# taz.de -- Wahlprogramm von CDU und CSU: Nix Genaues weiß man nicht | |
> Im Wahlprogramm der Union bleibt vieles offen – etwa beim Klimaschutz. | |
> Wirtschaft und Gutverdienende werden entlastet. Ein taz-Check. | |
CDU und CSU haben ihr [1][gemeinsames Wahlprogramm für die Bundestagswahlen | |
im September] vorgestellt. Was hat sich die Union für Klima, Verkehr, | |
Steuerpolitik und Soziales etwa beim Wohnungsbau vorgenommen? Wie steht sie | |
zur Inneren Sicherheit, zu Migration, zur Außen- und Verteidigungspolitik? | |
Und wie will sie die Digitalisierung vorantreiben? | |
Und was davon wird die Partei mit dem derzeit wahrscheinlichsten | |
Koalitionspartner, den Grünen, voraussichtlich umsetzen können? Der | |
taz-Check: | |
## Klimaschutz | |
Beim Klimaschutz bekennen sich CDU und CSU – wie schon zuvor in der | |
Bundesregierung – zum Ziel, Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu | |
machen. Auf die Frage, wie das gehen soll, geben sie hingegen – ebenfalls | |
wie bisher – wenig konkrete Antworten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien | |
soll „deutlich schneller“ werden, heißt es im Programm. Zahlen werden aber | |
nicht genannt, obwohl die genaue Ausbaumenge eine zentrale Stellgröße ist. | |
Interessant: Nachdem führende Unionsvertreter zuvor scharfe Kritik an den | |
Grünen geübt hatten, weil diese den CO2-Preis für Wohnen und Verkehr | |
schneller erhöhen wollen als von der Regierung geplant, kündigt die Union | |
das jetzt ebenfalls an – allerdings mit einer Formulierung, die offenbar | |
möglichst schwer verständlich sein soll, um die eigene Klientel möglichst | |
nicht zu beunruhigen: „Wir werden den Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung | |
straffen“, heißt es im Programm. Zahlen und Daten fehlen aber auch hier. | |
Beim Thema Wasserstoff will die Union nicht nur auf sogeannten „grünen“ | |
setzen, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, sondern auch auf „blauen“, | |
der aus fossilem Erdgas mit CO2-Abscheidung gewonnen wird. Um zu | |
verhindern, dass die heimische Industrie unter den Klimaschutz-Auflagen | |
leidet, setzt die Union auf Differenzverträge, bei denen der Staat die | |
Mehrkosten erstattet, und auf einen „CO2-Grenzausgleich“, also eine Art | |
CO2-Abgabe für Importe. | |
Klappt das auch? Ja – beim Klimaschutz dürfte es in einer schwarz-grünen | |
Koalition keine unüberwindbaren Hindernisse geben. Über das Ziel besteht | |
Einigkeit, zum Weg schweigt die Union weitgehend. In der Praxis würde das | |
wohl bedeuten, dass über die Maßnahmen weitgehend die Grünen bestimmen | |
könnten, die Union sich das aber durch Zugeständnisse in anderen Bereichen | |
teuer bezahlen lassen wird. | |
Konflikte zeichnen sich vor allem bei der Frage ab, wie schnell und wie | |
stark der CO2-Preis erhöht wird und wie die Einnahmen an die Bevölkerung | |
zurückgegeben werden. Und auch bei der geplanten staatlichen Unterstützung | |
für den klimafreundlichen Umbau der Industrie [2][dürfte es Streit um die | |
Frage geben, wie diese finanziert werden soll] – denn Steuererhöhungen | |
lehnt die Union ja ebenso ab wie neue Schulden. Malte Kreutzfeldt | |
## Verkehr | |
Das will die Union: Die Union spricht sich strikt gegen ein Tempolimit auf | |
