| # taz.de -- Desinformationskampagne Russlands: Die Spin-Docs des Kremls | |
| > Die taz analysiert interne Papiere der russischen Propagandafabrik SDA: | |
| > Mit massiver Desinformation will sie die deutsche Öffentlichkeit | |
| > beeinflussen. | |
| Die Autor*innen geben sich [1][nach der Europawahl] zufrieden. In ganz | |
| Europa hätten die Rechten im Juni Wahlerfolge gefeiert: Marine Le Pens | |
| Rassemblement National in Frankreich, die PiS in Polen, Giorgia Melonis | |
| Fratelli d’Italia in Italien. „Noch beeindruckender ist der Erfolg der | |
| Alternative für Deutschland, die in ganz Deutschland rund 17 Prozent der | |
| Stimmen erhielt“, in Ostdeutschland gar bis zu 40 Prozent, heißt es weiter | |
| jubilierend. „Es kann also festgestellt werden, dass die | |
| Social-Media-Kampagne ein großer Erfolg war.“ So habe sich „die Zahl der | |
| Wähler für die Rechten und Traditionalisten erhöht“ und die „der Linken, | |
| Globalisten und Sozialisten verringert“. | |
| Diese Sätze stammen aus Russland und sie sind Teil einer großangelegten | |
| [2][Desinformationskampagne]. Sie stehen in einem internen Papier, in dem | |
| ausführlich der Ausgang der Europawahl im Juni 2024 aus russischer | |
| Perspektive analysiert wird. Der Kreml hat, laut diesem Papier, nach den | |
| Wahlen genau das, was er wollte: einen Rechtsruck in Europa – und zwar | |
| einen, an dem er offenbar ganz massiv mitgearbeitet hat. | |
| Der taz liegt ein umfassendes digitales Datenpaket vor, das zeigt, wie | |
| detailliert russische Kräfte offenbar versuchen, Europa zu ihren Gunsten zu | |
| beeinflussen. Es geht darin um [3][Propagandaartikel], die in der | |
| europäischen Öffentlichkeit verbreitet werden sollen, um Videos, Bilder und | |
| Beiträge, die die sozialen Medien geflutet haben sollen. Es geht darum, wie | |
| Russland offenbar gezielt Falschinformationen verbreiten will, um | |
| europäische Politiker*innen und andere Persönlichkeiten in Misskredit | |
| zu bringen. Wie prorussische Narrative gestreut werden sollen, um Europa | |
| und den Westen zu spalten. | |
| Die Daten stammen von einer der bedeutendsten Propagandafirmen Russlands: | |
| der Social Design Agency (SDA). Das IT-Unternehmen mit Sitz in Moskau ist | |
| eng verbandelt mit der Putin-Regierung. Auf ihrer Webseite bepreisen sie | |
| ihre „gesellschaftspolitischen Projekte“, werben mit ihrem Können in | |
| „politischer Kommunikation“, mit „umfangreicher Erfahrung im Wahlkampf“. | |
| Die Kunden der SDA: das russische Innenministerium, das russische | |
| Katastrophenschutzministerium oder die Staatsduma, das Unterhaus des | |
| russischen Parlaments. Von westlichen Sicherheitsbehörden wird die SDA | |
| inzwischen als zentraler Akteur [4][für russische Desinformationskampagnen] | |
| verantwortlich gemacht. | |
| Nun aber gelangt die Gruppe unfreiwillig ins Rampenlicht. Eine anonyme | |
| Hackergruppe gibt an, Ende August umfangreiche interne Daten der SDA | |
| erbeutet zu haben. Sie liegen der taz vor. Nach unserem derzeitigen | |
| Recherchestand spricht alles dafür, dass die Dokumente echt sind. Sie | |
| umfassen Daten aus den Jahren 2022 und 2024, darunter Mitarbeiter*innen- | |
| und Auftragslisten, eingesetzte Social-Media-Accounts, Sitzungsprotokolle, | |
