# taz.de -- Desinformationskampagne Russlands: Die Spin-Docs des Kremls | |
> Die taz analysiert interne Papiere der russischen Propagandafabrik SDA: | |
> Mit massiver Desinformation will sie die deutsche Öffentlichkeit | |
> beeinflussen. | |
Die Autor*innen geben sich [1][nach der Europawahl] zufrieden. In ganz | |
Europa hätten die Rechten im Juni Wahlerfolge gefeiert: Marine Le Pens | |
Rassemblement National in Frankreich, die PiS in Polen, Giorgia Melonis | |
Fratelli d’Italia in Italien. „Noch beeindruckender ist der Erfolg der | |
Alternative für Deutschland, die in ganz Deutschland rund 17 Prozent der | |
Stimmen erhielt“, in Ostdeutschland gar bis zu 40 Prozent, heißt es weiter | |
jubilierend. „Es kann also festgestellt werden, dass die | |
Social-Media-Kampagne ein großer Erfolg war.“ So habe sich „die Zahl der | |
Wähler für die Rechten und Traditionalisten erhöht“ und die „der Linken, | |
Globalisten und Sozialisten verringert“. | |
Diese Sätze stammen aus Russland und sie sind Teil einer großangelegten | |
[2][Desinformationskampagne]. Sie stehen in einem internen Papier, in dem | |
ausführlich der Ausgang der Europawahl im Juni 2024 aus russischer | |
Perspektive analysiert wird. Der Kreml hat, laut diesem Papier, nach den | |
Wahlen genau das, was er wollte: einen Rechtsruck in Europa – und zwar | |
einen, an dem er offenbar ganz massiv mitgearbeitet hat. | |
Der taz liegt ein umfassendes digitales Datenpaket vor, das zeigt, wie | |
detailliert russische Kräfte offenbar versuchen, Europa zu ihren Gunsten zu | |
beeinflussen. Es geht darin um [3][Propagandaartikel], die in der | |
europäischen Öffentlichkeit verbreitet werden sollen, um Videos, Bilder und | |
Beiträge, die die sozialen Medien geflutet haben sollen. Es geht darum, wie | |
Russland offenbar gezielt Falschinformationen verbreiten will, um | |
europäische Politiker*innen und andere Persönlichkeiten in Misskredit | |
zu bringen. Wie prorussische Narrative gestreut werden sollen, um Europa | |
und den Westen zu spalten. | |
Die Daten stammen von einer der bedeutendsten Propagandafirmen Russlands: | |
der Social Design Agency (SDA). Das IT-Unternehmen mit Sitz in Moskau ist | |
eng verbandelt mit der Putin-Regierung. Auf ihrer Webseite bepreisen sie | |
ihre „gesellschaftspolitischen Projekte“, werben mit ihrem Können in | |
„politischer Kommunikation“, mit „umfangreicher Erfahrung im Wahlkampf“. | |
Die Kunden der SDA: das russische Innenministerium, das russische | |
Katastrophenschutzministerium oder die Staatsduma, das Unterhaus des | |
russischen Parlaments. Von westlichen Sicherheitsbehörden wird die SDA | |
inzwischen als zentraler Akteur [4][für russische Desinformationskampagnen] | |
verantwortlich gemacht. | |
Nun aber gelangt die Gruppe unfreiwillig ins Rampenlicht. Eine anonyme | |
Hackergruppe gibt an, Ende August umfangreiche interne Daten der SDA | |
erbeutet zu haben. Sie liegen der taz vor. Nach unserem derzeitigen | |
Recherchestand spricht alles dafür, dass die Dokumente echt sind. Sie | |
umfassen Daten aus den Jahren 2022 und 2024, darunter Mitarbeiter*innen- | |
und Auftragslisten, eingesetzte Social-Media-Accounts, Sitzungsprotokolle, | |
E-Mails, vorbereitete Onlinepostings und Sharepics – insgesamt 2,4 | |
Gigabyte. | |
Sie geben ein umfassendes Bild davon, wie russische | |
Desinformationskampagnen ablaufen. Sie zeigen, wie zentral Deutschland im | |
