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# taz.de -- Wahlprogramm von CDU und CSU: Nix Genaues weiß man nicht
> Im Wahlprogramm der Union bleibt vieles offen – etwa beim Klimaschutz.
> Wirtschaft und Gutverdienende werden entlastet. Ein taz-Check.
CDU und CSU haben ihr [1][gemeinsames Wahlprogramm für die Bundestagswahlen
im September] vorgestellt. Was hat sich die Union für Klima, Verkehr,
Steuerpolitik und Soziales etwa beim Wohnungsbau vorgenommen? Wie steht sie
zur Inneren Sicherheit, zu Migration, zur Außen- und Verteidigungspolitik?
Und wie will sie die Digitalisierung vorantreiben?
Und was davon wird die Partei mit dem derzeit wahrscheinlichsten
Koalitionspartner, den Grünen, voraussichtlich umsetzen können? Der
taz-Check:
## Klimaschutz
Beim Klimaschutz bekennen sich CDU und CSU – wie schon zuvor in der
Bundesregierung – zum Ziel, Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu
machen. Auf die Frage, wie das gehen soll, geben sie hingegen – ebenfalls
wie bisher – wenig konkrete Antworten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien
soll „deutlich schneller“ werden, heißt es im Programm. Zahlen werden aber
nicht genannt, obwohl die genaue Ausbaumenge eine zentrale Stellgröße ist.
Interessant: Nachdem führende Unionsvertreter zuvor scharfe Kritik an den
Grünen geübt hatten, weil diese den CO2-Preis für Wohnen und Verkehr
schneller erhöhen wollen als von der Regierung geplant, kündigt die Union
das jetzt ebenfalls an – allerdings mit einer Formulierung, die offenbar
möglichst schwer verständlich sein soll, um die eigene Klientel möglichst
nicht zu beunruhigen: „Wir werden den Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung
straffen“, heißt es im Programm. Zahlen und Daten fehlen aber auch hier.
Beim Thema Wasserstoff will die Union nicht nur auf sogeannten „grünen“
setzen, der mit erneuerbarem Strom erzeugt wird, sondern auch auf „blauen“,
der aus fossilem Erdgas mit CO2-Abscheidung gewonnen wird. Um zu
verhindern, dass die heimische Industrie unter den Klimaschutz-Auflagen
leidet, setzt die Union auf Differenzverträge, bei denen der Staat die
Mehrkosten erstattet, und auf einen „CO2-Grenzausgleich“, also eine Art
CO2-Abgabe für Importe.
Klappt das auch? Ja – beim Klimaschutz dürfte es in einer schwarz-grünen
Koalition keine unüberwindbaren Hindernisse geben. Über das Ziel besteht
Einigkeit, zum Weg schweigt die Union weitgehend. In der Praxis würde das
wohl bedeuten, dass über die Maßnahmen weitgehend die Grünen bestimmen
könnten, die Union sich das aber durch Zugeständnisse in anderen Bereichen
teuer bezahlen lassen wird.
Konflikte zeichnen sich vor allem bei der Frage ab, wie schnell und wie
stark der CO2-Preis erhöht wird und wie die Einnahmen an die Bevölkerung
zurückgegeben werden. Und auch bei der geplanten staatlichen Unterstützung
für den klimafreundlichen Umbau der Industrie [2][dürfte es Streit um die
Frage geben, wie diese finanziert werden soll] – denn Steuererhöhungen
lehnt die Union ja ebenso ab wie neue Schulden. Malte Kreutzfeldt
## Verkehr
Das will die Union: Die Union spricht sich strikt gegen ein Tempolimit auf
Autobahnen aus. „[3][Ein Dieselfahrverbot] lehnen wir ebenso ab wie ein
generelles Tempolimit auf Autobahnen“, heißt es im Programm. Die
Christdemokrat:innen wollen Bahn und ÖPNV ausbauen, etwa die
Digitalisierung der Bahn vorantreiben und Nachtzüge zum Bestandteil des
Mobilitätsmix machen.
