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# taz.de -- Europawahlergebnis in BerlIn: Grüne Insel in schwerer AfD-See
> Berlin ist das einzige Bundesland in Ostdeutschland, in dem bei der
> EU-Wahl nicht die AfD gewinnt. Stattdessen liegen wie 2019 die Grünen
> vorn.
Bild: Die Grünen als dominierende Kraft in der Mitte, während im Westen Berli…
Berlin taz | Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein!
Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf … Wer Schaubilder vom
bundesweiten Ausgang der Europawahl angeguckt hat, könnte sich an die
immergleiche Einführung in Asterix-Comics erinnert gefühlt haben. Denn auf
der großen Fläche rechts auf der Karte zwischen Ostsee und Erzgebirge ist
als stärkste Kraft fast durchweg die AfD mit dem für sich beanspruchten
Blau zu sehen (die taz hat das angesichts mehrfacher Einordnung von
AfD-Landesverbänden als „gesichert rechtsextrem“ durch Braun ersetzt).
Bloß in der Mitte dieser Fläche, die mal die DDR war, ist ein grüner Punkt
auszumachen, noch nicht mal 40 mal 25 Kilometer groß. Berlin ist das
einzige der sechs Bundesländer in Ostdeutschland, in dem am Sonntag nicht
die AfD am stärksten abschnitt: Hier liegen, wenn auch mit starken
Verlusten, wie bei der EU-Wahl 2019 die Grünen vorne.
Die AfD, bundesweit bei 15,8 und in Sachsen und Thüringen rund 31 Prozent
stark, ist in Berlin nur auf 11,6 Prozent gekommen und liegt damit in der
Parteienrangliste lediglich auf Platz 4. Auch der Zuwachs gegenüber 2019
fällt mit rund 1,7 Prozentpunkten noch nicht einmal halb so hoch aus wie
bundesweit.
Führende [1][EU-Kraft in Berlin] bleiben die Grünen vor der CDU, trotz
eines gegenüber der Wahl von 2019 um fast ein Drittel schlechteren
Ergebnisses. Noch stärker, nämlich fast 40 Prozent, verlor die Linkspartei.
Die lange als Kleinpartei eingestufte Gruppierung Volt hingegen schnitt in
Berlin mit 4,8 Prozent stärker ab als die auf Bundesebene mitregierende FDP
(4,3).
## Grüne trotz Verlusten weiter vorn
2019 hatten die Grünen in Berlin das erlebt, was man einen Erdrutschsieg
nennt: Sie, bei EU-Wahlen traditionell stark, bekamen 27,8 Prozent aller in
der Hauptstadt abgegebenen Stimmen – annähernd so viele wie CDU und SPD
zusammen. Nun erreichten sie trotz der starken Verluste noch 19,6 Prozent,
ungefähr so viel wie bei der EU-Wahl 2014. Die CDU konnte sich zwar leicht
verbessern, aber bloß auf 17,6 Prozent. Die SPD wiederum verlor zwar auch
in Berlin, aber halb so stark wie im Bundesdurchschnitt und erreicht noch
13,2 Prozent.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), zu dem aus der Linksfraktion im
Abgeordnetenhaus [2][nur ein Abgeordneter gewechselt ist], kam bei seinem
ersten Wahlauftritt auf 8,7 Prozent und lag damit vor der Linkspartei: Die
holte 2019 noch 11,9 Prozent und rutschte nun auf 7,3 ab.
Auf die führenden Berliner Kandidaten und bisherigen Abgeordneten hatten
die bundesweiten Veränderungen weitgehend keinen Einfluss: alle von ihren
hiesigen Landesverbänden nominierten namhaften Bewerber von Grünen, SPD und
Linkspartei waren auf der Bundesliste ihrer Parteien so hoch eingeordnet,
dass sie auch bei noch schlechterem Wahlausgang erneut ins Parlament
gekommen beziehungsweise erneut dort eingezogen wären.
