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# taz.de -- Treffen von AfD-Politikern mit Neonazis: Ratschlag über rechte Rev…
> AfD-Politiker und Neonazis diskutieren auf einem Seminar des Thinktanks
> „Metapol“ einen „Regime-Change“. Dabei: ein AfD-Kandidat aus Brandenb…
Tim Krause muss sich in der AfD nicht zurückhalten. Schon gar nicht in
Brandenburg. Er war Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, als er [1][im
November in der Villa Adlon in Potsdam am Lehnitzsee bei dem Treffen dabei
war, auf dem massenhafte Abschiebungen diskutiert wurden]. Doch die
Fraktion hielt zu ihm. Krause ist heute Beisitzer im Landesvorstand, Vize
in seinem Kreisverband, wurde im Juni in die Potsdamer
Stadtverordnetenversammlung gewählt und kandidiert nun für die anstehende
Landtagswahl am nächsten Sonntag. Einer seiner Programmpunkte:
„Remigration“.
In [2][Brandenburg gilt die AfD dem Verfassungsschutz als rechtsextremer
Verdachtsfall.] Alle Umfragen der letzten Monate sehen die AfD am Sonntag
dort als stärkste Kraft. [3][Die Correctiv-Berichterstattung] hat weder der
Partei noch Krauses persönlicher Karriere geschadet noch hat sie
anscheinend bei ihm zu einem Umdenken geführt. Im Gegenteil.
Erst am vergangenen Wochenende war Krause erneut auf einem klandestin
organisierten Treffen. Auch dies eine brisante Zusammenkunft: Krause und
weitere AfD-Politiker*innen diskutierten nichts Geringeres als eine
Revolution von rechts.
„Diese Revolution, im Sinne einer Umwälzung, einer Umkehr der bestehenden
Wertesysteme, wird kommen“, heißt es in der Ankündigung für das Treffen am
Samstag, den 14. September. Und weiter: „Die Geschichte zeigt, dass ein
nachhaltiger Regime-Change nur stattfinden kann, wenn es neben einer
‚anschlussfähigen‘ Massenorganisation auch eine geistig fundierte
Avantgarde gibt, die die brennenden Fragen anspricht und ernsthaft
beantwortet. Gehen wir es an!“
## Thinktank Metapol will rechtsextreme Elite schulen
Organisiert wurde die Zusammenkunft von dem rechten Thinktank Metapol. In
Kooperation mit dem [4][Medienkollektiv Recherche-Nord] hat die taz zu
Metapol und dem aktuellen Seminar recherchiert. Recherche-Nord dokumentiert
seit Jahren, wer hinter der Organisation steckt und zu deren
Veranstaltungen anreist.
Tim Krause war vergangenen Samstag nicht einfach nur ein Teilnehmer,
sondern er hat die ganze Veranstaltung moderiert. Ebenfalls angekündigt:
[5][Doris von Sayn-Wittgenstein, ehemalige Landesvorsitzende der AfD in
Schleswig-Holstein, die wegen rechtsextremer Kontakte aus der AfD fliegen
sollte] und mittlerweile im Kreisverband Rhein-Neckar organisiert ist.
Ein weiterer Referent: Erik Ahrens, Social-Media-Stratege und
verantwortlich für den Erfolg des AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah
auf Tiktok. [6][Ahrens machte zuletzt Schlagzeilen, weil er dafür warb,
sich mit „Rasseforschung“ zu beschäftigen].
Doris von Sayn-Wittgenstein war für die taz nicht zu erreichen. Erik Ahrens
ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet und reagierte stattdessen mit einem
Post auf der Plattform X, in dem er in diffamierender Absicht ein Foto des
Autors dieses Textes veröffentlichte und seine Follower fragte: „Wie
bewerten wir sein Aussehen, und was sagt das über seinen Charakter?“
Tim Krause erklärte auf Anfrage der taz: „Von angeblichen Plänen eines
politischen Umsturzes war während der Veranstaltung zu keinem Zeitpunkt die
Rede.“ Es ging um eine „geistig-moralische Wende, mitnichten eine
gewaltsame Veränderung des bestehenden politischen Systems“. Zu Beginn
seiner Moderation habe er explizit darauf hingewiesen, „dass ich mir
etwaige, dort dargebotene Positionen nicht zu eigen mache“, schrieb Krause.
„Dass unter den Gästen ‚Neonazis‘ oder ‚Rassisten‘ anwesend gewesen …
sollen, halte ich für abwegig.“
## Geheime Seminare mit bis zu 70 Teilnehmenden
Das Metapol-Seminar war exklusiv und jenseits der Öffentlichkeit
organisiert. Inhalt und Referenten wurden zwar vorher beworben, über den
Ort aber hieß es, er würde nur „auf Anfrage und nach Prüfung
herausgegeben“. Wer teilnehmen wollte, musste sich zudem „durch einen
Bürgen verifizieren lassen“.