| E-Mails, vorbereitete Onlinepostings und Sharepics – insgesamt 2,4 | |
| Gigabyte. | |
| Sie geben ein umfassendes Bild davon, wie russische | |
| Desinformationskampagnen ablaufen. Sie zeigen, wie zentral Deutschland im | |
| Visier der russischen Propaganda steht – und wie versucht wird, auch | |
| deutsche Politiker*innen und Prominente dafür zu instrumentalisieren. | |
| Und sie geben genau vor, welche Narrative auch in der deutschen Bevölkerung | |
| festgesetzt werden sollen: die des friedensuchenden Russlands – und des | |
| kriegsdürstenden Westens. | |
| Dass Russland mit großem Aufwand Desinformation betreibt, ist bekannt. | |
| Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einer „hybriden | |
| Kriegsführung“ Moskaus. Der [5][Verfassungsschutz] warnt vor russischer | |
| Desinformation, ebenso das Auswärtige Amt. Zuletzt verschickte auch das FBI | |
| eine Warnung und schaltete russische Fake-Webseiten ab. | |
| ## SDA wurde bereits 2001 gegründet | |
| Diejenigen, die sich über das Europawahlergebnis vom Frühsommer freuten, | |
| aber haben Vorsprung. Schon im Jahr 2001 wurde die Social Design Agency | |
| gegründet. Sicherheitsbehörden haben die SDA deshalb schon länger im | |
| Visier. Spätestens seit 2022 soll die Gruppe russische | |
| Desinformationskampagnen steuern, angeführt von Ilja Andrejevitj | |
| Gambatjidze. Der 47-Jährige ist in der Ukraine geboren, hat einen | |
| russischen Pass, ist Mitgründer der SDA und pflegt laut US-Behörden enge | |
| Verbindung zur russischen Regierung. In den USA ist man überzeugt, dass | |
| Gambatjidzes Agentur auch hauptverantwortlich ist für [6][die sogenannte | |
| Doppelgänger-Kampagne], die zuletzt für viel Aufsehen sorgte. Mit rund 60 | |
| gefälschten Nachrichtenwebsites wurde in Europa und den USA russische | |
| Propaganda verbreitet. In Deutschland entstanden so Fake-Seiten des | |
| Spiegels, der Bild und der Süddeutschen Zeitung. Frankreich und die Schweiz | |
| verhängten deshalb bereits im vergangenen Jahr Sanktionen gegen die SDA, | |
| die EU folgte in diesem Jahr. | |
| Die Dokumente, die der taz nun vorliegen, zeigen, dass die Social Design | |
| Agency mit noch weit mehr Kampagnen aktiv ist. Sie selbst rühmt sich für | |
| „mehr als 100 erfolgreiche Fälle“ in den vergangenen 15 Jahren – dies | |
| betreffe die „Unterstützung der Reputation von Führungskräften und | |
| Organisationen, Wahlkampagnen, Gegenkampagnen“. Auch mit der | |
| Doppelgänger-Kampagne brüstet sich das Unternehmen intern. In einer | |
| internen Mitarbeitendenliste werden mehr als 90 Namen aufgeführt, die wohl | |
| an den Kampagnen beteiligt sind: Nach eigener Auskunft beschäftigt die SDA | |
| Analysten, Webdesigner, Social-Media- und IT-Experten. | |
| Wie die Agentur vorgeht, zeigt sich exemplarisch an der Europawahl im Juni | |
| dieses Jahres. Das Ziel sei eine „umfassende Gegenkampagne gegen die | |
| liberalen Globalisten“, heißt es in einem der internen Dokumente, das | |
| offenbar vor der Wahl entstanden ist. Die Zielländer: „Deutschland, | |
| Frankreich, Spanien, Italien, Polen“. Wenn, heißt es weiter, die Fraktion | |
| „Identität und Demokratie“, die im vergangenen Europaparlament die AfD und | |
