| # taz.de -- AfD bei der Europawahl: Hohes Ergebnis trotz viel Krah-Wall | |
| > Selbst mit einem skandalumwobenen Wahlkampf und radikaler Liste kommt die | |
| > extrem rechte AfD auf über 16 Prozent. Sie ist damit zweitstärkste Kraft. | |
| Bild: Gute Laune bei der AfD nach Verkündung der Prognose zur Europawahl 2024 | |
| Berlin taz | Jubelschreie im Blitzlichtgewitter, die Parteivorsitzenden | |
| äußern sich strahlend vor im Hintergrund geschwenkten Deutschlandfahnen: | |
| Bei der Wahlparty der AfD war die Stimmung am Sonntagabend sichtlich | |
| erleichtert und losgelöst. Trotz zahlreicher Skandale ist die AfD nach | |
| ersten Hochrechnungen bei der Europawahl auf über 16 Prozent gekommen. Die | |
| AfD ist damit erstmals bei einer bundesweiten Wahl zweitstärkste Kraft, hat | |
| sowohl SPD als auch Grüne hinter sich gelassen. [1][Und das trotz eines | |
| skandalumwobenen Wahlkampfes um Korruption, Spionage und Hochstapleraffären | |
| und Gerichtsurteilen wegen rechtsextremer Umtriebe]. | |
| Zu Beginn des Jahres lag die AfD in den meisten Umfrageinstituten noch bei | |
| 20 Prozent. Allerdings musste sie seither Rückschläge einstecken. Skandale | |
| und breite Proteste gegen Rechtsextremismus dürften zu einem leichten | |
| Abwärtstrend beigetragen haben. Mit Blick auf die EU-Wahl 2019 ist es | |
| dennoch ein Rekordergebnis für die AfD: Da war die AfD noch auf 10,9 | |
| Prozent gekommen. | |
| Erschreckend: Insbesondere bei jungen Wähler*innen soll die extrem | |
| rechte Partei nach Nachwahlbefragungen zugelegt haben. Laut ARD hat die AfD | |
| im Vergleich zu 2019 bei 16- bis 24-Jährigen um zwölf Prozentpunkte | |
| zugelegt. [2][Laut Umfragen zu Wählerwanderungen] hat die AfD hauptsächlich | |
| von CDU, SPD und FDP hinzugewonnen. Interessant: Das Bündnis Sahra | |
| Wagenknecht hat der AfD keine größeren Stimmenanteile abgenommen, sondern | |
| vor allem den etablierten Parteien. | |
| ## Stärkste Kraft im Osten | |
| Nicht minder erschreckend, wenn auch nicht überraschend, sind die | |
| Ergebnisse der AfD im Osten. Hier ist die extrem rechte Partei bei der | |
| Europawahl stärkste Kraft geworden – inklusive Berlin liegt die AfD laut | |
| einer Hochrechnung von Infratest Dimap um 19:41 Uhr bei 27 Prozent. Die CDU | |
| liegt im Osten bei 20,7 Prozent und das BSW bei 13,1 Prozent. Das ist vor | |
| allem mit Blick auf die im September anstehenden Landtagswahlen in | |
| Thüringen, Sachsen und Brandenburg besorgniserregend. | |
| Eine interessante Erkenntnis aus Nachwahlbefragungen ist auch die Sicht der | |
| AfD-Wähler*innen auf die von ihnen gewählte Partei. 82 Prozent der | |
| AfD-Wähler sagen, dass es ihnen egal sei, dass die Partei „in Teilen als | |
| rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht“. | |
| Und auch die beliebte Protestwahlthese geht nicht auf: Laut der | |
| Forschungsgruppe Wahlen wählen Anhänger der AfD diese nach eigenen Angaben | |
| zu 70 Prozent wegen ihrer „politischen Forderungen“ – nur 28 Prozent als | |
| „Denkzettel für andere Parteien“. Damit scheint sich (erneut) eher die | |
| These zu erhärten, dass die AfD ein sehr gefestigtes Wählerspektrum | |
| verfügt, das diese explizit wegen ihrer extrem rechten Ausrichtung | |
| unterstützt – komme was wolle. | |
| Denn neben der obligatorischen, rassistischen Hetze, reichlich Putin-Nähe | |