Gleichzeitig bleibt die Union Autofahrer:innenpartei. Sie will einen
Umstieg auf emissionsfreie Mobilität. Dabei setzt sie auch auf synthetische
Kraftstoffe. Sie hält am Bau von Umgehungsstraßen fest. „Und wo es häufig
Stau gibt, werden wir unsere Bundesstraßen und Autobahnen erweitern“,
kündigen die Parteien an. Außerdem will die Union nichts gegen billiges
Fliegen tun: „Wir wollen, dass die Luftfahrt ein preislich
wettbewerbsfähiger Verkehrsträger ist und der Luftverkehrsstandort
Deutschland erhalten bleibt.“
Klappt das auch? Tempolimit, Straßenbau und Fliegen – bei diesen
Themenfeldern gibt es zwischen Union und den Grünen erhebliches
Konfliktpotenzial. Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat die Einführung
von Tempo 130 auf Autobahnen zur Voraussetzung einer grünen
Regierungsbeteiligung gemacht.
Während die Grünen sämtliche Projekte des Bundesverkehrswegeplans auf
Klima- und Umweltverträglichkeit prüfen und gegebenenfalls stoppen wollen,
setzen CDU und CSU ungebrochen auf weiteren Straßenbau. Die Vorstellungen
der Union zum Fliegen beißen sich mit den grünen Forderungen nach einem
Abbau von umweltschädlichen Subventionen im Luftverkehr und dem Ende von
Finanzhilfen für unwirtschaftliche Regionalflughäfen. Anja Krüger
## Steuern & Soziales
Das will die Union: „Keine neuen Belastungen für Unternehmen“, „stabile
Lohnzusatzkosten“, so lauten die Leitsätze zur Sozialpolitik im
Wahlprogramm 2021 der Union. Das Programm ist ein Entlastungsprogramm für
die Wirtschaft und für Spitzenverdiener:innen: Der Solidaritätszuschlag
soll für alle abgeschafft und Unternehmenssteuern auf 25 Prozent gedeckelt
werden. Kleine und mittlere Einkommen sollen ebenfalls steuerlich entlastet
werden, genaue Zahlen gibt es dazu aber nicht im Programm.
Die neuen Sozialleistungen bleiben überschaubar: Das Elterngeld wird um
zwei Monate verlängert. Für eine neue Altersvorsorge von Geburt an, eine
sogenannte „Generationenrente“ will die Union einen staatlichen monatlichen
Zuschuss lediglich „prüfen“. Pflegegeld und Pflegeleistungen sollen
entsprechend der Lohnentwicklung „dynamisiert“ werden.
Einiges wird liberalisiert: Die Verdienstgrenze für Minijobs soll von 450
auf 550 Euro angehoben, die tägliche Höchstarbeitszeitgrenze von 10 Stunden
soll fallen und durch Begrenzungen der Wochenarbeitszeit ersetzt werden.
Die Hartz-IV-Sanktionen will die Union beibehalten. „Vertraute
Wohnsituationen“ sollen geschützt werden, wenn jemand nach einer langen
Arbeitsphase seinen Job verliert und Hartz IV beantragen muss. Dies könnte
an die aktuelle Regelung anknüpfen, nach der die Angemessenheit der Wohnung
beim Erstbezug von Hartz IV für die ersten sechs Monate nicht in Frage
gestellt wird.
Die großen Verteilungsfragen etwa bei Rente, Pflege und Hartz IV bleiben
damit ausgespart. Interessant ist, dass in den vorherigen Entwürfen zum
Unions-Wahlprogramm, die in der vergangenen Woche bekannt wurden, erheblich
konkretere, aber eben auch konfliktträchtigere Ankündigungen enthalten
waren.
So wurde in einem früheren Entwurf die Verdienstgrenze für Minijobs sogar
auf 600 Euro erhöht, gleichzeitig sollten die Minijobs aber
rentenversicherungspflichtig werden, wenn sie nicht von Schüler:innen,
Student:innen oder Rentner:innen ausgeübt werden. Damit hätten etwa
durch Minijobs hinzuverdienende Ehefrauen höhere Abgaben gehabt, aber eben
auch einen kleinen Rentenanspruch erworben.
Gestrichen wurde auch der Vorschlag, für das Ansparen einer
„Generationenrente“ einen monatlichen staatlichen Zuschuss von 100 Euro ab
Geburt für jeden jungen Menschen bis zum 18. Lebensjahr zu gewähren.
Ebenfalls weggefallen ist der Passus, dass Geringverdiener:innen
künftig verpflichtend eine staatlich bezuschusste zusätzliche betriebliche
Altersvorsorge hätten abschließen müssen.
Der Wunsch der CSU, die „Mütterrente“ aufzustocken für Kinder, die vor dem
Jahre 1992 geboren wurden, steht nicht im Wahlprogramm – es wäre ein teures
Versprechen gewesen.
