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# taz.de -- Wahlkampf der AfD Brandenburg: Brandenburgische Stichwerkzeuge
> Die extrem rechte AfD Brandenburg tritt für ein Parlament an, das sie von
> innen bekämpfen will. An Infoständen verteilte eine Kandidatin sogar
> Waffen.
Bild: Hans-Christoph Berndt bei einer Wahlkampfveranstaltung in Brandenburg
Berlin taz | Hetze gegen alle vermeintlichen Nichtdeutschen, Leugnung der
menschengemachten Klimakrise, Verbreitung prorussischer Desinformationen:
Die AfD Brandenburg hat vor den Landtagswahlen einen überaus radikalen
Wahlkampf geführt. Das liegt nicht zuletzt am Spitzenkandidaten
Hans-Christoph Berndt. Der Gründer des flüchtlingsfeindlichen Vereins
Zukunft Heimat ist lange schon als rechtsextremer Netzwerker bekannt. Der
68-Jährige raunt nicht nur von „globalistischen Eliten“ und
„Bevölkerungsaustausch“, sondern schimpft auch ausdauernd über die Kirche…
weil diese sich vielerorts für Demokratie und gegen Rechtsextremismus
positioniert haben.
Berndt forderte die Streichung öffentlicher Förderung des Landesjugendrings
und drohte damit, das Toleranznetzwerk sowie den Verein Opferperspektive im
Falle eines Wahlsiegs abzuschaffen. Letzterer kümmert sich um Opfer rechter
Gewalt. Der Verein hat im Zuge des Rechtsrucks einen massiven Anstieg
rechter Gewalttaten in Brandenburg verzeichnet – für 2023 insgesamt 242
rechte Angriffe, [1][ein Anstieg um 75 Prozent].
Dass die AfD nun zahlreiche Opfer rechter Gewalt alleine lassen will,
überrascht nicht – sie ruft gar indirekt selbst zu Gewalt auf: So verteilte
die Landtagsabgeordnete und Direktkandidatin im Wahlkreis Barnim III, Lena
Kotré, an ihren Wahlkampfständen sogar Kubotans. Das ist ein Hieb- und
Stichwerkzeug, das in vielen Ländern unter das Waffengesetz fällt oder
sogar verboten ist – in Deutschland allerdings nicht.
Die 38-jährige AfD-Politikerin verteilt diese spitzen Faustkeile aus Metall
mit dem Aufdruck „Seid Wehrhaft!“. Kotré war es auch, die nach dem
islamistischen Anschlag von Solingen ein generelles und Grundrechten
widersprechendes „Betretungsverbot“ für Geflüchtete „auf öffentlichen
Veranstaltungen“ forderte. Sie sagte: „Wenn es tatsächlich auch Unschuldige
trifft, ist das leider so – ein Kollateralschaden.“ Ebenso fordert Kotré
eine privat finanzierte Abschiebeindustrie.
## Gaulands schützende Hand
Den islamistischen Anschlag in Solingen instrumentalisierte die AfD
schamlos und ohne Rücksicht auf Betroffene. Sie schürt aber auch darüber
hinaus mit rassistischen Narrativen Angst vor Geflüchteten, teils auch in
KI-generierten Wahlkampfspots. Bei Wahlkampfauftritten hetzten
AfD-Politiker*innen auf Marktplätzen bei sogenannten Sommerfesten und
Bürgerdialogen, die Eventcharakter haben sollten, aber häufig auch von
Gegenprotesten begleitet waren. In den Umfragen steht die AfD dennoch seit
Monaten auf Platz 1 in Brandenburg – mittlerweile dicht gefolgt von der
SPD.
Für Resonanz sorgt die Partei dabei nicht nur über die bewährte Präsenz auf
Social-Media-Plattformen wie Tiktok, Youtube, Telegram und X, sondern kann
auch auf langfristig gewachsene rechtsextreme Strukturen aufsatteln und
lokal vernetzte Neonazigruppen und Corona-Protestierende als
Multiplikatoren nutzen.
Der Brandenburger AfD-Landesverband ist seit seiner Gründung von
rechtsextremen Akteur*innen bestimmt: Unter der schützenden Hand des
heutigen AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland hatte der
völkisch-nationalistische Flügel mit dem auch im Neonazimilieu verankerten
Andreas Kalbitz stets die Oberhand und hat dabei auch maßgeblich zur
Radikalisierung der Bundespartei beigetragen.