Autobahnen aus. „[3][Ein Dieselfahrverbot] lehnen wir ebenso ab wie ein | |
generelles Tempolimit auf Autobahnen“, heißt es im Programm. Die | |
Christdemokrat:innen wollen Bahn und ÖPNV ausbauen, etwa die | |
Digitalisierung der Bahn vorantreiben und Nachtzüge zum Bestandteil des | |
Mobilitätsmix machen. | |
Gleichzeitig bleibt die Union Autofahrer:innenpartei. Sie will einen | |
Umstieg auf emissionsfreie Mobilität. Dabei setzt sie auch auf synthetische | |
Kraftstoffe. Sie hält am Bau von Umgehungsstraßen fest. „Und wo es häufig | |
Stau gibt, werden wir unsere Bundesstraßen und Autobahnen erweitern“, | |
kündigen die Parteien an. Außerdem will die Union nichts gegen billiges | |
Fliegen tun: „Wir wollen, dass die Luftfahrt ein preislich | |
wettbewerbsfähiger Verkehrsträger ist und der Luftverkehrsstandort | |
Deutschland erhalten bleibt.“ | |
Klappt das auch? Tempolimit, Straßenbau und Fliegen – bei diesen | |
Themenfeldern gibt es zwischen Union und den Grünen erhebliches | |
Konfliktpotenzial. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat die Einführung | |
von Tempo 130 auf Autobahnen zur Voraussetzung einer grünen | |
Regierungsbeteiligung gemacht. | |
Während die Grünen sämtliche Projekte des Bundesverkehrswegeplans auf | |
Klima- und Umweltverträglichkeit prüfen und gegebenenfalls stoppen wollen, | |
setzen CDU und CSU ungebrochen auf weiteren Straßenbau. Die Vorstellungen | |
der Union zum Fliegen beißen sich mit den grünen Forderungen nach einem | |
Abbau von umweltschädlichen Subventionen im Luftverkehr und dem Ende von | |
Finanzhilfen für unwirtschaftliche Regionalflughäfen. Anja Krüger | |
## Steuern & Soziales | |
Das will die Union: „Keine neuen Belastungen für Unternehmen“, „stabile | |
Lohnzusatzkosten“, so lauten die Leitsätze zur Sozialpolitik im | |
Wahlprogramm 2021 der Union. Das Programm ist ein Entlastungsprogramm für | |
die Wirtschaft und für Spitzenverdiener:innen: Der Solidaritätszuschlag | |
soll für alle abgeschafft und Unternehmenssteuern auf 25 Prozent gedeckelt | |
werden. Kleine und mittlere Einkommen sollen ebenfalls steuerlich entlastet | |
werden, genaue Zahlen gibt es dazu aber nicht im Programm. | |
Die neuen Sozialleistungen bleiben überschaubar: Das Elterngeld wird um | |
zwei Monate verlängert. Für eine neue Altersvorsorge von Geburt an, eine | |
sogenannte „Generationenrente“ will die Union einen staatlichen monatlichen | |
Zuschuss lediglich „prüfen“. Pflegegeld und Pflegeleistungen sollen | |
entsprechend der Lohnentwicklung „dynamisiert“ werden. | |
Einiges wird liberalisiert: Die Verdienstgrenze für Minijobs soll von 450 | |
auf 550 Euro angehoben, die tägliche Höchstarbeitszeitgrenze von 10 Stunden | |
soll fallen und durch Begrenzungen der Wochenarbeitszeit ersetzt werden. | |
Die Hartz-IV-Sanktionen will die Union beibehalten. „Vertraute | |
Wohnsituationen“ sollen geschützt werden, wenn jemand nach einer langen | |
Arbeitsphase seinen Job verliert und Hartz IV beantragen muss. Dies könnte | |
an die aktuelle Regelung anknüpfen, nach der die Angemessenheit der Wohnung | |
beim Erstbezug von Hartz IV für die ersten sechs Monate nicht in Frage | |
gestellt wird. | |
Die großen Verteilungsfragen etwa bei Rente, Pflege und Hartz IV bleiben | |