Visier der russischen Propaganda steht – und wie versucht wird, auch | |
deutsche Politiker*innen und Prominente dafür zu instrumentalisieren. | |
Und sie geben genau vor, welche Narrative auch in der deutschen Bevölkerung | |
festgesetzt werden sollen: die des friedensuchenden Russlands – und des | |
kriegsdürstenden Westens. | |
Dass Russland mit großem Aufwand Desinformation betreibt, ist bekannt. | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einer „hybriden | |
Kriegsführung“ Moskaus. Der [5][Verfassungsschutz] warnt vor russischer | |
Desinformation, ebenso das Auswärtige Amt. Zuletzt verschickte auch das FBI | |
eine Warnung und schaltete russische Fake-Webseiten ab. | |
## SDA wurde bereits 2001 gegründet | |
Diejenigen, die sich über das Europawahlergebnis vom Frühsommer freuten, | |
aber haben Vorsprung. Schon im Jahr 2001 wurde die Social Design Agency | |
gegründet. Sicherheitsbehörden haben die SDA deshalb schon länger im | |
Visier. Spätestens seit 2022 soll die Gruppe russische | |
Desinformationskampagnen steuern, angeführt von Ilja Andrejevitj | |
Gambatjidze. Der 47-Jährige ist in der Ukraine geboren, hat einen | |
russischen Pass, ist Mitgründer der SDA und pflegt laut US-Behörden enge | |
Verbindung zur russischen Regierung. In den USA ist man überzeugt, dass | |
Gambatjidzes Agentur auch hauptverantwortlich ist für [6][die sogenannte | |
Doppelgänger-Kampagne], die zuletzt für viel Aufsehen sorgte. Mit rund 60 | |
gefälschten Nachrichtenwebsites wurde in Europa und den USA russische | |
Propaganda verbreitet. In Deutschland entstanden so Fake-Seiten des | |
Spiegels, der Bild und der Süddeutschen Zeitung. Frankreich und die Schweiz | |
verhängten deshalb bereits im vergangenen Jahr Sanktionen gegen die SDA, | |
die EU folgte in diesem Jahr. | |
Die Dokumente, die der taz nun vorliegen, zeigen, dass die Social Design | |
Agency mit noch weit mehr Kampagnen aktiv ist. Sie selbst rühmt sich für | |
„mehr als 100 erfolgreiche Fälle“ in den vergangenen 15 Jahren – dies | |
betreffe die „Unterstützung der Reputation von Führungskräften und | |
Organisationen, Wahlkampagnen, Gegenkampagnen“. Auch mit der | |
Doppelgänger-Kampagne brüstet sich das Unternehmen intern. In einer | |
internen Mitarbeitendenliste werden mehr als 90 Namen aufgeführt, die wohl | |
an den Kampagnen beteiligt sind: Nach eigener Auskunft beschäftigt die SDA | |
Analysten, Webdesigner, Social-Media- und IT-Experten. | |
Wie die Agentur vorgeht, zeigt sich exemplarisch an der Europawahl im Juni | |
dieses Jahres. Das Ziel sei eine „umfassende Gegenkampagne gegen die | |
liberalen Globalisten“, heißt es in einem der internen Dokumente, das | |
offenbar vor der Wahl entstanden ist. Die Zielländer: „Deutschland, | |
Frankreich, Spanien, Italien, Polen“. Wenn, heißt es weiter, die Fraktion | |
„Identität und Demokratie“, die im vergangenen Europaparlament die AfD und | |
weitere rechtsextreme Parteien versammelte, in den anstehenden Wahlen den | |
dritten Platz belege, könnte das „einen möglichen Kurswechsel hin zu einer | |
erneuten Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation“ einläuten. | |
Einen prominenten Vertreter, auf den Russland offenbar Hoffnung setzt, | |
benennen die Urheber des Dokuments auch namentlich: [7][Maximilian Krah], | |
damals AfD-Europaspitzenkandidat, heute dort Abgeordneter. Der 47-Jährige | |
wurde bereits 2021 vom FBI zu möglichen Geldzahlungen kremlnaher Quellen | |