Das Wahlprogramm glänzt letztlich im Sozialen vor allem durch seine
Leerstellen. Die Wirtschaftsförderung erinnert an die Wirtschaftsförderung
in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit um die Nullerjahre. Genau dieses
Problem der Massenarbeitslosigkeit gibt es im Moment aber nicht in
Deutschland.
Klappt das auch? Bei der Forderung der Grünen, den Mindestlohn anzuheben
und Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger:innen abzuschaffen, wird die Union
wohl nicht mitmachen. Barbara Dribbusch
## Wohnen
Das will die Union: Einen bundesweiten Mietendeckel wird es mit der Union
nicht geben. „Wir setzen nicht auf rechtlich fragwürdige und ungeeignete
Eingriffe, wie den Mietendeckel“, heißt es im Wahlprogramm. Überraschend
ist das nicht: Schließlich haben Union und FDP den Berliner Mietendeckel
auch vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Statt Mieten zu begrenzen,
setzt die Union auf schnelleres Bauen, Nachverdichtung in Städten und ein
stärker bebautes Umland. Nur wenn das Wohnungsangebot steige, könnten
Mieten stabil bleiben. Bis 2025 sollen über 1,5 Millionen neue Wohnungen
entstehen.
Steuerliche Investitionsanreize sollen bei der Umsetzung helfen: Wer neue
Mietwohnungen schafft, soll auch nach Ende 2021 fünf Prozent der
Anschaffungs- und Herstellungskosten zusätzlich von der Steuer absetzen
können. Zudem soll Bauen schneller und unkomplizierter werden: Die Anzahl
der Bauvorschriften soll signifikant verringert werden. Wenn ein
vollständiger Bauantrag nach zwei Monaten nicht bearbeitet wurde, soll er
als genehmigt gelten. Bauland soll flexibel ausgewiesen werden.
Die energetische Sanierung von Gebäuden bezeichnet die Union als „ein
Muss“, um die Klimaziele zu erreichen. Mieter:innen sollen zeitgleich
aber vor finanzieller Überbelastung geschützt werden. Dafür will die Union
die Wohnungsbaugesellschaften „in die Pflicht“ nehmen. Zudem soll die
steuerliche Förderung der energetischen Sanierung, insbesondere von
Betriebsgebäuden und von vermieteten Wohnungen, weiter verbessert werden.
Die Union will auch den sozialen Wohnungsbau fördern, Wohnraum müsse „auch
für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar sein“. Mit den Ländern will
die Union erörtern, ob sie auf jeden Bundes-Euro mindestens einen Euro
drauflegen und zweckgebunden einsetzen. Das Wohngeld soll zudem ab 2022
regelmäßig angepasst werden – was „regelmäßig“ konkret bedeutet, steh…
nicht im Programm. Damit Menschen möglichst lange in ihrem angestammten
Wohnumfeld bleiben können, soll der altersgerechte oder barrierefreie Umbau
über Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt werden.
Der Traum vom Eigenheim darf bei der Union nicht fehlen. Mithilfe der KfW
sollen Familien mit Kindern durch Darlehen, Tilgungszuschüsse oder
Zinsverbilligungen profitieren. Erstkäufer:innen sollen zudem bei der
Grunderwerbsteuer entlastet werden, wenn der Wohnraum selbst genutzt wird.
Den Ländern soll deshalb ermöglicht werden, einen Freibetrag bei der
Grunderwerbssteuer zu gewähren: 250.000 Euro pro Erwachsenen plus 100.000
Euro pro Kind. Mietkaufmodelle sollen es „vor allem jungen Menschen mit
geringerer Kapitalausstattung ermöglichen, Wohneigentum zu erwerben.“ In
diesem Zusammenhang will die Union die Unterstützung genossenschaftlicher
Wohnmodelle „prüfen“.
Auch das Leben auf dem Land soll berücksichtigt werden. Strukturschwache
Regionen und ländliche Räume sollen verlässlich gefördert und zu
„Innovationsräumen“ werden. „Wir wollen, dass Startups leerstehende
landwirtschaftliche Gebäude und ehemalige Stallungen nutzen können“ heißt
es etwa im Wahlprogramm. Neben massivem Breitbandausbau auf dem Land sollen
auch Co-Working-Spaces kreatives Arbeiten fördern. Innenstädte sowie
Dorfkerne sollen durch Förderprogramme attraktiver werden.