damit ausgespart. Interessant ist, dass in den vorherigen Entwürfen zum | |
Unions-Wahlprogramm, die in der vergangenen Woche bekannt wurden, erheblich | |
konkretere, aber eben auch konfliktträchtigere Ankündigungen enthalten | |
waren. | |
So wurde in einem früheren Entwurf die Verdienstgrenze für Minijobs sogar | |
auf 600 Euro erhöht, gleichzeitig sollten die Minijobs aber | |
rentenversicherungspflichtig werden, wenn sie nicht von Schüler:innen, | |
Student:innen oder Rentner:innen ausgeübt werden. Damit hätten etwa | |
durch Minijobs hinzuverdienende Ehefrauen höhere Abgaben gehabt, aber eben | |
auch einen kleinen Rentenanspruch erworben. | |
Gestrichen wurde auch der Vorschlag, für das Ansparen einer | |
„Generationenrente“ einen monatlichen staatlichen Zuschuss von 100 Euro ab | |
Geburt für jeden jungen Menschen bis zum 18. Lebensjahr zu gewähren. | |
Ebenfalls weggefallen ist der Passus, dass Geringverdiener:innen | |
künftig verpflichtend eine staatlich bezuschusste zusätzliche betriebliche | |
Altersvorsorge hätten abschließen müssen. | |
Der Wunsch der CSU, die „Mütterrente“ aufzustocken für Kinder, die vor dem | |
Jahre 1992 geboren wurden, steht nicht im Wahlprogramm – es wäre ein teures | |
Versprechen gewesen. | |
Das Wahlprogramm glänzt letztlich im Sozialen vor allem durch seine | |
Leerstellen. Die Wirtschaftsförderung erinnert an die Wirtschaftsförderung | |
in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit um die Nullerjahre. Genau dieses | |
Problem der Massenarbeitslosigkeit gibt es im Moment aber nicht in | |
Deutschland. | |
Klappt das auch? Bei der Forderung der Grünen, den Mindestlohn anzuheben | |
und Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger:innen abzuschaffen, wird die Union | |
wohl nicht mitmachen. Barbara Dribbusch | |
## Wohnen | |
Das will die Union: Einen bundesweiten Mietendeckel wird es mit der Union | |
nicht geben. „Wir setzen nicht auf rechtlich fragwürdige und ungeeignete | |
Eingriffe, wie den Mietendeckel“, heißt es im Wahlprogramm. Überraschend | |
ist das nicht: Schließlich haben Union und FDP den Berliner Mietendeckel | |
auch vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Statt Mieten zu begrenzen, | |
setzt die Union auf schnelleres Bauen, Nachverdichtung in Städten und ein | |
stärker bebautes Umland. Nur wenn das Wohnungsangebot steige, könnten | |
Mieten stabil bleiben. Bis 2025 sollen über 1,5 Millionen neue Wohnungen | |
entstehen. | |
Steuerliche Investitionsanreize sollen bei der Umsetzung helfen: Wer neue | |
Mietwohnungen schafft, soll auch nach Ende 2021 fünf Prozent der | |
Anschaffungs- und Herstellungskosten zusätzlich von der Steuer absetzen | |
können. Zudem soll Bauen schneller und unkomplizierter werden: Die Anzahl | |
der Bauvorschriften soll signifikant verringert werden. Wenn ein | |
vollständiger Bauantrag nach zwei Monaten nicht bearbeitet wurde, soll er | |
als genehmigt gelten. Bauland soll flexibel ausgewiesen werden. | |
Die energetische Sanierung von Gebäuden bezeichnet die Union als „ein | |
Muss“, um die Klimaziele zu erreichen. Mieter:innen sollen zeitgleich | |
aber vor finanzieller Überbelastung geschützt werden. Dafür will die Union | |
die Wohnungsbaugesellschaften „in die Pflicht“ nehmen. Zudem soll die | |