| weitere rechtsextreme Parteien versammelte, in den anstehenden Wahlen den | |
| dritten Platz belege, könnte das „einen möglichen Kurswechsel hin zu einer | |
| erneuten Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation“ einläuten. | |
| Einen prominenten Vertreter, auf den Russland offenbar Hoffnung setzt, | |
| benennen die Urheber des Dokuments auch namentlich: [7][Maximilian Krah], | |
| damals AfD-Europaspitzenkandidat, heute dort Abgeordneter. Der 47-Jährige | |
| wurde bereits 2021 vom FBI zu möglichen Geldzahlungen kremlnaher Quellen | |
| befragt. | |
| ## Narrative, die die Macht Russlands stabilisieren sollen | |
| Die SDA entwickelt als Teil ihrer „Gegenkampagne“ auch konkrete | |
| „Narrative“, die die EU schwächen und Russlands Macht stabilisieren sollen. | |
| Sie sollen in vielfältiger Weise im Internet verbreitet werden. Eines | |
| lautet: „Die liberalen Kräfte säen Angst“, vor der Klimakatastrophe oder | |
| vor dem russischen Krieg. Oder: Die Liberalen zwängen Werte wie | |
| Transgenderrechte auf, „die nicht unsere sind“. Sie führten Europa in den | |
| Ruin, weil sie die Wirtschaft zerstörten, sie verwandelten Europa „in ein | |
| totalitäres Militärlager“. Vor allem EU-Kommissionspräsidentin Ursula von | |
| der Leyen wird dabei ins Visier genommen, als „Inbegriff der korrupten und | |
| proamerikanischen Politik“ in Brüssel. Was es stattdessen brauche, so der | |
| Spin der SDA: „einen Friedensplan und Diplomatie“. Rechte Parteien seien | |
| hier die „der Vernunft“, sie führten zu Frieden und Wohlstand. Und nur sie | |
| seien in der Lage, „diese Ställe zu säubern“. | |
| Das Durchsetzen von „Narrativen“ im öffentlichen Diskurs, es scheint die | |
| Leitlinie der SDA zu sein. Immer wieder taucht diese Maßgabe in den | |
| geleakten Dokumenten auf. Nicht nur der Europawahlkampf wird darauf | |
| abgeklopft, auch internationale Medienberichterstattung wird auf | |
| „antirussische Narrative“ hin systematisch analysiert. Und auch in der | |
| Ukraine sollen prorussische Narrative verbreitet werden. | |
| In einem Dokument werden auf fünf Seiten 17 Narrative entwickelt, die | |
| ausschließlich in Deutschland gestreut werden sollen. „Linke“ Beamte in der | |
| Regierung zeigten „eklatante Unprofessionalität und | |
| Verantwortungslosigkeit“, sie schadeten dem Ansehen Berlins im Ausland, | |
| lautet eines. Oder: Deutsche Verbraucher müssten wegen der | |
| Russlandsanktionen mit „massiven Heizungsausfällen“ rechnen. Deutsche | |
| Waffen würden zur Begehung von Kriegsverbrechen in der Ukraine verwendet. | |
| Und: Die Ukraine sei eine europäische Basis für die Produktion von Drogen, | |
| die über Geflüchtete nach Deutschland gelangen. | |
| Ausführlich wird jedes dieser Narrative mit vermeintlichen Fakten | |
| unterfüttert, wie etwa, dass Bundeskanzler Olaf Scholz „von Zeit zu Zeit | |
| Anweisungen von seinen amerikanischen Vorgesetzten“ erhalte. „Russland | |
| hingegen hat über viele Jahre hinweg nachhaltige Entwicklung der deutschen | |
| Wirtschaft gesichert“, heißt es an anderer Stelle. In Ostdeutschland wisse | |
| man das – und werde verstärkt die AfD wählen. Und der Vorteil, so die SDA: | |
| „Die AfD wird bestimmt auch weiterhin zwei Sachen konsequent fordern – | |