befragt. | |
## Narrative, die die Macht Russlands stabilisieren sollen | |
Die SDA entwickelt als Teil ihrer „Gegenkampagne“ auch konkrete | |
„Narrative“, die die EU schwächen und Russlands Macht stabilisieren sollen. | |
Sie sollen in vielfältiger Weise im Internet verbreitet werden. Eines | |
lautet: „Die liberalen Kräfte säen Angst“, vor der Klimakatastrophe oder | |
vor dem russischen Krieg. Oder: Die Liberalen zwängen Werte wie | |
Transgenderrechte auf, „die nicht unsere sind“. Sie führten Europa in den | |
Ruin, weil sie die Wirtschaft zerstörten, sie verwandelten Europa „in ein | |
totalitäres Militärlager“. Vor allem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von | |
der Leyen wird dabei ins Visier genommen, als „Inbegriff der korrupten und | |
proamerikanischen Politik“ in Brüssel. Was es stattdessen brauche, so der | |
Spin der SDA: „einen Friedensplan und Diplomatie“. Rechte Parteien seien | |
hier die „der Vernunft“, sie führten zu Frieden und Wohlstand. Und nur sie | |
seien in der Lage, „diese Ställe zu säubern“. | |
Das Durchsetzen von „Narrativen“ im öffentlichen Diskurs, es scheint die | |
Leitlinie der SDA zu sein. Immer wieder taucht diese Maßgabe in den | |
geleakten Dokumenten auf. Nicht nur der Europawahlkampf wird darauf | |
abgeklopft, auch internationale Medienberichterstattung wird auf | |
„antirussische Narrative“ hin systematisch analysiert. Und auch in der | |
Ukraine sollen prorussische Narrative verbreitet werden. | |
In einem Dokument werden auf fünf Seiten 17 Narrative entwickelt, die | |
ausschließlich in Deutschland gestreut werden sollen. „Linke“ Beamte in der | |
Regierung zeigten „eklatante Unprofessionalität und | |
Verantwortungslosigkeit“, sie schadeten dem Ansehen Berlins im Ausland, | |
lautet eines. Oder: Deutsche Verbraucher müssten wegen der | |
Russlandsanktionen mit „massiven Heizungsausfällen“ rechnen. Deutsche | |
Waffen würden zur Begehung von Kriegsverbrechen in der Ukraine verwendet. | |
Und: Die Ukraine sei eine europäische Basis für die Produktion von Drogen, | |
die über Geflüchtete nach Deutschland gelangen. | |
Ausführlich wird jedes dieser Narrative mit vermeintlichen Fakten | |
unterfüttert, wie etwa, dass Bundeskanzler Olaf Scholz „von Zeit zu Zeit | |
Anweisungen von seinen amerikanischen Vorgesetzten“ erhalte. „Russland | |
hingegen hat über viele Jahre hinweg nachhaltige Entwicklung der deutschen | |
Wirtschaft gesichert“, heißt es an anderer Stelle. In Ostdeutschland wisse | |
man das – und werde verstärkt die AfD wählen. Und der Vorteil, so die SDA: | |
„Die AfD wird bestimmt auch weiterhin zwei Sachen konsequent fordern – | |
antirussische Sanktionen aufzuheben und Nord Stream 2 zu starten, was ihre | |
Position noch mehr festigen wird.“ | |
Auch die „Zielgruppen“ dieser Erzählungen werden mitbedacht. Erreichen will | |
man mit den Narrativen etwa „Arbeitnehmer der großen Industrieunternehmen“, | |
„breite Teile der konservativen deutschen Wählerschaft“ oder | |
„Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose und Personen, die um ihren Arbeitsplatz | |
fürchten“. Das Ziel all dessen, so zitiert das FBI aus einem SDA-Dokument: | |
„Interne Spannungen in den Ländern zu eskalieren, die mit den USA verbündet | |
sind, um die Interessen der Russischen Republik in der internationalen | |
Arena zu stärken.“ | |
