| # taz.de -- Correctiv-Journalist über den Rechtsruck: „Nicht nur Fake News, … | |
| > Vor einem Jahr erschien die Correctiv-Recherche zum | |
| > Rechtsextremen-Treffen in Potsdam. Mit-Autor Jean Peters darüber, was | |
| > sich seither verändert hat. | |
| Bild: Verfassungsfeindlicher Begriff wird Wahlkampf-Slogan: Sitzhocker beim Lan… | |
| taz: Herr Peters, warum ist investigativer Journalismus für die Demokratie | |
| wichtig? | |
| Jean Peters: Investigativer Journalismus klärt auf. Ohne gute Aufklärung | |
| kann eine demokratische Gesellschaft sich nicht gut organisieren, | |
| orientieren und Schlüsse ziehen. Aber es braucht ein Umdenken. Wir haben | |
| uns zu lange auf [1][Fake News] und das Aufdecken direkter Lügen | |
| konzentriert und zu wenig auf Fake Politics. Um es zugespitzt zu sagen: | |
| Donald Trump zählt zu den glaubwürdigsten Politiker*innen unserer | |
| Zeit. Warum? Wenn [2][Olaf Scholz sagt: „Tax the Rich“], dann glaubt ihm | |
| kein Mensch. Wenn Donald Trump sagt: „Ich steige aus der Nato aus“, dann | |
| [3][glauben wir ihm.] Und da müssen wir ran als journalistische Zunft, Fake | |
| Politics entlarven. | |
| taz: Die Veröffentlichung der [4][Correctiv-Recherche „Geheimplan gegen | |
| Deutschland“] jährt sich diesen Freitag. Was hat sich seitdem verändert? | |
| Peters: Unheimlich viel: es haben sich bundesweit Gruppen gebildet, von | |
| Jurist*innen und von Aktivist*innen. Das gab es alles natürlich schon | |
| vorher, aber die [5][Bewegung für die Demokratie und gegen | |
| Rechtsextremismus] wurde auf vielen Ebenen gestärkt. | |
| taz: Gibt es etwas, das Sie gern anders gemacht hätten? | |
| Peters: Gewünscht hätte ich mir ein viel größeres Team und viel mehr | |
| Ressourcen, um das alles zu tragen und auszuhalten. Also kurz gesagt: Ich | |
| hätte nichts grundsätzlich anders gemacht. Aber ich muss schon sagen, es | |
| ist ganz schön zermürbend, zu Rechtsextremismus zu recherchieren. | |
| taz: Nach der Veröffentlichung haben Sie viele Drohungen und Hasskommentare | |
| erreicht. | |
| Peters: Ich glaube, deshalb habe ich den Wunsch, das alles in Zukunft auf | |
| noch mehr Schultern der Gesellschaft zu verteilen. Je mehr Menschen es | |
| machen, desto weniger werden Einzelne eingeschüchtert. | |
| taz: Sie wünschen sich mehr investigative Recherche zu diesem Thema? | |
| Peters: Genau. Jede redaktionelle Entscheidung, die sagt: „Wollen wir | |
| vielleicht doch noch mal eine große Reportage über das Privatleben eines | |
| Fußballers machen?“, ist für mich eine Enttäuschung. | |
| taz: Auch wenn es jetzt wieder weniger Demos gegen Rechts gibt: Glauben sie | |
| die Empörung in den Köpfen ist geblieben? | |
| Peters: Die psychologischen Prozesse dahinter sind komplex. Aber kurz: | |
| Große Bewegungen und auch Revolutionen kann man historisch immer nur | |
| retrospektiv erklären. Es bringt überhaupt nichts, wenn wir sagen: „Guck | |
| mal, jetzt sind alle nicht mehr so laut.“ Das sind Dynamiken, die wir nicht | |
| messen können. Es kann sich manchmal so schnell etwas ändern, zum Guten wie | |
| zum Schlechten. Ich würde allen empfehlen, sich an Optimismus zu halten und | |
| weiterzumachen. Pessimistisch zu sein heißt für mich faul zu sein. | |
| taz: Vor kurzem gab es eine weitere [6][Investigativ-Recherche zu einem | |
| Treffen von AfD-Politiker*innen mit Neonazis]. Waren die Reaktionen da | |
| anders? | |
| Peters: Es gibt viel weniger Reaktionen, das ist der Normalisierungseffekt. | |
| Das ist aber auch nicht verwunderlich. Ein wichtiges Ergebnis der Recherche | |
| und auch ein Thema in meinem Vortrag ist das Ringen um den Begriff | |
| „Remigration“, das bei der AfD gerade stattfindet. Sie versuchen, den | |
| Begriff zu überfüllen, um ihn damit wieder zu entleeren. | |
| taz: Erklären Sie das bitte genauer. | |
| Peters: Der Begriff Freiheit zum Beispiel kann alles bedeuten und dadurch | |
| auch wieder nichts. Das meine ich mit Überfüllen und Leeren. Wir haben | |
| letztes Jahr enttarnt, dass der Begriff der „Remigration“ im Kontext der | |
| AfD ein völkischer und meiner Meinung nach verfassungsfeindlicher Begriff | |
| ist. Das wurde auch von Gerichten anerkannt. Für die AfD ist das natürlich | |
| ein Problem, wenn sie damit plakatiert. Deswegen sind sie gerade dabei zu | |
| sagen: „Wir meinen doch nur…“. Ziel ist also, den Begriff im Diskurs zu | |
| halten und gleichzeitig zu sagen: „Wir meinen damit wirklich nur alles | |
| Legale.“ | |
| 7 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marie Dürr | |
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