegung am nächsten sind, nichts besonderes reißen können – … | |
| Gegenteil. Was heißt das für die Bewegung? | |
| Nun, das Drama ist überschaubar. Beruhigen darf die Aktivistenszene, die | |
| seit Jahren für Datenschutz, gegen Vorratsdatenspeicherung und Überwachung | |
| kämpft, dass sie ihre Stärke stets jenseits der Piraten und auch der | |
| etablierten Parteien behauptete. Viele netzpolitisch engagierte Menschen | |
| hielten sich von Anfang an auf Distanz zum Projekt einer neuen Netzpartei | |
| der Piraten – oder beäugten die Entwicklung zumindest als Chance ohne | |
| Erfolgsversprechen. | |
| ## Effektive eigene Informationsnetzwerke | |
| Darüber hinaus gilt: Dutzende Initiativen, unter ihnen etwa der [5][Chaos | |
| Computer Club], die [6][Digitale Gesellschaft] oder [7][Digitalcourage], | |
| sind längst nicht mehr darauf angewiesen, sich von einer Partei im | |
| Parlament die Stimme zu leihen. Die netzpolitischen AktivistInnen und | |
| Initiativen verfügen über eigene effektive Informationsnetzwerke und | |
| Kampagnensysteme. An Öffentlichkeit mangelt es ihnen also nicht. | |
| Dennoch führt die Schwäche der klassisch bürgerrechtlich orientierten | |
| Parteien auch zu einem Weniger an parlamentarischen Strukturen. Was eine | |
| solch parlamentarische Unterstützung allerdings wert ist, ist bei der | |
| Linkspartei erkennbar: Als Oppositionspartei und vermeintlicher Arm der | |
| sozialen Bewegungen sorgen die linken Parlamentarier seit langem für | |
| Faktenwissen, Pressemitteilungen und Fachkonferenzen, über die eine linke | |
| Gegenöffentlichkeit mitorganisiert wird. | |
| Allerdings: Die Linken sind für viele Bürgerrechtler nur sehr begrenzt | |
| attraktiv. Zwar sind ihre Abgeordneten demonstrationstechnisch viel | |
| unterwegs und in sozialen Bewegungen gut vernetzt, bei den | |
| Stanrdardterminen der Netzbewegung – wie etwa der „Freiheit statt | |
| Angst“-Demonstration – sind die Linken aber immer wieder merklich | |
| unterrepräsentiert. Jaja, genau, da war ja diese Geschichte mit der | |
| Überwachung. | |
| Hilfreich ist für die NetzaktivistInnen daher, dass die dreijährige Arbeit | |
| der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“, bei der sich | |
| in der letzten Legislaturperiode alle Bundestagsfraktionen ausgiebig mit | |
| netzpolitischen Fragen beschäftigten, die Themen der Netzbewegung bei den | |
| FachpolitikerInnen im Bundestag deutlich präsenter gemacht hat – und auch | |
| zu kürzeren Drähten ins parlamentarische System geführt hat. Dort verfügen | |
| inzwischen alle Fraktionen über Arbeitsgruppen zur Netzpolitik. | |
| Das nützt allerdings im Zweifel wenig, wenn die Bürgerrechtler dort in der | |
| Minderheit sind. Und so empfiehlt es sich doch, die Deutung der | |
| Wahlergebnisse nicht nur Parteistrateginnen und Journalisten zu überlassen, | |
| wenn die Nachricht so deutlich ist wie diese: All das Geschrei um Datenklau | |
| und Überwachung – hat bei den Wahlen nichts gebracht. | |
| 23 Sep 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://twitter.com/guenterhack | |
| [2] http://twitter.com/stefanwehrmeyer | |
| [3] http://fragdenstaat.de/ | |
| [4] http://beckedahl.org/ | |
| [5] http://www.ccc.de/ | |
| [6] http://digitalegesellschaft.de/ | |
| [7] http://digitalcourage.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
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