steuerliche Förderung der energetischen Sanierung, insbesondere von | |
Betriebsgebäuden und von vermieteten Wohnungen, weiter verbessert werden. | |
Die Union will auch den sozialen Wohnungsbau fördern, Wohnraum müsse „auch | |
für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar sein“. Mit den Ländern will | |
die Union erörtern, ob sie auf jeden Bundes-Euro mindestens einen Euro | |
drauflegen und zweckgebunden einsetzen. Das Wohngeld soll zudem ab 2022 | |
regelmäßig angepasst werden – was „regelmäßig“ konkret bedeutet, steh… | |
nicht im Programm. Damit Menschen möglichst lange in ihrem angestammten | |
Wohnumfeld bleiben können, soll der altersgerechte oder barrierefreie Umbau | |
über Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt werden. | |
Der Traum vom Eigenheim darf bei der Union nicht fehlen. Mithilfe der KfW | |
sollen Familien mit Kindern durch Darlehen, Tilgungszuschüsse oder | |
Zinsverbilligungen profitieren. Erstkäufer:innen sollen zudem bei der | |
Grunderwerbsteuer entlastet werden, wenn der Wohnraum selbst genutzt wird. | |
Den Ländern soll deshalb ermöglicht werden, einen Freibetrag bei der | |
Grunderwerbssteuer zu gewähren: 250.000 Euro pro Erwachsenen plus 100.000 | |
Euro pro Kind. Mietkaufmodelle sollen es „vor allem jungen Menschen mit | |
geringerer Kapitalausstattung ermöglichen, Wohneigentum zu erwerben.“ In | |
diesem Zusammenhang will die Union die Unterstützung genossenschaftlicher | |
Wohnmodelle „prüfen“. | |
Auch das Leben auf dem Land soll berücksichtigt werden. Strukturschwache | |
Regionen und ländliche Räume sollen verlässlich gefördert und zu | |
„Innovationsräumen“ werden. „Wir wollen, dass Startups leerstehende | |
landwirtschaftliche Gebäude und ehemalige Stallungen nutzen können“ heißt | |
es etwa im Wahlprogramm. Neben massivem Breitbandausbau auf dem Land sollen | |
auch Co-Working-Spaces kreatives Arbeiten fördern. Innenstädte sowie | |
Dorfkerne sollen durch Förderprogramme attraktiver werden. | |
Klappt das auch? Für die Union ist der bestehende Mieterschutz ausreichend. | |
Sie setzt vor allem auf Bauen und Eigentumsbildung. Die Grünen wollen zwar | |
auch den Erwerb von Wohneigentum erleichtern, aber insgesamt ist ihr | |
Programm in puncto Wohnen sehr viel mieterfreundlicher und | |
gemeinwohlorientierter. Das Recht auf Wohnen soll etwa ins Grundgesetz | |
geschrieben und ein „Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und | |
Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ aufgelegt werden. | |
Zudem wollen die Grünen eine „Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum�… | |
Mietobergrenzen im Bundesgesetz ermöglichen, ein Immobilienregister der | |
Eigentümer:innen soll Spekulation entgegenwirken und zu mehr | |
Transparenz führen. Aber ob nach Verhandlungen mit der Union viel davon | |
übrig bleibt? Eher nicht. Allein 2020 flossen durch Großspenden 1,25 | |
Millionen Euro aus der Immobilienbranche zur CDU. Jasmin Kalarickal | |
## Innere Sicherheit | |
Das will die Union: Einen starken Staat und „Null Toleranz“ für | |
Gesetzesbrüche. Vereine und Symbole von Extremisten sollen verboten, | |
Einreise- und Aufenthaltsverbote verhängt werden, ebenso Abschiebungen und | |
