# taz.de -- Geheime Abstimmung in AfD-Delegation: Maximilian Krah fliegt raus | |
> Die AfD-Delegation hat Krah nicht aufgenommen und will nun wieder Teil | |
> der ID-Fraktion werden. Im Osten ist die AfD stärkste Kraft, auch im | |
> Westen stark. | |
Bild: Kein Ticket nach Straßburg: Maximilian Krah fliegt raus | |
BERLIN taz | Maximilian Krah gab sich gut gelaunt im Bundestag, war aber in | |
Wahrheit offenkundig ziemlich sauer. Denn kurz vor 12 Uhr ist nach geheimer | |
Abstimmung [1][in der neuen AfD-Delegation] für das EU-Parlament am | |
Montagvormittag klar: Der AfD-Spitzenkandidat aus der Europawahl wird nach | |
zahlreichen Skandalen, Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen | |
mutmaßlicher Geldzahlungen aus Russland und China und wegen | |
SS-Verharmlosung kein Teil der AfD-Delegation im Europaparlament werden. | |
Nach geschichtsrevisionistischen Aussagen Krahs ist die AfD kurz vor der | |
Wahl aus der [2][extrem rechten ID-Fraktion] geflogen – ein Schritt, mit | |
dem sich Marine Le Pen von den französischen Rechtsextremen des | |
Rassemblement National (RN) innenpolitisch verharmlosen will mit Blick auf | |
die Präsidentschaftswahlen. Die Begründung aus der AfD für den nun | |
erfolgten De-facto-Rausschmiss von Krah: Man wolle mit dem Schritt dem RN | |
entgegenkommen. | |
Krah ging nicht ohne Kampfansage und kritisierte die Entscheidung, die | |
unter dem Einfluss des Bundesvorstands getroffen wurde und die auch an der | |
Basis umstritten sein dürfte, noch vor der Tür: „Ich halte es für das | |
falsche Signal“, so Krah. Eine „Partei, die deutsche Interessen in Brüssel | |
auch gegen die EU vertreten will, sollte sich nicht von einer ausländischen | |
Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antritt“, sagte er in die Kameras | |
von Journalist*innen. Er werde mit „großem Interesse“ verfolgen, wie | |
Verhandlungen mit dem RN geführt würden – „meine Meinung kennen Sie: sie | |
werden scheitern“, so Krah grinsend. | |
Interessant ist: Der Zweitplatzierte Petr Bystron, gegen den es | |
Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche gibt aufgrund seiner | |
Beteiligung an einem prorussischen Desinformationsnetzwerk und mutmaßlichen | |
Geldzahlungen aus dem Umfeld von Putin, darf Teil der AfD-Delegation | |
werden. Zum Leiter der Delegation wurde René Aust gewählt, Höckes rechte | |
Hand in Brüssel. | |
## Stimmen von CDU, FDP und SPD | |
Bei der Europawahl ist die AfD bundesweit auf 15,9 Prozent gekommen und | |
erhält damit 15 Sitze im EU-Parlament, ein Zuwachs um 4,9 Prozentpunkte. | |
Sie ist zweitstärkste Kraft, im Osten, wo in diesem Jahr noch drei | |
Landtagswahlen anstehen, ist die AfD sogar flächendeckend stärkste Kraft | |
geworden: Hier kam die AfD in Brandenburg auf 27,5 Prozent, in Sachsen auf | |
31,8 Prozent in Thüringen auf 30,7 Prozent. | |
Eine interessante Erkenntnis aus Nachwahlbefragungen ist die Sicht der | |
AfD-Wähler*innen auf die von ihnen gewählte Partei. 82 Prozent der | |
AfD-Wähler sagen, dass es ihnen egal sei, dass die Partei „in Teilen als | |
rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. Und auch | |
die Selbstberuhigungsformel der Protestwahlthese geht nicht auf: Laut der | |
Forschungsgruppe Wahlen wählen Anhänger der AfD diese nach eigenen Angaben | |
zu 70 Prozent wegen ihrer „politischen Forderungen“ – nur 28 Prozent als | |
„Denkzettel für andere Parteien“. | |
Hinzu gewonnen hat die AfD vor allem von CDU, SPD und FDP, also jenen | |
Parteien, die sich zuletzt mit rechten Forderungen profilieren wollten. | |
Erneut auch zeigte sich, dass hohe Zustimmung für die AfD kein Ostphänomen | |
ist: Auch in Baden-Württemberg kam die Partei auf 14,7 Prozent, ebenso in | |
Rheinland-Pfalz. Selbst in Schleswig-Holstein, wo die AfD bei der | |
Landtagswahl 2022 noch rausflog, kam sie nun auf 12,2 Prozent. | |
[3][David Begrich, Rechtsextremismusexperte aus Sachsen-Anhalt], sagte der | |
taz: „Was mich am meisten schockiert, ist, dass es Leute gibt, die den | |
Schuss noch immer nicht gehört haben oder nun mit den üblichen | |
Reaktionsmustern um die Ecke kommen, wie: Baut die Mauer wieder auf.“ Das | |
sei eine Ostdeutschlandprojektion, die das Problem der extremen Rechten in | |
einen bestimmten Postleitzahlenbereich entsorge, so Begrich: „Das ist eine | |
Entlastungs- und Distinktionsstrategie, die den Blick auf schmerzhafte | |
Wahrheiten verstellt.“ | |
## Verfassungsschutz schreckt Wähler nicht ab | |
Die extreme Rechte erprobe Strategien im Osten, die sie letztlich auch im | |
Westen anwenden werde. Und die westdeutschen Mechanismen zur Zurückdrängung | |
der AfD seien gescheitert: Der Verfassungsschutz schrecke nicht ab, ebenso | |
wenig die Skandalisierung. | |
Begrich benennt fünf konkrete Lehren, die daraus folgen müssen: Die AfD und | |
ihre politische Kommunikation dürften nicht länger den politischen Diskurs | |
dominieren, demokratische Kräfte müssten sich radikal abgrenzen. Der | |
„Fatalismus des verlorenen Ostens“ müsse aufgegeben werden, stattdessen | |
Sichtbarkeit für die unterschiedlichen Aspekte der Zivilgesellschaft im | |
Osten hergestellt werden. Demokratisches Engagement im Osten funktioniere | |
über die Klein- und Mittelstädte und müsse von den ländlichen Räumen, | |
Einzelpersonen und ihren Netzwerken her gedacht werden. | |
[4][Weiter müsse man die politische Bildung stärken], aber diese müsse auf | |
dem Horizont ostdeutscher Erfahrungen und Demokratiegeschichte fokussieren. | |
„Die Grundgesetzparty in Berlin hilft dabei nicht weiter, solange die | |
ostdeutsche Demokratiegeschichte irgendwo in der Besenkammer verschlossen | |
ist“, so Begrich. | |
Mit das Wichtigste sei nun aber, konkret Solidarität zu organisieren, sagt | |
er: „Seit 1990 haben 1,3 Millionen Menschen Ostdeutschland in Richtung | |
Westen verlassen, die dort Zivilgesellschaft, Demokratie und | |
Wirtschaftswachstum stärken. Deren Solidarität brauchen wir jetzt.“ | |
10 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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