| antirussische Sanktionen aufzuheben und Nord Stream 2 zu starten, was ihre | |
| Position noch mehr festigen wird.“ | |
| Auch die „Zielgruppen“ dieser Erzählungen werden mitbedacht. Erreichen will | |
| man mit den Narrativen etwa „Arbeitnehmer der großen Industrieunternehmen“, | |
| „breite Teile der konservativen deutschen Wählerschaft“ oder | |
| „Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose und Personen, die um ihren Arbeitsplatz | |
| fürchten“. Das Ziel all dessen, so zitiert das FBI aus einem SDA-Dokument: | |
| „Interne Spannungen in den Ländern zu eskalieren, die mit den USA verbündet | |
| sind, um die Interessen der Russischen Republik in der internationalen | |
| Arena zu stärken.“ | |
| Wie akribisch und intensiv die SDA an der Verbreitung dieser Narrative | |
| arbeitet, auch das wird durch die internen Daten klar. Alle denkbaren | |
| Onlinekanäle sollen bedient werden: Kommentare, Memes, also Bilder mit | |
| ironischer Kritik, Videos, Karikaturen, Social-Media-Inhalte, auch | |
| „Fälschungen“ oder Graffiti-Kampagnen. | |
| ## Auch taz-Berichte abgespeichert | |
| Für jedes Aufgabengebiet werden genaue Arbeitsberichte verfasst. So werden | |
| automatisiert Medienberichte über Russland und die Ukraine gescannt und | |
| abgespeichert, auch deutsche und auch welche der taz. Gleiches gilt für | |
| Social-Media-Postings, etwa auf X oder Facebook. | |
| Doch es bleibt nicht bei der Beobachtung. Eine Arbeitsgruppe soll täglich | |
| auch selbst Onlinememes erstellen, allein für Deutschland und Frankreich | |
| lautet die Zielvorgabe 180 Stück im Monat. Eine andere Gruppe soll | |
| monatlich 60 Karikaturen erstellen, eine weitere 400 Kommentare zu | |
| Artikeln, die Diskussionen „einleiten“ sollen. Dazu kommen offenbar | |
| automatisiert erstellte Kommentare – in einem SDA-Papier ist von | |
| intentional 120.000 Kommentaren pro Monat die Rede. | |
| Und auch hier findet sich viel Material zu Deutschland. Viele der Bilder | |
| richten sich gegen die Grünen oder die Ampelregierung. In einem Cartoon | |
| liegt ein Totenkopf vor zwei umkippenden Windrädern, darunter steht „Grüne | |
| Zukunft“. In einem weiteren wird eine Ampel vom Blitz getroffen. Klar wird | |
| auch, auf wen sich die Hoffnung richtet. In einem Bild zersticht der Pfeil | |
| des AfD-Logos einen grünen Luftballon. Auf einem anderen schwenkt ein Arm | |
| eine Deutschlandfahne, auf dem Ärmel steht „Sahra“ – offensichtlich eine | |
| Anspielung auf [8][Sahra Wagenknecht]. | |
| Auf einem weiteren Bild fällt ein Mann mit Ukraineflagge vor einer großen | |
| Deutschlandflagge um, auf der steht: „Sahra hilf uns!“ Zentral für die SDA | |
| sind dabei Personen, die sie in den jeweiligen Ländern als Meinungsführer | |
| ausgemacht haben. In internen Datenbanken werden diese gelistet, laut FBI | |
| sind es insgesamt 2.800 Menschen aus 81 Ländern. | |
| ## Etliche Deutsche unter den Namen | |
| Und darunter finden sich auch etliche Deutsche: Sahra Wagenknecht, | |
| AfD-Chefin Alice Weidel, ihr Parteikollege Petr Bystron oder Sachsens | |
| Ministerpräsident Michael Kretschmer. Aber auch die | |
| Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Aktivistin Alina Lipp, Publizist | |
| Jürgen Todenhöfer oder Entertainer Dieter Bohlen. Allesamt Personen, die | |