Klappt das auch? Für die Union ist der bestehende Mieterschutz ausreichend.
Sie setzt vor allem auf Bauen und Eigentumsbildung. Die Grünen wollen zwar
auch den Erwerb von Wohneigentum erleichtern, aber insgesamt ist ihr
Programm in puncto Wohnen sehr viel mieterfreundlicher und
gemeinwohlorientierter. Das Recht auf Wohnen soll etwa ins Grundgesetz
geschrieben und ein „Nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und
Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit“ aufgelegt werden.
Zudem wollen die Grünen eine „Neue Gemeinnützigkeit für sozialen Wohnraum�…
Mietobergrenzen im Bundesgesetz ermöglichen, ein Immobilienregister der
Eigentümer:innen soll Spekulation entgegenwirken und zu mehr
Transparenz führen. Aber ob nach Verhandlungen mit der Union viel davon
übrig bleibt? Eher nicht. Allein 2020 flossen durch Großspenden 1,25
Millionen Euro aus der Immobilienbranche zur CDU. Jasmin Kalarickal
## Innere Sicherheit
Das will die Union: Einen starken Staat und „Null Toleranz“ für
Gesetzesbrüche. Vereine und Symbole von Extremisten sollen verboten,
Einreise- und Aufenthaltsverbote verhängt werden, ebenso Abschiebungen und
„Grundrechtsverwirkungen“. Neuer Lieblingsgegner sind die „kriminellen
Clans“. Arabische Familien und zuletzt auch der Grundrechtereport
kritisieren hier schon heute eine Stigmatisierung. Obwohl die Union an
anderer Stelle festhält, was man so früher nicht las: „Der
Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung für unsere offene
Gesellschaft.“
Für die Bekämpfung soll Technik her. Bodycams für Polizist:innen,
Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Kindesmissbrauch, Gegenattacken bei
Cyberangriffen („Hackbacks“) oder Quellen-Telekommunikationsüberwachung f�…
Handys und Laptops und Onlinedurchsuchungen. Angekündigt ist auch
„intelligente“ Videoüberwachung, inklusive automatisierter
Gesichtserkennung – wozu Pilotprojekte bisher allerdings durchwachsene
Resultate lieferten.
Die Sicherheitsbehörden sollen mit noch mehr Personal, Ausstattung und
Befugnissen ausgerüstet werden. Für Angriffe auf Polizist:innen soll es
Strafen bis zu 10 Jahren Haft geben. Und rechtsextreme Vorfälle bei den
Sicherheitsbehörden? Dazu wird nur zur Bundeswehr vermerkt: „Für
Extremisten ist in der Bundeswehr kein Platz.“
Klappt das auch? Mehr Personal für die Polizei und eine konsequente
Überwachung von Gefährdern wollen auch Grüne oder SPD. Während die Grünen
aber einen „Neustart“ für den Verfassungsschutz wollen, lehnt die Union
hier „jede Form der Schwächung“ explizit ab. Bei der Technik wird es noch
schwieriger.
Bei der Technik wird es noch schwieriger. Bei Staatstrojanern und dem
Infiltrieren von technischen Geräten machen die Grünen nicht mit. Die
Vorratsdatenspeicherung wird dort als anlasslose Massenüberwachung
abgelehnt, automatisierte Gesichtserkennung als Abschaffung der Anonymität
im öffentlichen Raum. Sollten diese Maßnahmen dennoch kommen, dürften sie
von Gerichten geprüft werden – und womöglich wieder kassiert. Konrad
Litschko
## Migration
Das will die Union: CDU und CSU wollen die Migration in die EU und nach
Deutschland künftig noch stärker regulieren. „Wir setzen unsere
Anstrengungen fort, damit die Zahl der nach Deutschland und Europa
flüchtenden Menschen nicht nur dauerhaft niedrig bliebt, sondern sich
weiter reduziert“, heißt es im Wahlprogramm der Union. Dafür will sie
bereits bestehende Instrumente der Migrations- und Asylpolitik fortführen
beziehungsweise verschärfen.
So verspricht die Union, die Europäische Grenzschutzagentur Frontex zu
„einer echten Grenzpolizei und Küstenwache mit hoheitlichen Befugnissen
ausstatten“ und deren Personal „deutlich aufstocken“ zu wollen.