| und autoritären Forderungen hat sich die AfD medial vor allem mit einem | |
| Slapstickwahlkampf hervorgetan. Am Ende haben die Parteivorsitzenden Alice | |
| Weidel und Tino Chrupalla gar versucht, die Spitzenkandidaten Maximilian | |
| Krah und Petr Bystron zu verstecken, auch bei der Wahlparty waren sie nicht | |
| dabei. In jeder anderen Partei wären die beiden nach den Skandalen wohl | |
| hochkant rausgeflogen oder zumindest dazu gedrängt worden, nach der Wahl | |
| von ihrem Mandat zurückzutreten – nicht so in der AfD. | |
| ## Eine durchweg problematische Kandidatenliste | |
| Hier tanzten sowohl Krah als auch Bystron der Parteispitze auf der Nase | |
| herum und traten trotzdem auf. Gegen Bystron laufen Ermittlungen wegen | |
| Bestechlichkeit und Geldwäsche. Auch gegen Krah laufen zwei | |
| Vorermittlungsverfahren wegen möglicher Zahlungen aus Russland und China. | |
| Beide sollen Teil eines prorussischen Desinformationsnetzwerkes sein, | |
| hinter dem der Putin-Vertraute und Oligarch Wiktor Medwedtschuk stecken | |
| soll. Krah fiel zudem noch durch seine China-Nähe auf – ein enger | |
| Mitarbeiter von Krah sitzt wegen schweren Spionageverdachts in | |
| Untersuchungshaft. | |
| Einziehen dürften 16 AfD-Abgeordnete, die nicht viel weniger problematisch | |
| sind: René Aust (Platz 3) ist ein enger Vertrauter des Rechtsextremen Björn | |
| Höcke, einige schreiben ihm die Rolle des neuen AfD-Delegationsleiters zu. | |
| Christine Anderson (Platz 4), war Pegida-Aktivistin und gilt ebenfalls als | |
| Höcke-Vertraute. In der Partei gab es auch intensive Auseinandersetzungen | |
| um die Listenplätze 10 und 14, Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch. Gegen | |
| beiden wurde eine zweijährige Ämtersperre verhängt, weil sie bei ihrer | |
| Aufstellung dreiste Falschangaben zu Abschlüssen gemacht hatten. | |
| Besonders krass in Sachen Rechtsextremismus sind die Listenplätze 9 und 11: | |
| Irmhild Boßdorf forderte auf dem Aufstellungsparteitag gegen den | |
| „menschengemachten Bevölkerungswandel“ nicht nur „millionenfache | |
| Remigration“, sondern auch illegale Pushbacks – „egal, was der Europäisc… | |
| Gerichtshof dazu sagt“. Die Nummer 11, Siegbert Droese, posierte mit Hand | |
| auf dem Herz an Hitlers „Führerhauptquartier Wolfsschanze“. | |
| Geschichtsrevisionismus war dann auch der Schlussakkord im Wahlkampf von | |
| Krah: [3][Nachdem er die NS-Verbrecherorganisation SS verharmlost hatte], | |
| ist die AfD gar aus der rechtsextremen ID-Fraktion im EU-Parlament | |
| geflogen. | |
| Marine Le Pen, Chefin der französischen rechtsextremen Rassemblement | |
| National, ist strategisch auf Abstand zur AfD gegangen, weil sie sich vor | |
| den Präsidentschaftswahlen 2025 gerne als harmlos inszenieren will. Wegen | |
| des Zerwürfnisses ist offen, ob die AfD wieder Teil einer Fraktion wird und | |
| wenn ja welcher. Möglicherweise putzt sie ohne Krah und Bystron Klinken bei | |
| Le Pen – oder sucht sich noch radikalere Partner. | |
| 9 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Korruptions--und-Spionage-Affaeren-bei-der-AfD/!6004826 | |
| [2] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-06-09-EP-DE/analyse-wanderung.sh… | |
| [3] /Nach-Relativierungen-der-SS/!6012267 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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