Wie akribisch und intensiv die SDA an der Verbreitung dieser Narrative | |
arbeitet, auch das wird durch die internen Daten klar. Alle denkbaren | |
Onlinekanäle sollen bedient werden: Kommentare, Memes, also Bilder mit | |
ironischer Kritik, Videos, Karikaturen, Social-Media-Inhalte, auch | |
„Fälschungen“ oder Graffiti-Kampagnen. | |
## Auch taz-Berichte abgespeichert | |
Für jedes Aufgabengebiet werden genaue Arbeitsberichte verfasst. So werden | |
automatisiert Medienberichte über Russland und die Ukraine gescannt und | |
abgespeichert, auch deutsche und auch welche der taz. Gleiches gilt für | |
Social-Media-Postings, etwa auf X oder Facebook. | |
Doch es bleibt nicht bei der Beobachtung. Eine Arbeitsgruppe soll täglich | |
auch selbst Onlinememes erstellen, allein für Deutschland und Frankreich | |
lautet die Zielvorgabe 180 Stück im Monat. Eine andere Gruppe soll | |
monatlich 60 Karikaturen erstellen, eine weitere 400 Kommentare zu | |
Artikeln, die Diskussionen „einleiten“ sollen. Dazu kommen offenbar | |
automatisiert erstellte Kommentare – in einem SDA-Papier ist von | |
intentional 120.000 Kommentaren pro Monat die Rede. | |
Und auch hier findet sich viel Material zu Deutschland. Viele der Bilder | |
richten sich gegen die Grünen oder die Ampelregierung. In einem Cartoon | |
liegt ein Totenkopf vor zwei umkippenden Windrädern, darunter steht „Grüne | |
Zukunft“. In einem weiteren wird eine Ampel vom Blitz getroffen. Klar wird | |
auch, auf wen sich die Hoffnung richtet. In einem Bild zersticht der Pfeil | |
des AfD-Logos einen grünen Luftballon. Auf einem anderen schwenkt ein Arm | |
eine Deutschlandfahne, auf dem Ärmel steht „Sahra“ – offensichtlich eine | |
Anspielung auf [8][Sahra Wagenknecht]. | |
Auf einem weiteren Bild fällt ein Mann mit Ukraineflagge vor einer großen | |
Deutschlandflagge um, auf der steht: „Sahra hilf uns!“ Zentral für die SDA | |
sind dabei Personen, die sie in den jeweiligen Ländern als Meinungsführer | |
ausgemacht haben. In internen Datenbanken werden diese gelistet, laut FBI | |
sind es insgesamt 2.800 Menschen aus 81 Ländern. | |
## Etliche Deutsche unter den Namen | |
Und darunter finden sich auch etliche Deutsche: Sahra Wagenknecht, | |
AfD-Chefin Alice Weidel, ihr Parteikollege Petr Bystron oder Sachsens | |
Ministerpräsident Michael Kretschmer. Aber auch die | |
Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Aktivistin Alina Lipp, Publizist | |
Jürgen Todenhöfer oder Entertainer Dieter Bohlen. Allesamt Personen, die | |
sich „zugunsten der RF“, also der Russischen Förderation aussprechen, wie | |
es in den internen Dokumenten heißt. | |
Tatsächlich äußerten sich die Gelisteten ablehnend zu Waffenlieferungen in | |
die Ukraine oder forderten Friedensverhandlungen mit Russland. Für die SDA | |
machen sie den entscheidenden Unterschied: Weil sie Botschaften „von einem | |
Deutschen zu einem Deutschen“ vermittelten, wie es in einer internen Notiz | |
heißt. Weil sie also eine besondere Glaubwürdigkeit besäßen. Auf der | |
SDA-Liste finden sich aber auch SPD-Chef Lars Klingbeil oder Linken-Chefin | |
Janine Wissler. Personen, welche die SDA als russlandkritisch einordnet. | |
Explizit wird angewiesen, online nach weiteren Informationen zu diesen zu | |
suchen – nach E-Mails oder Social-Media-Accounts. Man müsse hier | |
„diskreditierende Aussagen“ finden und „Angriffsmöglichkeiten“. | |
Den Erfolg ihrer Internetkampagnen analysieren die Mitarbeiter*innen | |