| sich „zugunsten der RF“, also der Russischen Förderation aussprechen, wie | |
| es in den internen Dokumenten heißt. | |
| Tatsächlich äußerten sich die Gelisteten ablehnend zu Waffenlieferungen in | |
| die Ukraine oder forderten Friedensverhandlungen mit Russland. Für die SDA | |
| machen sie den entscheidenden Unterschied: Weil sie Botschaften „von einem | |
| Deutschen zu einem Deutschen“ vermittelten, wie es in einer internen Notiz | |
| heißt. Weil sie also eine besondere Glaubwürdigkeit besäßen. Auf der | |
| SDA-Liste finden sich aber auch SPD-Chef Lars Klingbeil oder Linken-Chefin | |
| Janine Wissler. Personen, welche die SDA als russlandkritisch einordnet. | |
| Explizit wird angewiesen, online nach weiteren Informationen zu diesen zu | |
| suchen – nach E-Mails oder Social-Media-Accounts. Man müsse hier | |
| „diskreditierende Aussagen“ finden und „Angriffsmöglichkeiten“. | |
| Den Erfolg ihrer Internetkampagnen analysieren die Mitarbeiter*innen | |
| genau. Die Clips bei Tiktok kämen langsam voran, heißt es in einem | |
| Sitzungsprotokoll von Ende Juni 2024. Bei Twitter hänge man hinterher, | |
| seitdem die Plattform den Algorithmus geändert habe. „Wir pumpen neue | |
| Konten“, heißt es in dem Protokoll. | |
| ## Nicht der ganz große virale Hit | |
| Inwieweit die Bilder und Grafiken aber tatsächlich Wirkung entfalteten, | |
| lässt sich schwer nachvollziehen. Vereinzelt finden sie sich in sozialen | |
| Medien oder auf anderen Webseiten wieder. Der ganz große virale Hit, der | |
| möglicherweise sogar Menschen in die Arme der AfD getrieben hat, ergibt | |
| sich aus den Dokumenten allerdings nicht. Der bayerische Verfassungsschutz | |
| aber schätzt in einer aktuellen Analyse, dass zumindest die | |
| Doppelgänger-Kampagne rund eine Dreiviertelmillion Deutsche erreichte. | |
| Und die Social Design Agency nimmt auch die Ukraine ins Visier. Die Ziele | |
| werden hier ebenfalls klar festgehalten. Es gehe um das Erkennen und | |
| Unterdrücken antirussischer Narrative, heißt es in den Dokumenten. Die | |
| öffentliche Meinung soll so gedreht werden, dass es für die „weitere | |
| zwischenstaatliche Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine günstig | |
| ist“. Zugleich sollen die ukrainischen Streitkräfte demoralisiert werden. | |
| Demnach soll etwa die Frage nach der Zahl der getöteten Soldaten offensiv | |
| gestellt und es sollen Zweifel an der Autorität von Präsident Wolodymyr | |
| Selenskyj gegenüber der Militärführung gesät werden. Auch | |
| Korruptionsvorwürfe gegen Selenskyi versucht die SDA zu befeuern. | |
| Und die SDA belässt es nicht bei Narrativen. Ersonnen werden auch konkrete | |
| Aktionen. Man könne ja eine Onlineplattform aufbauen, die Korruption in der | |
| Ukraine anprangere, mit „Nummer 1 Selenskyj“, heißt es in den Papieren. | |
| Diese Plattform könne man dann später wieder offline nehmen, damit es so | |
| aussehe, als gehe die ukrainische Regierung gegen die Kritiker vor. An | |
| anderer Stelle wird der Aufbau der Bewegung „Andere Ukraine“ geplant: | |
| Angeführt werden soll diese von Viktor Medwetschuk, einst Anführer einer | |
| prorussischen Oppositionspartei in der Ukraine, heute ein Putin-Vertrauter | |