Nachdem Kalbitz’ Mitgliedschaft wegen seiner Verbindungen zur verbotenen
Heimattreuen Deutschen Jugend annulliert wurde, gab es hinter den Kulissen
einen lang anhaltenden Grabenkampf zwischen zwei extrem rechten Fraktionen,
den letztlich das Lager um den Spitzenkandidaten Hans-Christoph Berndt für
sich entschied.
## Rechtsextremer Wahlkampf unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Inhaltlich ist das Lager um Berndt nicht weniger radikal. Ihr Auftreten ist
allerdings weniger breitbeinig und auf professionellere Außenwirkung
bedacht. Kalbitz hingegen war berüchtigt für Wutausbrüche und
Alkoholexzesse. Er schlug den heutigen Bundesvorstand Dennis Hohloch einmal
derart in die Magengegend, dass dieser mit einem Milzriss ins Krankenhaus
musste.
Mittlerweile sind die Reihen nach außen geschlossen: Der Landesvorsitzende
ist der Bundestagsabgeordnete René Springer, der frühere Büroleiter von
Alexander Gauland. Der lässt keine Gelegenheit verstreichen, um gegen
ausländische Sozialhilfeempfänger und Ukraineflüchtlinge zu hetzen. In
seinem Bundestagsbüro beschäftigt er einen ehemaligen Identitären. Dass die
Organisation auf der Unvereinbarkeitsliste steht, stört in der AfD 2024
kaum noch jemanden, in Brandenburg schon gar nicht.
Konsequenterweise begann Spitzenkandidat Berndt seinen Wahlkampf unter
Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen mit zahlreichen Rechtsextremisten
beim formal aufgelösten Institut für Staatspolitik des neurechten
Vordenkers Götz Kubitschek. Das ist ein weiterer rechtsextremer Thinktank
im AfD-Umfeld, der rechte Ideologie und Umsturzanleitungen publiziert –
unter anderem des österreichischen Identitären Martin Sellner.
Berndt warb dort nicht nur dafür, dass Brandenburg das unfreundlichste Land
für Migrant*innen werden wolle, sondern sprach sich auch dafür aus, das
System von innen zu bekämpfen: „Wir brauchen die Partei eben auch als
Instrument, um den Parteienstaat klein zu schneiden“, forderte Berndt. Er
ist nicht der Erste aus der AfD Brandenburg, der [2][die Abschaffung des
Parteienstaats fordert].
## „Neonationalsozialistisch beeinflusst“
Der ehemalige Labormediziner trat erst 2018 in die AfD ein, nachdem sie
bereits rechtsextrem dominiert war. Mit seinem flüchtlingsfeindlichen
Verein Zukunft Heimat hatte er rassistische Demonstrationen in Cottbus und
Umgebung durchgeführt, ebenso war er mehrfach bei Pegida aufgetreten.
Berndt ist auch gut in der neonazistischen Szene vernetzt. Er zählt sich
selbst zur völkischen Strömung der Partei und sitzt für die AfD seit 2019
im Landtag. Als Oppositionsführer empfahl er gegen Covid ein
Entwurmungsmittel für Pferde.
Ansonsten versprach die AfD wie gewohnt viel Uneinlösbares: Wie auch
zuletzt in Sachsen und Thüringen wolle man von Brandenburg aus „Initiativen
veranlassen“, um Frieden zwischen Russland und der Ukraine einzuleiten und
alle Sanktionen gegen Russland fallen zu lassen. Sonnen- und Windenergie
will die AfD abschaffen. Koalitionspartner für ihr „Programm“ hat die AfD
keine: Alle anderen Parteien schließen eine Kooperation mit ihr aus.
Und es verwundert nicht, dass der Verfassungsschutz Hans-Christoph Berndt
als rechtsextremistisch einstuft. Er hält seinen Verein für
„neonationalsozialistisch beeinflusst“, auch weil Berndt mit dem
[3][ehemaligen Neonazi Marcel Forstmeier] eng zusammenarbeitet.
Entsprechend überrascht es nicht, dass Berndt die „Remigrations“-Pläne von
Martin Sellner verteidigte – ebenso wie der Landesvorsitzende René
Springer: Millionenfache Abschiebungen seien „kein Geheimplan, sondern ein
Versprechen“.
18 Sep 2024
## LINKS
[1] https://www.opferperspektive.de/rechte-angriffe/statistik-brandenburg/aktue…
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-brandenburg-parteien…
[3] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-landesverband-vom-verfassung…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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