genau. Die Clips bei Tiktok kämen langsam voran, heißt es in einem | |
Sitzungsprotokoll von Ende Juni 2024. Bei Twitter hänge man hinterher, | |
seitdem die Plattform den Algorithmus geändert habe. „Wir pumpen neue | |
Konten“, heißt es in dem Protokoll. | |
## Nicht der ganz große virale Hit | |
Inwieweit die Bilder und Grafiken aber tatsächlich Wirkung entfalteten, | |
lässt sich schwer nachvollziehen. Vereinzelt finden sie sich in sozialen | |
Medien oder auf anderen Webseiten wieder. Der ganz große virale Hit, der | |
möglicherweise sogar Menschen in die Arme der AfD getrieben hat, ergibt | |
sich aus den Dokumenten allerdings nicht. Der bayerische Verfassungsschutz | |
aber schätzt in einer aktuellen Analyse, dass zumindest die | |
Doppelgänger-Kampagne rund eine Dreiviertelmillion Deutsche erreichte. | |
Und die Social Design Agency nimmt auch die Ukraine ins Visier. Die Ziele | |
werden hier ebenfalls klar festgehalten. Es gehe um das Erkennen und | |
Unterdrücken antirussischer Narrative, heißt es in den Dokumenten. Die | |
öffentliche Meinung soll so gedreht werden, dass es für die „weitere | |
zwischenstaatliche Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine günstig | |
ist“. Zugleich sollen die ukrainischen Streitkräfte demoralisiert werden. | |
Demnach soll etwa die Frage nach der Zahl der getöteten Soldaten offensiv | |
gestellt und es sollen Zweifel an der Autorität von Präsident Wolodymyr | |
Selenskyj gegenüber der Militärführung gesät werden. Auch | |
Korruptionsvorwürfe gegen Selenskyi versucht die SDA zu befeuern. | |
Und die SDA belässt es nicht bei Narrativen. Ersonnen werden auch konkrete | |
Aktionen. Man könne ja eine Onlineplattform aufbauen, die Korruption in der | |
Ukraine anprangere, mit „Nummer 1 Selenskyj“, heißt es in den Papieren. | |
Diese Plattform könne man dann später wieder offline nehmen, damit es so | |
aussehe, als gehe die ukrainische Regierung gegen die Kritiker vor. An | |
anderer Stelle wird der Aufbau der Bewegung „Andere Ukraine“ geplant: | |
Angeführt werden soll diese von Viktor Medwetschuk, einst Anführer einer | |
prorussischen Oppositionspartei in der Ukraine, heute ein Putin-Vertrauter | |
in Russland. | |
Medwetschuk ist als Betreiber russischer Desinformation bekannt. Er gilt | |
als Finanzier der [9][prorussischen Propagandaplattform „Voice of Europe“]. | |
Die EU hat die Plattform mittlerweile sanktioniert. Die SDA will | |
Medwetschuk nach internen Plänen als „konsequenten Kämpfer für eine | |
friedliche Zukunft der Ukraine“ inszenieren. Ziel sei es, Ukrainer*innen | |
innerhalb und außerhalb ihres Landes zu finden, die für einen Frieden mit | |
Russland eintreten. Skizziert wird auch hier die Einrichtung von | |
Social-Media-Kanälen und Webseiten. | |
Dass die Arbeit der SDA dabei eng mit der russischen Regierung verknüpft | |
ist, lässt sich kaum bestreiten. Bei SDA-Chef Gambatschidse sind | |
US-Behörden überzeugt, dass dieser „direkt oder indirekt für die russische | |
Regierung handelt“, hier gebe es „engste Verknüpfungen“. Auf einer inter… | |
SDA-Mitarbeiterliste taucht auch Alexei Olegowitsch Goltjajew auf, ein | |
langjähriger Mitarbeiter im russischen Außenministerium. Oder Sofia | |
Sacharowa, Teil der Kommunikationsabteilung des Kremls. Auf mehrmalige | |
Anfragen der taz reagierte weder die Social Design Agency, noch deren Chef | |
Ilja Andrejewitsch Gambatschidse. | |