| in Russland. | |
| Medwetschuk ist als Betreiber russischer Desinformation bekannt. Er gilt | |
| als Finanzier der [9][prorussischen Propagandaplattform „Voice of Europe“]. | |
| Die EU hat die Plattform mittlerweile sanktioniert. Die SDA will | |
| Medwetschuk nach internen Plänen als „konsequenten Kämpfer für eine | |
| friedliche Zukunft der Ukraine“ inszenieren. Ziel sei es, Ukrainer*innen | |
| innerhalb und außerhalb ihres Landes zu finden, die für einen Frieden mit | |
| Russland eintreten. Skizziert wird auch hier die Einrichtung von | |
| Social-Media-Kanälen und Webseiten. | |
| Dass die Arbeit der SDA dabei eng mit der russischen Regierung verknüpft | |
| ist, lässt sich kaum bestreiten. Bei SDA-Chef Gambatschidse sind | |
| US-Behörden überzeugt, dass dieser „direkt oder indirekt für die russische | |
| Regierung handelt“, hier gebe es „engste Verknüpfungen“. Auf einer inter… | |
| SDA-Mitarbeiterliste taucht auch Alexei Olegowitsch Goltjajew auf, ein | |
| langjähriger Mitarbeiter im russischen Außenministerium. Oder Sofia | |
| Sacharowa, Teil der Kommunikationsabteilung des Kremls. Auf mehrmalige | |
| Anfragen der taz reagierte weder die Social Design Agency, noch deren Chef | |
| Ilja Andrejewitsch Gambatschidse. | |
| ## Überraschte Promis und Politiker | |
| Die von der SDA gelisteten deutschen Politiker und Prominenten zeigten sich | |
| auf taz-Nachfrage überrascht und erklärten alle, sie kennen die Agentur und | |
| die Liste nicht. Sahra Wagenknecht sagte der taz, sie habe keinen Einfluss | |
| darauf, „wer aus welchen Motiven unsere Positionen unterstützt oder | |
| weiterverbreitet“. Auch AfD-Chefin Alice Weidel oder SPD-Chef Lars | |
| Klingbeil ließen über ihre Sprecher erklären, sie kennen weder die SDA noch | |
| die Liste. | |
| Publizist Todenhöfer sagte ebenso, er habe von der SDA noch nie gehört. | |
| „Sie interessiert mich auch nicht wirklich. Meine Beiträge zum | |
| Ukrainekonflikt sind Beiträge des gesunden Menschenverstandes und der | |
| Ablehnung aller Kriege.“ Ein Sprecher von Sachsens Ministerpräsident | |
| Kretschmer erklärte, dieser verurteile „jegliche Art von | |
| Desinformationskampagnen aufs Schärfste“. Und Linken-Chefin Wissler | |
| erklärte sich ihr Auftauchen auf der Liste damit, dass sie „immer | |
| unmissverständlich klargemacht hat, dass ich die russische Aggression gegen | |
| die Ukraine scharf verurteile“. | |
| Die deutsche Politik hätte erst später erkannt, wie massiv der russische | |
| Staat Desinformation hierzulande betreibt. [10][Die Regierung habe die | |
| „Tragweite nicht erkannt“], kritisierte zuletzt der Grünen-Politiker | |
| Konstantin von Notz in der taz. Auch die Allgemeinheit sei „in der Frage, | |
| wie aggressiv Russland vorgeht, immer noch sehr naiv“. Inzwischen aber | |
| justiert die Politik nach: Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine tagt im | |
| Bundesinnenministerium dazu eine Arbeitsgruppe, die AG Hybrid. Und die | |
| Sicherheitsbehörden haben in diesem Bereich ihre Experten aufgestockt. | |
| Dass Russland zuletzt auch die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen | |
| sowie die in Brandenburg zu manipulieren versuchte, dafür haben die | |