„Grundrechtsverwirkungen“. Neuer Lieblingsgegner sind die „kriminellen | |
Clans“. Arabische Familien und zuletzt auch der Grundrechtereport | |
kritisieren hier schon heute eine Stigmatisierung. Obwohl die Union an | |
anderer Stelle festhält, was man so früher nicht las: „Der | |
Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere offene | |
Gesellschaft.“ | |
Für die Bekämpfung soll Technik her. Bodycams für Polizist:innen, | |
Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Kindesmissbrauch, Gegenattacken bei | |
Cyberangriffen („Hackbacks“) oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung f�… | |
Handys und Laptops und Onlinedurchsuchungen. Angekündigt ist auch | |
„intelligente“ Videoüberwachung, inklusive automatisierter | |
Gesichtserkennung – wozu Pilotprojekte bisher allerdings durchwachsene | |
Resultate lieferten. | |
Die Sicherheitsbehörden sollen mit noch mehr Personal, Ausstattung und | |
Befugnissen ausgerüstet werden. Für Angriffe auf Polizist:innen soll es | |
Strafen bis zu 10 Jahren Haft geben. Und rechtsextreme Vorfälle bei den | |
Sicherheitsbehörden? Dazu wird nur zur Bundeswehr vermerkt: „Für | |
Extremisten ist in der Bundeswehr kein Platz.“ | |
Klappt das auch? Mehr Personal für die Polizei und eine konsequente | |
Überwachung von Gefährdern wollen auch Grüne oder SPD. Während die Grünen | |
aber einen „Neustart“ für den Verfassungsschutz wollen, lehnt die Union | |
hier „jede Form der Schwächung“ explizit ab. Bei der Technik wird es noch | |
schwieriger. | |
Bei der Technik wird es noch schwieriger. Bei Staatstrojanern und dem | |
Infiltrieren von technischen Geräten machen die Grünen nicht mit. Die | |
Vorratsdatenspeicherung wird dort als anlasslose Massenüberwachung | |
abgelehnt, automatisierte Gesichtserkennung als Abschaffung der Anonymität | |
im öffentlichen Raum. Sollten diese Maßnahmen dennoch kommen, dürften sie | |
von Gerichten geprüft werden – und womöglich wieder kassiert. Konrad | |
Litschko | |
## Migration | |
Das will die Union: CDU und CSU wollen die Migration in die EU und nach | |
Deutschland künftig noch stärker regulieren. „Wir setzen unsere | |
Anstrengungen fort, damit die Zahl der nach Deutschland und Europa | |
flüchtenden Menschen nicht nur dauerhaft niedrig bliebt, sondern sich | |
weiter reduziert“, heißt es im Wahlprogramm der Union. Dafür will sie | |
bereits bestehende Instrumente der Migrations- und Asylpolitik fortführen | |
beziehungsweise verschärfen. | |
So verspricht die Union, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex zu | |
„einer echten Grenzpolizei und Küstenwache mit hoheitlichen Befugnissen | |
ausstatten“ und deren Personal „deutlich aufstocken“ zu wollen. | |
Asylentscheidungen sollen künftig in „europäisch verwalteten | |
Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen“ erfolgen. Gleichwohl spricht | |
sich die Union für eine „grundlegende Reform“ des europäischen Asylsystems | |
und eine „faire und solidarische Verteilung der Kosten und Lasten“ aus. | |
Die Union bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl, will aber die Anreize für | |
„illegale Migration“ senken. Dazu sollen unter anderem | |
„Bleiberechtsmöglichkeiten“ von Geduldeten künftig von | |
Integrationsnachweisen abhängig gemacht werden. Die Union verspricht auch, | |