Auf vergangenen Treffen, die Recherche-Nord dokumentierte, trugen
Anreisende teilweise schwarze Sturmhauben, verschwanden hinter
Sichtschutzwänden und klebten ihre Nummernschilder ab: Anhänger der
ehemaligen NPD, [7][der Jungen Nationalisten (JN)], vom Dritten Weg, den
Freien Sachsen, der AfD und [8][deren Jugendorganisation Junge
Alternative]. Die Seminare hatten bis zu 70 Teilnehmende.
Metapol will weniger in die Breite wirken, als eine Elite schulen, die das
tut. Dass die gesellschaftliche Stimmung sich mit der AfD und ihren Kadern
in den letzten Jahren immer weiter radikalisiert hat, liegt auch an einem
gezielten Wirken von Organisationen wie Metapol. Nur ein Beispiel: 2023 bot
Metapol auf der Strategiekonferenz der Jungen Alternative strategische
Beratung, ein Mitarbeiter hielt einen Vortrag.
In Publikationen, Schulungen, Seminaren arbeiten die Aktivisten im
Hintergrund daran, ihre Ideologie auch im „vorpolitischen Raum“ zu
verbreiten. Dieses Ansinnen heißt in der Sprache der Neuen Rechten
„Metapolitik“. Metapol trägt die Strategie im Namen. Der Thinktank ist zwar
nicht so bekannt, aber vergleichbar [9][mit dem ehemaligen Institut für
Staatspolitik des rechten Netzwerkers Götz Kubitschek in Schnellroda].
Wer sich Publikationen von Metapol anschaut, ahnt, wie eine „Revolution“
aussehen würde, über die am 14. September diskutiert wurde. Mehrere
Veröffentlichungen auf der Webseite bereiteten inhaltlich das Treffen vor.
So referiert der Autor Ernst Rahn, der als „militärisch versierter
Stratege“ vorgestellt wird, was von dem preußischen Generalmajor von
Clausewitz an militärischer Strategie für den heutigen politischen Kampf zu
lernen sei.
In einem eigenen Beitrag befasst sich die Metapol-Redaktion mit
Ausführungen von einem der Anführer der Identitären Bewegung, Martin
Sellner, und dem von ihm formulierten Hauptziel der Rechten: dem „Erhalt
der ethnokulturellen Identität“.
Auch Erik Ahrens konkretisierte seine Ideen. Unter dem Titel „Rechte
Weltanschauung und der Weg zur Macht“ spricht er unter anderem von einem
„Kampf um das Überleben der eigenen Rasse“ und einer „Rasse als
Fortpflanzungsgemeinschaft“. Ahrens, so geht es aus seinen Ausführungen
hervor, lehnt „Projekte wie eine millionenfache Remigration“ nicht ab, hält
nur die Zeit dafür noch nicht gekommen.
Auf eine Anfrage der taz kam von Metapol eine Antwort ohne Verfasser. Auf
Verbindungen in die neonazistische Szene ging man darin nicht ein, ebenso
wenig darauf, ob die massenhafte Ausweisung deutscher Staatsbürger Teil des
Plans einer Revolution sei.
Bezüglich des Seminars letzten Samstag wies Metapol die Vorwürfe zurück, es
habe sich um ein konspiratives Treffen gehandelt, auf dem ein Systemsturz
geplant worden sei: Das Seminar sei öffentlich beworben worden und daher
keinesfalls konspirativ. „Zudem ist ihre offenbar bewusste Umdeutung des
Begriffes ‚Umwälzung‘ in ‚Umsturz‘ eine infame Unterstellung“, heiß…
der E-Mail. „MetaPol strebt keinerlei Umsturz an, sondern weist in
analytischer Absicht lediglich darauf hin, dass die bestehenden
Verhältnisse revolutionären bzw. vorrevolutionären Charakter erhalten und
der Verlag daher eine Revolution erwartet.“
## Beiträge von Rassisten und russischen Neofaschisten
Seit 2017 organisieren die Aktivisten Veranstaltungen und füllen ein
eigenes Blog. Die Zeitschrift Agora Europa, die Metapol herausgibt,
publiziert unter anderem Beiträge des [10][russischen Neofaschisten
Alexander Dugin, der den Putin’schen Imperialismus philosophisch
unterfüttert], sowie des Rassisten Alain de Benoist, der den Begriff des
„Ethnopluralismus“ geprägt hat – einen Euphemismus für eine rassistisch
aufgeteilte Welt.
