# taz.de -- Deutsche Geheimdienste warnen: „Hurrikan“ russischer Aggression… | |
> Cyberangriffe, Desinformation, Brandsätze: Bei einer Bundestagsanhörung | |
> warnen die Chefs deutscher Geheimdienste deutlich vor Russlands hybridem | |
> Krieg. | |
Bild: Auf dem Weg zur öffentlichen Sitzung: Bruno Kahl, Präsident des BNDs, V… | |
Berlin taz | [1][Drohnen über Bundeswehrkasernen], [2][Cyberangriffe], | |
[3][Desinformation], ein explodierter Brandsatz in einem DHL-Paket am | |
Flughafen Leipzig: Die Präsidenten der deutschen Geheimdienste warnen mit | |
auffälliger Deutlichkeit vor immer aggressiveren Ausspäh- und | |
Sabotageaktionen Russlands in Deutschland. BND-Präsident Bruno Kahl | |
erklärte am Montag bei einer Anhörung im Bundestag, russische Geheimdienste | |
gingen dabei „mit allen Mitteln, ohne rechtliche Beschränkungen, ohne | |
jeglichen Skrupel“ vor, auf einem bisher „ungekannten Niveau“. | |
Bundesverfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte [4][schon vor zwei | |
Jahren vor einem „Sturm“ Russlands gewarnt], bei dem China indes der | |
„Klimawandel“ sei. Am Montag sagte er, aus dem Sturm sei ein „Hurrikan“ | |
geworden, der von der Ukraine und dem Baltikum „mit Macht von Ost nach | |
West“ ziehe. Haldenwang benannte „massive“ Cyberangriffe, Desinformationen | |
wie die [5][sogenannte Doppelgängerkampagne] oder Drohnenflüge über | |
Kasernen und Anlagen Kritischer Infrastruktur. | |
Auch das DHL-Paket, das im Juli kurz vor der Verladung in ein Flugzeug in | |
Leipzig explodierte und einen Frachtcontainer in Brand setzte, führte er | |
mit auf. Wäre der Brandsatz etwas später auf dem Flug gezündet, wäre es zum | |
Absturz gekommen, sagte Haldenwang. „Die Trümmer hätten hier in Deutschland | |
auch all die Menschen treffen können, die mit Putin und seinem Regime | |
sympathisieren.“ Tatsächlich gab es Glück in dem Fall: Das Flugzeug war | |
damals verspätet, das Paket deshalb noch nicht verladen. Zu dem Vorfall | |
ermittelt inzwischen die Bundesanwaltschaft. In Polen und Großbritannien | |
gab es ähnliche Vorfälle. | |
## Gefahr eines Nato-Bündnisfalls | |
BND-Chef Kahl warnte, [6][Putin] werde fortlaufend „rote Linien“ des | |
Westens austesten und die „Konfrontation weiter eskalieren“. Die | |
„Feinderklärung“ auch an Deutschland sei dabei längst geschehen. Russland | |
ziele bei Weitem nicht nur auf die Ukraine, sondern auf eine neue | |
Weltordnung. Kahl warnte auch, dass das Risiko steige, dass es zu einem | |
Nato-Bündnisfall komme. Russland rüste massiv auf, investiere hier in | |
diesem Jahr einen mittleren dreistelligen Milliarden-Euro-Betrag. Laut Kahl | |
wären russische Streitkräfte ab Ende des Jahrzehnts in der Lage, einen | |
Angriff auf die Nato durchzuführen – und vorher werde versucht, die | |
Bündnisländer zu spalten. | |
Auch [7][Martina Rosenberg], Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes | |
der Bundeswehr, nannte die russischen Ausspähversuche „besorgniserregend“. | |
Sie zwängen zu „erhöhter Wachsamkeit“. Gerade die Bundeswehr stehe hier im | |
Fokus: wegen deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine, der Ausbildung | |
ukrainischer Soldaten, hiesiger Rüstungsprojekte oder der Stationierung | |
einer deutschen Brigade in Litauen. | |
Die Präsident*innen sprachen am Montag bei der alljährlichen | |
öffentlichen Anhörung im Parlamentarischen Kontrollgremium der | |
Geheimdienste im Bundestag, der inzwischen achten. Das Gremium tagt sonst | |
hinter verschlossenen Türen. | |
Sahen die Sicherheitsbehörden anfangs vor allem russische Desinformation | |
und Cyberangriffe in Deutschland, sollen sie zuletzt zunehmend auch | |
Sabotagefälle gezählt haben, die sie Russland zurechnen. Einer wurde im | |
April wohl vereitelt: [8][Da nahm die Bundesanwaltschaft zwei Deutschrussen | |
fest], die unter anderem den Truppenübungsplatz im bayrischen Grafenwöhr | |
ausgespäht und sich zu Anschlägen bereit erklärt haben sollen. | |
## Bis Jahresende wird über AfD-Einstufung entschieden | |
Die Sicherheitsbehörden sehen auch ein neues Muster, wie Russland vorgeht: | |
Auch weil zuletzt europaweit rund 700 russische Agenten ausgewiesen wurden, | |
bediene sich Moskau inzwischen sogenannter „Low Level Agents“ – | |
Kleinkriminelle, die über Telegram nur für Ausspäh- oder Sabotageaktionen | |
angeworben und bezahlt würden. | |
Haldenwang warnte auch vor islamistischen Gefahren. Die Gewaltbereitschaft | |
der Szene wachse, [9][der Terrorismus sei zurück in Europa], die [10][Welle | |
des Antisemitismus] „eine Schande“ für Deutschland. Die größte Bedrohung | |
für die Demokratie bleibe aber der Rechtsextremismus, sagte der | |
Verfassungsschutzchef. Er verwies auf die AfD, die zuletzt [11][bei der | |
konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags die demokratischen Prozesse | |
„ad absurdum“ geführt habe]. Dies sei „vielleicht ein Vorgeschmack auf d… | |
was uns noch bevorsteht“. Haldenwang kündigte an, dass es noch in diesem | |
Jahr ein neues Prüfergebnis seines Amts zur AfD geben werde – entweder eine | |
Fortführung der Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall oder eine | |
Hochstufung als bundesweit gesicherte rechtsextreme Partei. | |
Alle drei Geheimdienstchef*innen warben zudem für weitere Befugnisse | |
für ihre Dienste. Er mache sich „ernsthafte Sorgen“, dass immer mehr | |
Kontrolle und Einschränkungen zulasten der „Effizienz“ der Dienste gehe, | |
sagte BND-Präsident Kahl. Es brauche „deutlich mehr operative | |
Beinfreiheit“. Die Ampel kommt dem bereits entgegen: Mit dem [12][geplanten | |
Sicherheitspaket] soll der Verfassungsschutz etwa mehr Möglichkeiten für | |
Finanzermittlungen bekommen – und die Polizei die Möglichkeit einer | |
biometrischen Gesichtserkennung anhand von Fotos aus dem Internet. | |
14 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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