Im Parlament sind daher wiederum: Sergey Lagodinsky, Hannah Neumann und
Erik Marquardt (alle Grüne), Gaby Bischoff (SPD) und Martin Schirdewan
(Linkspartei). Bei der CDU, die anders als die anderen Parteien wegen der
Schwesterpartei CSU mit Landeslisten antritt, galt ein erneutes Mandat für
Hildegard Bentele ebenfalls als sicher. Vom starken Wachstum der AfD
jenseits von Berlin profitierte ihr hiesiger Kandidat Alexander Sell: Er
nimmt den 15. der Bundesliste und damit den letzten seiner Partei nun
zustehenden Platz im Europaparlament ein.
## Gestiegene Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag am Sonntag leicht über der von 2019: [3][Stimmten
damals 60,6 Prozent] direkt an der Urne oder per Briefwahl ab, so waren es
dieses Mal 62,3. Bundesweit fiel die Wahlbeteiligung mit 64,8 Prozent
merklich höher aus. Erstmals durften bei dieser Wahl 16- und 17-Jährige
mitstimmen.
Für Berlin Landeswahlleiter Stephan Bröchler, nach der Pannenwahl vom
September 2021 ins Amt gekommen, war es nach zwei Wiederholungswahlen zum
Abgeordnetenhaus Anfang 2023 und [4][erst vor vier Monaten zum Bundestag]
die erste reguläre Wahl. Seine Bilanz fiel am Montag vor Journalisten gut
aus: In zwei Wahllokalen – von weit über 2.000 – konnte es erst 20 Minuten
später losgehen, in einem gab es kurz vorher einen Wasserschaden, der aber
behoben werden konnte. Auch von Bröchler befürchtete Blockaden durch zuvor
angemeldete propalästinensische Demonstrationen blieben aus.
Laut Bröchler gab es bei der Wahlbeteiligung „das beste Ergebnis, das wir
bislang bei Wahlen zum Europaparlament gehabt haben“. Er wies dabei auch
auf den deutlich gewachsenen Anteil bei der Briefwahl hin. Per Brief
wählten 2019 noch rund 31 Prozent, nun waren es 43 Prozent. „Die Briefwahl
ist die neue Urnenwahl“, sagte der Landeswahlleiter am Montag. Innerhalb
Berlin fällt die Beteiligung allerdings höchst unterschiedlich aus: Nutzten
[5][in Marzahn-Hellersdorf] und Spandau jeweils kaum 55 Prozent ihr
Stimmrecht, so waren es in Steglitz-Zehlendorf rund 70 Prozent.
Aufschluss darüber, wie weit die erstmals auf EU-Ebene wahlberechtigten 16-
und 17-Jährigen in Berlin ihr Stimmrecht nutzen, konnte Bröchler nicht
geben – die Umfrageinstitute würden ihre Zahlen nicht auf die Bundesländer
runterbrechen. Sein subjektiver Eindruck von mehreren
Diskussionsveranstaltungen in Schulen aber sei, dass er neben vielen jungen
Leuten, die auf jeden Fall wählen wollten, auch welche erlebte, die sich
dafür noch nicht reif fühlten. Der Bundestag hatte das Teilnahmealter bei
der EU-Wahl im November 2022 von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Auch bei der
Berlin-Wahl 2026 sollen 16- und 17-Jährige abstimmen können – das hatte das
Abgeordnetenhaus im Dezember beschlossen.
(aktualisiert um 17:24 Uhr)
10 Jun 2024
## LINKS
[1] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/EU2024/AFSPRAES/index.html
[2] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!5984687
[3] https://wahlen-berlin.de/wahlen/EU2019/AFSPRAES/index.html
[4] /Teilwiederholung-der-Wahl-in-Berlin/!5988851
[5] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/EU2024/AFSPRAES/ergebnisse_bezirk_10.ht…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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