| Behörden nach taz-Informationen bisher keine konkreten Hinweise. Aber ein | |
| „Grundrauschen“ sei permanent da, heißt es. Und die Ergebnisse in Thüring… | |
| und Sachsen dürften Moskau gefallen: Mit der AfD und dem BSW feierten dort | |
| genau die Parteien Erfolge, die in der Gunst Russlands stehen. | |
| Die SDA ließ indes nach der Europawahl keinen Zweifel, dass sie ihre Arbeit | |
| fortsetzen wird. Auch nach der Wahl sei es so, dass das Europäische | |
| Parlament „weder als kriegsgegnerisch noch als prorussisch bezeichnet | |
| werden kann“, wird intern eingeräumt. Das Parlament werde vorerst weiter | |
| „den Fluss der Hilfe an die Ukraine nicht stoppen“. Und dennoch geben sich | |
| die Macher zuversichtlich. Alles in allem stimme die „panische | |
| Einschätzung“ des Westens, dass Russland auf die Wahlen Einfluss genommen | |
| habe, überein „mit den Aktivitäten, die im Rahmen unseres Projekts gezeigt | |
| wurden“. | |
| Neue Themen jedenfalls hatte die Social Design Agency nach den Europawahlen | |
| auch direkt gefunden. Man brauche Artikel zu Olympia, heißt es in einer | |
| internen Nachricht. Außerdem soll eine Infografik „zu den Sanktionen und | |
| deren Schaden für Deutschland“ angefertigt werden. Denn das neue Narrativ | |
| für Deutschland steht da schon fest: Der Krieg gegen die Ukraine zerstöre | |
| die Wirtschaft Deutschlands. Deutschland müsse aus der EU und Nato | |
| austreten, als „Weg zu sich selbst“. | |
| 16 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Podcast-Bundestalk/!6017100 | |
| [2] /Desinformation/!t5593248 | |
| [3] /Putins-Propaganda-in-Europa/!6032846 | |
| [4] /Putins-Propaganda-in-Europa/!6032846 | |
| [5] https://www.verfassungsschutz.bayern.de/mam/anlagen/baylfv_vollanalyse_dopp… | |
| [6] /Putins-Propaganda-in-Europa/!6032846 | |
| [7] /Geheime-Abstimmung-in-AfD-Delegation/!6016721 | |
| [8] /Sahra-Wagenknecht/!t5013304 | |
| [9] /Russische-Desinformation/!6000119 | |
| [10] /Von-Notz-ueber-russische-Desinformation/!5996657 | |
| ## AUTOREN | |
| Anne Fromm | |
| Konrad Litschko | |
| ## TAGS | |
| Desinformation | |
| Schwerpunkt Europawahl | |
| Russland | |
| Kreml | |
| Propaganda | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| GNS | |
| Longread | |
| Holger Friedrich | |
| Wahlkampf | |
| Antifeminismus | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Fake News | |
| Neue Osnabrücker Zeitung | |
| Fake News | |
| Bundesamt für Verfassungsschutz | |
| Schwerpunkt Russia Today | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
| Desinformation | |
| Schwerpunkt Meta | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Telegram | |
| Schwerpunkt Pressefreiheit | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Holger Friedrichs „Berliner Zeitung“: Der Systemsprenger | |
| Die „Berliner Zeitung“ wird 80. Zum Geburtstag wächst intern der Unmut üb… | |
| den Verleger Holger Friedrich. Über die Abgründe eines Medienimperiums. | |
| Social Media im Wahlkampf: Nur ein Like bis zur Wahl | |
| Social Media wurde vor der Bundestagswahl 2025 zur Wahlkampfbühne. Wie | |
| nutzten die Parteien das Potenzial? Und wie kam die AfD zu ihrem Netzwerk? | |
| Netzwerke christlicher Fundamentalisten: „Russland ist überall“ | |
| Moskau unterstützt weltweit antifeministische Bewegungen, warnt die | |
