# taz.de -- Deutschlands Grüne nach der EU-Wahl: Suche nach Gründen für das … | |
> Die Grünen analysieren, warum es zum Absturz bei der Wahl kam. Der linke | |
> Flügel beklagt, dass die Partei zu wenig Antworten auf soziale Fragen | |
> habe. | |
Bild: Omid Nouripour, Terry Reintke (m.) und Ricarda Lang bei einer Pressekonfe… | |
BERLIN taz | Der Vorstand der Grünen nimmt sich am Montagmorgen Zeit. | |
Ausführlich berät das Gremium über die Zahlen vom Vortag: Wie konnte es | |
passieren, dass die Partei bei der Europawahl unter 12 Prozent rutschte? | |
Als die beiden Parteivorsitzenden im Anschluss vor die Presse treten, | |
können sie trotzdem noch keine Antworten präsentieren. | |
„Wir werden viele Steine umdrehen“, sagt Parteichef Omid Nouripour. „Ein | |
Weiter-so wird es nicht geben“, sagt seine Co-Vorsitzende Ricarda Lang. | |
Doch einfache Antworten würden nicht helfen. Ein paar Tage dauere es noch, | |
bis die Analyse stehe. „Wir werden uns die Zeit nehmen, die wir brauchen.“ | |
Es ist ja auch wirklich schwierig. Ein paar Ursachen für das schlechte | |
Abschneiden sind in der Partei zwar Konsens: dass sich im Vergleich zu den | |
letzten Wahlen die Weltlage geändert habe und Klimaschutz kein | |
Gewinnerthema mehr sei; dass das schlechte Image der Ampel allen drei | |
Regierungsparteien zu schaffen mache. | |
Es gibt aber auch Wahldaten, die einer eindeutigen Analyse im Weg stehen. | |
Der Realo-Flügel kann beklagen, dass die Grünen massiv Wähler*innen nach | |
rechts verloren haben (laut ARD über 500.000 an die CDU) und sich stärker | |
um die Mitte bemühen müssten. Die Parteilinken halten mit noch größeren | |
Verlusten ins Nichtwählerlager und zu Kleinparteien wie Volt dagegen: Das | |
weise auf unzufriedene Kernwähler*innen hin. | |
## Soziale Sicherheit | |
Worauf die Parteilinken ebenfalls verweisen: dass den Wähler*innen laut | |
Umfragen die soziale Sicherheit besonders wichtig war, die Grünen hier aber | |
nicht überzeugt hätten. „Die Bedeutung von sozialer Sicherheit haben wir im | |
Wahlkampf unterschätzt und die Verbindung von sozialer Sicherheit und | |
Klimaschutz im Regierungshandeln zu wenig betont“, sagt Sven-Christian | |
Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. | |
Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament, verweist | |
in dem Kontext auf Erfolge der Grünen in manchen anderen EU-Staaten. „In | |
Dänemark und den Niederlanden sind die grünen Parteien deutlich sozialer | |
ausgerichtet als bei uns“, sagt er. Allgemein müsse die Partei darauf | |
achten, nicht nur als Ampelmitglied wahrgenommen zu werden: „Wir müssen den | |
Spagat besser hinbekommen zwischen Regierungskompromissen und einem | |
eigenständigen Profil.“ | |
Besonders beschäftigt viele in der Partei das Ergebnis unter jungen | |
Wähler*innen: Bei ihnen haben die Grünen massiv verloren, die AfD gewonnen. | |
Svenja Appuhn, Sprecherin der Grünen Jugend, erklärt sich den Erfolg der | |
Rechten nicht zuletzt als Folge der Coronapandemie. | |
„Junge Leute haben in dieser Zeit einen massiven Kontrollverlust erfahren | |
und das in der Phase des Lebens, in der man eigentlich gerade erst | |
Kontrolle über sein Leben erlangt“, sagt sie. Der eigenen Partei rät auch | |
sie zu einem stärkeren Fokus auf soziale Sicherheit. | |
## Asyl und Migration | |
Man müsse auch diejenigen wieder erreichen, die sich zwar prinzipiell um | |
das Klima sorgen, im Moment aber von anderen Krisen überfordert werden. | |
„Das schafft man nicht mit einem Sparhaushalt. Die Ampel muss jetzt umso | |
mehr einen Haushalt auf den Weg bringen, der eine echte Antwort auf | |
Abstiegsängste der Menschen ist“, sagt Appuhn. | |
Aus dem Realo-Lager kommen dagegen eher Verweise auf einen anderen | |
Themenbereich, der laut Umfragen wahlentscheidend war: [1][Asyl und | |
Migration]. „Da werden die Grünen nicht als Partei wahrgenommen, die | |
Antworten hat und die Sorgen der Menschen ernst nimmt“, sagte | |
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im ZDF. Indirekt kritisierte er, dass | |
die Grünen im EU-Parlament gegen Asylrechtsverschärfungen gestimmt hatten. | |
Im Hintergrund sorgt das Wahlergebnis auch für Personaldebatten. So gab es | |
am Wahlabend Kritik an Geschäftsführerin Emily Büning, in deren | |
Verantwortungsbereich die Wahlkampagne lag. Vor allem aus dem linken | |
Flügel, dem Büning angehört, wird die Kritik aber zurückgewiesen: Die | |
Anmutung der Kampagne sei eine Entscheidung aller Spitzen-Grünen gewesen. | |
Infrage gestellt wird aus Reihen der Parteilinken dagegen die | |
Kanzlerkandidatur [2][von Robert Habeck]. Bei sozialen Fragen habe er | |
Leerstellen: beim Heizungsgesetz, bei seiner Forderung nach längeren | |
Arbeitszeiten oder zuletzt kurz vor der Wahl, als er vorschlug, das | |
Lieferkettengesetz der Ampel auszusetzen. „Annalena wäre in solchen Fragen | |
empathischer“, sagt ein Mitglied des linken Flügels. | |
10 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gruene-vor-der-EU-Wahl/!6014243 | |
[2] /Gruener-Wirtschaftsminister/!6003076 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Grüne | |
Asyl | |
Social-Auswahl | |
Grüne | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Grüne | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gründe für Wahlniederlage der Grünen: Baerbock redet übers Geld | |
Die Grünen müssten soziale Fragen stärker beachten, sagt die | |
Außenministerin, und erinnert an Fehler beim Heizungsgesetz. Die | |
Kanzlerfrage lässt sie offen. | |
Europawahlergebnis in BerlIn: Grüne Insel in schwerer AfD-See | |
Berlin ist das einzige Bundesland in Ostdeutschland, in dem bei der EU-Wahl | |
nicht die AfD gewinnt. Stattdessen liegen wie 2019 die Grünen vorn. | |
Wahlniederlage der Grünen: Die fetten Jahre sind vorbei | |
Auf 20 Prozent werden die Grünen so schnell nicht mehr kommen. Sie müssen | |
sich fragen: Wie können sie mehr aus dem Zuspruch machen, der ihnen bleibt? | |
Grüne vor der EU-Wahl: No Asyl | |
Auf ihrem Länderrat preisen sich die Grünen als Partei gegen den Rechtsruck | |
und für den Green Deal. Nur über die Asylpolitik reden sie lieber nicht. |