Asylentscheidungen sollen künftig in „europäisch verwalteten
Entscheidungszentren an den EU-Außengrenzen“ erfolgen. Gleichwohl spricht
sich die Union für eine „grundlegende Reform“ des europäischen Asylsystems
und eine „faire und solidarische Verteilung der Kosten und Lasten“ aus.
Die Union bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl, will aber die Anreize für
„illegale Migration“ senken. Dazu sollen unter anderem
„Bleiberechtsmöglichkeiten“ von Geduldeten künftig von
Integrationsnachweisen abhängig gemacht werden. Die Union verspricht auch,
konsequenter abzuschieben.
So sollen neue „Gewahrsamseinrichtungen“ an Flughäfen Sammelabschiebungen
erleichtern, Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft „prasxistauglicher“
werden. Wer im Asylprozess falsche Angaben zu seiner Identität macht, soll
nach Wunsch der Union den Anspruch auf Duldung verlieren. Falschaussagen
gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sollen künftig
strafbar sein.
Zudem möchten CDU/CSU mit einem juristischen Kniff weitere sogenannte
sichere Herkunftsstaaten „festlegen“, um Asylbewerber:innen „leichter
und schneller“ in ihre Heimat zurückführen zu können. In der Vergangenheit
scheiterte dies mehrfach am Widerstand von Grünen und Linken im Bundesrat.
Die Union strebt deshalb das Konzept des „kleinen sicheren
Herkunftsstaates“ an. Eine Einstufung dazu soll ohne Zustimmung des
Bundesrats möglich sein.
Auch beim Thema Fachkräfte setzt die Union auf „gesteuerte und gezielte“
Zuwanderung. Als Beispiele für „erfolgreiche Einwanderungsgeschichten“
führt die Union die beiden Biontech-Gründer:innen Uğur Şahin und Özlem
Türeci an. Gleichzeitig stellt sie klar, dass Zuwanderung nur dann „ein
Gewinn und eine Chance für unser Land ist, wenn sie von gelungener
Integration begleitet ist“.
Klappt das auch? Mit der SPD als Koalitionspartner hat die Union in der
Vergangenheit ziemlich viele Asylrechtsverschärfungen durchbekommen. Ob das
auch auch mit den Grünen geht, die bei der Flüchtlingspolitik auf
humanitäre Werte pochen, ist fraglich. Differenzen gibt es zuhauf: Die
Grünen wollen mehr legale Migration, sind gegen Abschiebungen nach
Afghanistan und würden zivile Seenotretter:innen mit EU-Geldern
fördern. Das alles ist mit CDU/CSU nicht zu machen.
Umgekehrt dürften die grünen Linien zum Beispiel den „sicheren“
Drittstaaten liegen. In vielen Punkten verfolgen Union und Grüne die
gleichen Ziele: beide wollen Fluchtursachen bekämpfen, Ausreisepflichtige
abschieben, Zuwander:innen integrieren. Ralf Pauli
## Außenpolitik und Militär
Das will die Union: Die Bundeswehr soll öfter schießen: Deutschland solle
international „mehr Verantwortung“ übernehmen, auch bei „robusten
Einsätzen“. An welchen Konflikten sich das deutsche Militär konkret
beteiligen sollten, listen CDU und CSU im Wahlprogramm nicht auf.
Aber: Mehr Geld brauche die Bundeswehr auf jeden Fall. Die Union hält am
Zwei-Prozent-Ziel der Nato fest, was darauf hinausliefe, dass die deutschen
Militärausgaben weiter steigen. Sie will Kampfdrohnen für die Bundeswehr
besorgen und die „notwendigen Mittel“ für die „Fortsetzung der nuklearen
Teilhabe innerhalb der Nato“ bereitstellen – sprich: neue Atombomber kaufen
oder die altersschwachen Tornado-Jets noch länger in Betrieb halten.
Innerhalb der Bundesregierung will die Union einen „Nationalen
Sicherheitsrat“ einrichten, der die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik
koordiniert. Das wäre eine der wenigen Innovationen in diesem Bereich;
ansonsten setzt die Union außenpolitisch vor allem auf „Weiter so“.
Deutschland soll Russland „konstruktiv und entschlossen begegnen“ (die
Pipeline Nordstream 2 wird im Programm nicht erwähnt) und China „auf
Augenhöhe begegnen“ (kein Wort zu Menschenrechtsverletzungen in Hongkong
oder Xinjiang).