| Aktivistin Klementyna Suchanow vor den Präsidentschaftswahlen in Polen. | |
| Verdacht der Bestechlichkeit: EU-Parlament hebt Immunität von AfD-Politiker By… | |
| Wegen seines Wechsels nach Brüssel mussten die Ermittlungen gegen | |
| AfD-Politiker Petr Bystron pausieren. Jetzt kann es weitergehen. | |
| Desinformation mit KI: „ChatGPT, zeig mir russische Fake News“ | |
| Chatbots, die auf Künstliche Intelligenz setzen, werden von Russland | |
| gezielt mit Propaganda geflutet. So werden ihre Antworten manipuliert. | |
| Chefredakteur auf Abwegen: Kuscheln mit Russland | |
| Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ kooperiert mit umstrittenen Medien, über d… | |
| Kreml berichtet sie wohlwollend. In der Belegschaft wächst Unmut. | |
| Emotionen und Medien: Panik zieht | |
| Rechte Plattformen locken mit Fake News über Gewalt an Kindern und Sex mit | |
| Tieren. Der Treiber ist Angst. Doch mit der umzugehen, lässt sich üben. | |
| Deutsche Geheimdienste warnen: „Hurrikan“ russischer Aggressionen | |
| Cyberangriffe, Desinformation, Brandsätze: Bei einer Bundestagsanhörung | |
| warnen die Chefs deutscher Geheimdienste deutlich vor Russlands hybridem | |
| Krieg. | |
| RT-nahes Medium „Red“: Hybrider Krieg in Berlin | |
| Das Berliner Medienportal „Red“ wird mutmaßlich aus Russland finanziert. | |
| Die Spur führt zu einer Briefkastenfirma in der Türkei. | |
| Vorwürfe gegen AfD-Politiker Dornau: Zwiebelmann beutet Häftlinge aus | |
| AfD-Politiker Jörg Dornau hat mutmaßlich in Belarus politische Gefangene | |
| auf seiner Gemüsefarm schuften lassen. Die AfD-Spitze schweigt zu den | |
| Vorwürfen. | |
| Kultur als Widerstand in der Ukraine: Wörter wie ausgebrannte Panzer | |
| In Zeiten des Krieges ist Kultur in der Ukraine ein Medium der | |
| Selbstbehauptung. Ein Besuch beim Czernowitzer Literaturfestival und einem | |
| Punkkonzert. | |
| Wahlkampf der AfD Brandenburg: Brandenburgische Stichwerkzeuge | |
| Die extrem rechte AfD Brandenburg tritt für ein Parlament an, das sie von | |
| innen bekämpfen will. An Infoständen verteilte eine Kandidatin sogar | |
| Waffen. | |
| Linken-Chefin zu Russland-Desinformation: „Wir sind nicht gut gewappnet“ | |
| Die russische Social Design Agency betreibt Desinformation in Deutschland. | |
| Eine Betroffene: Janine Wissler. Die Linken-Chefin fordert mehr Gegenwehr. | |
| Desinformation auf Social Media: Meta sperrt russische Staatsmedien | |
| Der Digitalkonzern verbannt zum Beispiel den Propagandasender RT von seinen | |
| Plattformen wie Instagram und Facebook. Der Rausschmiss gilt weltweit. | |
| Putins Propaganda in Europa: Die Klone des Kreml | |
| Das russische Propagandaprogramm „Doppelgänger“ imitiert bekannte | |
| Medienwebsites. Laut Verfassungsschutz setzt es aber auch auf etablierte | |
| Medien. | |
| Ermittlungsverfahren gegen Telegram-Chef: Härteres Vorgehen | |
| Die Telegram-Devise lautet: keine Moderation, keine Regeln. Nun wird gegen | |
| den Chef ermittelt. Wird es auch für andere Plattformbetreiber ungemütlich? | |
| Angriff auf Journalistin: Fäuste gegen Fakten | |
| Die Klimajournalistin Melita Vrsaljko arbeitet für die NGO Faktograf, die | |
| Fake News überprüft. Nun wurde sie in Kroatien attackiert. |