## Überraschte Promis und Politiker | |
Die von der SDA gelisteten deutschen Politiker und Prominenten zeigten sich | |
auf taz-Nachfrage überrascht und erklärten alle, sie kennen die Agentur und | |
die Liste nicht. Sahra Wagenknecht sagte der taz, sie habe keinen Einfluss | |
darauf, „wer aus welchen Motiven unsere Positionen unterstützt oder | |
weiterverbreitet“. Auch AfD-Chefin Alice Weidel oder SPD-Chef Lars | |
Klingbeil ließen über ihre Sprecher erklären, sie kennen weder die SDA noch | |
die Liste. | |
Publizist Todenhöfer sagte ebenso, er habe von der SDA noch nie gehört. | |
„Sie interessiert mich auch nicht wirklich. Meine Beiträge zum | |
Ukrainekonflikt sind Beiträge des gesunden Menschenverstandes und der | |
Ablehnung aller Kriege.“ Ein Sprecher von Sachsens Ministerpräsident | |
Kretschmer erklärte, dieser verurteile „jegliche Art von | |
Desinformationskampagnen aufs Schärfste“. Und Linken-Chefin Wissler | |
erklärte sich ihr Auftauchen auf der Liste damit, dass sie „immer | |
unmissverständlich klargemacht hat, dass ich die russische Aggression gegen | |
die Ukraine scharf verurteile“. | |
Die deutsche Politik hätte erst später erkannt, wie massiv der russische | |
Staat Desinformation hierzulande betreibt. [10][Die Regierung habe die | |
„Tragweite nicht erkannt“], kritisierte zuletzt der Grünen-Politiker | |
Konstantin von Notz in der taz. Auch die Allgemeinheit sei „in der Frage, | |
wie aggressiv Russland vorgeht, immer noch sehr naiv“. Inzwischen aber | |
justiert die Politik nach: Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine tagt im | |
Bundesinnenministerium dazu eine Arbeitsgruppe, die AG Hybrid. Und die | |
Sicherheitsbehörden haben in diesem Bereich ihre Experten aufgestockt. | |
Dass Russland zuletzt auch die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen | |
sowie die in Brandenburg zu manipulieren versuchte, dafür haben die | |
Behörden nach taz-Informationen bisher keine konkreten Hinweise. Aber ein | |
„Grundrauschen“ sei permanent da, heißt es. Und die Ergebnisse in Thüring… | |
und Sachsen dürften Moskau gefallen: Mit der AfD und dem BSW feierten dort | |
genau die Parteien Erfolge, die in der Gunst Russlands stehen. | |
Die SDA ließ indes nach der Europawahl keinen Zweifel, dass sie ihre Arbeit | |
fortsetzen wird. Auch nach der Wahl sei es so, dass das Europäische | |
Parlament „weder als kriegsgegnerisch noch als prorussisch bezeichnet | |
werden kann“, wird intern eingeräumt. Das Parlament werde vorerst weiter | |
„den Fluss der Hilfe an die Ukraine nicht stoppen“. Und dennoch geben sich | |
die Macher zuversichtlich. Alles in allem stimme die „panische | |
Einschätzung“ des Westens, dass Russland auf die Wahlen Einfluss genommen | |
habe, überein „mit den Aktivitäten, die im Rahmen unseres Projekts gezeigt | |
wurden“. | |
Neue Themen jedenfalls hatte die Social Design Agency nach den Europawahlen | |
auch direkt gefunden. Man brauche Artikel zu Olympia, heißt es in einer | |
internen Nachricht. Außerdem soll eine Infografik „zu den Sanktionen und | |
deren Schaden für Deutschland“ angefertigt werden. Denn das neue Narrativ | |
für Deutschland steht da schon fest: Der Krieg gegen die Ukraine zerstöre | |
die Wirtschaft Deutschlands. Deutschland müsse aus der EU und Nato | |
austreten, als „Weg zu sich selbst“. | |
16 Sep 2024 | |
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