konsequenter abzuschieben. | |
So sollen neue „Gewahrsamseinrichtungen“ an Flughäfen Sammelabschiebungen | |
erleichtern, Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft „prasxistauglicher“ | |
werden. Wer im Asylprozess falsche Angaben zu seiner Identität macht, soll | |
nach Wunsch der Union den Anspruch auf Duldung verlieren. Falschaussagen | |
gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sollen künftig | |
strafbar sein. | |
Zudem möchten CDU/CSU mit einem juristischen Kniff weitere sogenannte | |
sichere Herkunftsstaaten „festlegen“, um Asylbewerber:innen „leichter | |
und schneller“ in ihre Heimat zurückführen zu können. In der Vergangenheit | |
scheiterte dies mehrfach am Widerstand von Grünen und Linken im Bundesrat. | |
Die Union strebt deshalb das Konzept des „kleinen sicheren | |
Herkunftsstaates“ an. Eine Einstufung dazu soll ohne Zustimmung des | |
Bundesrats möglich sein. | |
Auch beim Thema Fachkräfte setzt die Union auf „gesteuerte und gezielte“ | |
Zuwanderung. Als Beispiele für „erfolgreiche Einwanderungsgeschichten“ | |
führt die Union die beiden Biontech-Gründer:innen Uğur Şahin und Özlem | |
Türeci an. Gleichzeitig stellt sie klar, dass Zuwanderung nur dann „ein | |
Gewinn und eine Chance für unser Land ist, wenn sie von gelungener | |
Integration begleitet ist“. | |
Klappt das auch? Mit der SPD als Koalitionspartner hat die Union in der | |
Vergangenheit ziemlich viele Asylrechtsverschärfungen durchbekommen. Ob das | |
auch auch mit den Grünen geht, die bei der Flüchtlingspolitik auf | |
humanitäre Werte pochen, ist fraglich. Differenzen gibt es zuhauf: Die | |
Grünen wollen mehr legale Migration, sind gegen Abschiebungen nach | |
Afghanistan und würden zivile Seenotretter:innen mit EU-Geldern | |
fördern. Das alles ist mit CDU/CSU nicht zu machen. | |
Umgekehrt dürften die grünen Linien zum Beispiel den „sicheren“ | |
Drittstaaten liegen. In vielen Punkten verfolgen Union und Grüne die | |
gleichen Ziele: beide wollen Fluchtursachen bekämpfen, Ausreisepflichtige | |
abschieben, Zuwander:innen integrieren. Ralf Pauli | |
## Außenpolitik und Militär | |
Das will die Union: Die Bundeswehr soll öfter schießen: Deutschland solle | |
international „mehr Verantwortung“ übernehmen, auch bei „robusten | |
Einsätzen“. An welchen Konflikten sich das deutsche Militär konkret | |
beteiligen sollten, listen CDU und CSU im Wahlprogramm nicht auf. | |
Aber: Mehr Geld brauche die Bundeswehr auf jeden Fall. Die Union hält am | |
Zwei-Prozent-Ziel der Nato fest, was darauf hinausliefe, dass die deutschen | |
Militärausgaben weiter steigen. Sie will Kampfdrohnen für die Bundeswehr | |
besorgen und die „notwendigen Mittel“ für die „Fortsetzung der nuklearen | |
Teilhabe innerhalb der Nato“ bereitstellen – sprich: neue Atombomber kaufen | |
oder die altersschwachen Tornado-Jets noch länger in Betrieb halten. | |
Innerhalb der Bundesregierung will die Union einen „Nationalen | |
Sicherheitsrat“ einrichten, der die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik | |
koordiniert. Das wäre eine der wenigen Innovationen in diesem Bereich; | |
ansonsten setzt die Union außenpolitisch vor allem auf „Weiter so“. | |
Deutschland soll Russland „konstruktiv und entschlossen begegnen“ (die | |