In ihrer Verlagsreihe „Areopag“ veröffentlicht Metapol ein Buch des Autors
Johannes Scharf, ein Pseudonym von Jonathan Stumpf. Dieser vertritt die
rassistische Ansicht, dass die „weiße Rasse“ durch den Aufbau eines „wei…
Ethnostaats“ gerettet werden müsse.
Akteure von Metapol haben oder hatten Verbindungen zur neonazistischen
Szene, zur JN und der NPD (heute: Die Heimat). Dazu zählt unter anderem
Pierre Dornbrach. [11][Dornbrach war Bundesschulungsleiter der
NPD-Nachwuchsorganisation JN], war deren stellvertretender
Bundesvorsitzender [12][und trat unter anderem auf Naziaufmärschen wie dem
„Tag der deutschen Zukunft“ als Redner] auf. Dornbrach ist Mitarbeiter bei
Metapol und veröffentlicht dort als Autor unter dem Pseudonym „Peter
Steinborn“.
Auf Anfrage der taz erklärte Dornbrach, er sei kein Mitglied irgendeiner
Partei- oder Jugendorganisation oder irgendeiner anderen politischen
Organisation. Aus der JN/NPD sei er vor vielen Jahren ausgetreten und
pflege keine Aktivitäten in selbigen oder in angegliederten Strukturen.
„Zudem weise ich Unterstellungen, ich würde Umsturzpläne befürworten oder
gar selber Veranstaltungen durchführen, auf denen solche Bestrebungen – die
gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet sind –, geplant
werden, aufs Schärfste zurück.“
Bis 2019 zeichnete Roy Grassmann für die Webseite von Metapol
verantwortlich. Grassmann war ehemals für die NPD aktiv, trat später als
„Survival-Experte“ für Compact-TV auf und ist heute Reporter des
rechtsextremen Senders AUF1 in Berlin. [13][Wie die taz im August
berichtete, wurde er in Berlin beim Kampfsporttraining zusammen mit Kadern
der neonazistischen Partei Dritter Weg beobachtet.] Grassmann war für eine
Anfrage der taz nicht zu erreichen.
Laut einer [14][Einschätzung des Verfassungsschutzes in Brandenburg von
2018 handelt es sich bei den Metapol-Aktivisten um „zumeist in ihren
Parteien gescheiterte Neonationalsozialisten]“ und ehemalige Mitglieder der
Identitären Bewegung Deutschlands, die teilweise völkische Ansichten
diskutierten.
Lotta Kampmann, Rechtsextremismus-Expertin von [15][Recherche-Nord],
erklärt: Metapol versuche, verschiedene extrem rechte Strömungen – von der
AfD bis hin zu offen nationalsozialistischen Gruppen – an einen Tisch zu
bringen. Bei ihren klandestin durchgeführten Schulungsveranstaltungen und
Seminaren propagierten sie Strategien und Taktiken für den von ihnen
ersehnten Regime-Change. „Sie sehen sich dabei als selbsternannte radikale
Elite“, sagt Kampmann. Letztendlich aber sei es „ein Zusammenschluss
organisierter Neonazis“, denen es nur um eines gehe: „die völkische
Revolution“.
Anm. d. Red.: Wir haben den Text an einer Stelle korrigiert. Das Treffen in
der Villa Adlon in Potsdam, auf dem der AfD-Politiker Tim Krause anwesend
war, fand im November 2023 statt (und nicht im Januar). Das Rechercheportal
Correctiv hatte im Januar berichtet.
18 Sep 2024
## LINKS
[1] /Rechtes-Geheimtreffen-in-Potsdam/!5985429
[2] /Wahlkampf-der-AfD-Brandenburg/!6034280
[3] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigrati…
[4] https://www.recherche-nord.com/
[5] /AfD-Erfolg-bei-Kommunalwahl-im-Norden/!5933511
[6] https://www.bild.de/politik/inland/afd-partei-stratege-erik-ahrens-entsetzt…
[7] /Neonazis-feiern-Sonnenwende/!6014916
[8] /AfD-plant-Reform-ihrer-Jugendverbaende/!6032796
[9] /Rechtsextremes-Sommerfest-in-Schnellroda/!6023507
[10] /Der-russische-Faschist-Alexander-Dugin/!5836919
[11] https://www.endstation-rechts.de/news/andy-knape-ubernimmt-jn-bundesvorsitz
[12] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/die-rechte-szene-vereint-i…
[13] /Rechtsextreme-auf-Berliner-Sportplaetzen/!6028794
[14] https://mik.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/VSB%202018_web.pdf
[15] https://www.recherche-nord.com/
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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