Apropos Menschenrechte: Strengere Regeln für Rüstungsexporte erwähnen CDU
und CSU nicht. Damit schließen sie Verschärfungen aber zumindest nicht
explizit aus.
Deutlich ist die Union hingegen bei der EU-Politik: Der Coronatopf, aus dem
die Mitgliedsländer kreditfinanzierte Wirtschaftshilfen erhalten, soll eine
einmalige Sache bleiben: „Sie ist kein Einstieg in eine Schuldenunion und
darf es nie werden.“ So schnell wie möglich sollen die EU-Staaten wieder
zur Sparpolitik zurückkehren. Die „Fiskalregeln des Stabilitäts- und
Wachstumspakts“ wolle man „zügig wieder in Kraft setzen“ und Verstöße
„konsequent sanktionieren“. Europäische Sozialversicherungen lehnen CDU und
CSU ab.
Klappt das auch? In der EU-Politik wollen die Grünen das Gegenteil: die
Währungsunion „zu einer Sozialunion ausweiten“ und das „neu geschaffene
Wiederaufbauinstrument verstetigen“. Hier könnten in schwarz-grünen
Koalitionsgesprächen größere Hürden liegen. In den anderen Bereichen sind
Kompromisse eher denkbar, zumal die Grünen vor allem in militärischen
Fragen zuletzt von Maximalforderungen abgelassen haben.
Das Zwei-Prozent-Ziel könnte sich allerdings durch einfache Mathematik
erledigen: Wenn die Union Steuern für Reiche senken will und keine neuen
Schulden aufnehmen möchte, ist ein deutlicher Anstieg der Militärausgaben
wohl kaum finanzierbar. Tobias Schulze
## Digitalisierung
Das will die Union: Modern soll das Land werden, ganz vorne dabei sein in
Sachen Künstlicher Intelligenz und digitaler Infrastruktur, mit einer
Verwaltung, die online läuft, mit der die Bürger:innen nicht an
Zettelwirtschaft und Endloswartezeiten bei den Behörden verzweifeln. Die
Devise lautet: Digitale Transformationsoffensive in Wirtschaft und
Gesellschaft.
Unternehmen und Behörden sollen besser ausgestattet werden. Aber die Union
will auch Tech-Giganten in die Schranken weisen. Schließlich sollen
digitale Plattformen ein Treiber für Wirtschaftswachstum sein. Wie diese
Regeln aussehen werden, wird sich zeigen.
Die Pandemie hat schmerzhaft gezeigt, dass Deutschland in vielen Bereichen
digitales Neuland ist. Den missglückten Start der Corona-Warn-App, den
Stress beim digitalen Impfausweis oder dem elektronischen Personalausweis
hätte man sich gerne erspart. Deshalb soll es ein eigenes Ministerium
geben, wenn die Union wieder in der Regierung ist. Dessen Aufgabe:
Digitalisierung und Technologie auf allen Ebenen voranzubringen.
Ehrliche Aussagen gibt es beim Datenschutz. Digitale Informationen der
Bürger:innen jeglicher Art, also auch aus den Bereichen Gesundheit oder
Versicherungen, sollen verstärkt genutzt werden können. Eine übertriebene
Auslegung von Datenschutzanforderungen dürfe nicht dazu führen,
Innovationen zu hemmen und Verfahren bürokratisch zu verlangsamen, heißt es
im Wahlprogramm.
Klappt das auch? Hohe Anschlussfähigkeit mit der FDP und den Grünen. Bei
letzteren wird es allerdings Gerangel um die Auslegung des Datenschutzes
geben. Ohne mit der Wimper zu zucken, alle Informationen der
Bürger:innen digital zu erfassen und zu sammeln, das wird nicht im Sinne
der Grünen sein. Die Forderung Datenschutz und Datenschatz modern denken
und die Auslegung „Datenschutz ist kein Super-Grundrecht“ wird also zu
heftigen Debatten und Auseinandersetzungen führen. Tanja Tricarico
21 Jun 2021
## LINKS
[1] /Wahlprogramm-der-Union/!5777341
[2] /taz-Community-zu-Klima-im-Wahlkampf/!5778640
[3] /Streit-ueber-hoehere-Benzinpreise/!5774943
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
Anja Krüger
Barbara Dribbusch
Sabine am Orde
Konrad Litschko
Malte Kreutzfeldt
Ralf Pauli
Tobias Schulze
Tanja Tricarico
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Lesestück Recherche und Reportage
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Schwerpunkt Klimawandel
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