Pipeline Nordstream 2 wird im Programm nicht erwähnt) und China „auf | |
Augenhöhe begegnen“ (kein Wort zu Menschenrechtsverletzungen in Hongkong | |
oder Xinjiang). | |
Apropos Menschenrechte: Strengere Regeln für Rüstungsexporte erwähnen CDU | |
und CSU nicht. Damit schließen sie Verschärfungen aber zumindest nicht | |
explizit aus. | |
Deutlich ist die Union hingegen bei der EU-Politik: Der Coronatopf, aus dem | |
die Mitgliedsländer kreditfinanzierte Wirtschaftshilfen erhalten, soll eine | |
einmalige Sache bleiben: „Sie ist kein Einstieg in eine Schuldenunion und | |
darf es nie werden.“ So schnell wie möglich sollen die EU-Staaten wieder | |
zur Sparpolitik zurückkehren. Die „Fiskalregeln des Stabilitäts- und | |
Wachstumspakts“ wolle man „zügig wieder in Kraft setzen“ und Verstöße | |
„konsequent sanktionieren“. Europäische Sozialversicherungen lehnen CDU und | |
CSU ab. | |
Klappt das auch? In der EU-Politik wollen die Grünen das Gegenteil: die | |
Währungsunion „zu einer Sozialunion ausweiten“ und das „neu geschaffene | |
Wiederaufbauinstrument verstetigen“. Hier könnten in schwarz-grünen | |
Koalitionsgesprächen größere Hürden liegen. In den anderen Bereichen sind | |
Kompromisse eher denkbar, zumal die Grünen vor allem in militärischen | |
Fragen zuletzt von Maximalforderungen abgelassen haben. | |
Das Zwei-Prozent-Ziel könnte sich allerdings durch einfache Mathematik | |
erledigen: Wenn die Union Steuern für Reiche senken will und keine neuen | |
Schulden aufnehmen möchte, ist ein deutlicher Anstieg der Militärausgaben | |
wohl kaum finanzierbar. Tobias Schulze | |
## Digitalisierung | |
Das will die Union: Modern soll das Land werden, ganz vorne dabei sein in | |
Sachen Künstlicher Intelligenz und digitaler Infrastruktur, mit einer | |
Verwaltung, die online läuft, mit der die Bürger:innen nicht an | |
Zettelwirtschaft und Endloswartezeiten bei den Behörden verzweifeln. Die | |
Devise lautet: Digitale Transformationsoffensive in Wirtschaft und | |
Gesellschaft. | |
Unternehmen und Behörden sollen besser ausgestattet werden. Aber die Union | |
will auch Tech-Giganten in die Schranken weisen. Schließlich sollen | |
digitale Plattformen ein Treiber für Wirtschaftswachstum sein. Wie diese | |
Regeln aussehen werden, wird sich zeigen. | |
Die Pandemie hat schmerzhaft gezeigt, dass Deutschland in vielen Bereichen | |
digitales Neuland ist. Den missglückten Start der Corona-Warn-App, den | |
Stress beim digitalen Impfausweis oder dem elektronischen Personalausweis | |
hätte man sich gerne erspart. Deshalb soll es ein eigenes Ministerium | |
geben, wenn die Union wieder in der Regierung ist. Dessen Aufgabe: | |
Digitalisierung und Technologie auf allen Ebenen voranzubringen. | |
Ehrliche Aussagen gibt es beim Datenschutz. Digitale Informationen der | |
Bürger:innen jeglicher Art, also auch aus den Bereichen Gesundheit oder | |
Versicherungen, sollen verstärkt genutzt werden können. Eine übertriebene | |
Auslegung von Datenschutzanforderungen dürfe nicht dazu führen, | |
Innovationen zu hemmen und Verfahren bürokratisch zu verlangsamen, heißt es | |
im Wahlprogramm. | |
Klappt das auch? Hohe Anschlussfähigkeit mit der FDP und den Grünen. Bei | |
letzteren wird es allerdings Gerangel um die Auslegung des Datenschutzes | |
geben. Ohne mit der Wimper zu zucken, alle Informationen der | |
Bürger:innen digital zu erfassen und zu sammeln, das wird nicht im Sinne | |
der Grünen sein. Die Forderung Datenschutz und Datenschatz modern denken | |
und die Auslegung „Datenschutz ist kein Super-Grundrecht“ wird also zu | |
heftigen Debatten und Auseinandersetzungen führen. Tanja Tricarico | |
21 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlprogramm-der-Union/!5777341 | |
[2] /taz-Community-zu-Klima-im-Wahlkampf/!5778640 | |
[3] /Streit-ueber-hoehere-Benzinpreise/!5774943 | |
## AUTOREN | |
Jasmin Kalarickal | |
Anja Krüger | |
Barbara Dribbusch | |
Sabine am Orde | |
Konrad Litschko | |
Malte Kreutzfeldt | |
Ralf Pauli | |
Tobias Schulze | |
Tanja Tricarico | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
GNS | |
CDU/CSU | |
Wahlprogramm | |
Grundrechtereport | |
Klima | |
Podcast „Bundestalk“ | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
Schlagloch | |
Militärausgaben | |
Union | |
CDU-Parteivorsitzende | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grundrechtereport 2023: Das „Nie wieder“ des Grundgesetzes | |
Die Ex-Verfassungsrichterin Susanne Baer nennt das Grundgesetz eindeutig | |
antirassistisch. Erstaunlicherweise sei das kaum wahrgenommen worden. | |
Umweltexperte zu Nordstream2: „Entweder Pipeline oder Klimaziele“ | |
Als Brücken-Rohstoff für den Kohle- und Ölausstieg ist Erdgas nicht | |
geeignet, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. | |
Podcast „Bundestalk“: Ist der grüne Höhenflug vorbei? | |
Das Wahlprogramm der CDU ist schwammig, die Grünen wirken zur Zeit eher | |
ratlos. Was bedeutet das für den anstehenden Bundestagswahlkampf? | |
Bauen und Wohnen: Kampf um Grund und Boden | |
Die Ressource Land ist endlich. Das sorgt oft für Streit – auch in | |
Neuenhagen. Von Wildschweinen, Verkehrslärm und der Frage: Wie wollen wir | |
leben? | |
Merkels letzte Regierungserklärung: Als wäre alles wie immer | |
Angela Merkel spricht ein letztes Mal im Bundestag – ganz ungerührt, so | |
scheint es. Dann folgt ein Schaulaufen der drei KanzlerkandidatInnen. | |
Rhetorik im Wahlkampf: Zuspitzen statt Wegducken | |
Die CDU macht mit Verbotsszenarien bei Arbeitern Stimmung gegen die Grünen. | |
So wird das im Wahlkampf nun weitergehen. Außer man probiert es mal anders. | |
Höhere Rüstungsausgaben: Keine Kohle für Kampfjets | |
Der Bundestag hat Militärausgaben von 16 Milliarden Euro bewilligt. Woher | |
das Geld dafür kommen soll, beantwortet zumindest die Union nicht. | |
Wahlprogramm von CDU und CSU vorgestellt: Laschet will „Modernisierungsschub�… | |
Die Union garantiere „Sicherheit und Zusammenhalt“, sagt der | |
Kanzlerkandidat. Auch soziale Fragen und Klimapolitik wollen CDU und CSU | |
für sich entdeckt haben. | |
Entwurf des CDU-Wahlprogramms: Weitgehende Leere | |
Die CDU bleibt beim Klimaschutz wolkig. In der Asyl- und Innenpolitik setzt | |
sie dagegen auf Härte. Für ein etwaiges schwarz-grünes Bündnis verheißt das | |
nichts Gutes. | |
Wahlprogramm der Union: Klima? Eine wolkige Angelegenheit | |
Ein Entwurf für das Wahlprogramm der Union bleibt bei der Klimapolitik | |
vage. Klarer positioniert die Partei sich bei der Inneren Sicherheit. |