| # taz.de -- Angriff auf den Sozialstaat: Nicht die Butter vom Brot nehmen | |
| > „Rente oder Rüstung?“ wird zur zentralen Frage. Doch die Attacken auf den | |
| > Sozialstaat lenken davon ab, dass auch ein Gegenangriff möglich wäre. | |
| Bild: Fuests Faustregel: Abwehrkanone statt Aufstrich (Symboldbild) | |
| Wussten Sie, dass es im Schlaraffenland schweres Geschütz gibt? Clemens | |
| Fuest, der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts IFO, saß am | |
| Donnerstag bei Maybrit Illner. Dort verkündete er ohne Scham, dass | |
| Deutschland seinen Sozialstaat zusammenkürzen müsse, um die [1][Aufrüstung] | |
| zu bezahlen. Wörtlich sagte er: „Kanonen und Butter, es wäre schön, wenn | |
| das ginge, aber das ist Schlaraffenland, das geht nicht.“ | |
| Findige Internetuser machten sofort darauf aufmerksam, dass Fuest damit | |
| Nazipropaganda ausspreche, denn der Gegensatz von Butter und Kanonen kam | |
| gerne in Reden von Hess und Goebbels vor. | |
| Dass Ökonomen Naziparolen von sich geben, ist ekelhaft, aber wir sollten | |
| uns nicht von der Symbolebene ablenken lassen. Denn was hier vorgespurt | |
| wird, ist ein Angriff auf den Sozialstaat und die Lebensbedingungen der | |
| Mehrheit. | |
| In derselben Sendung schlug Finanzminister Lindner vor, die | |
| Sozialleistungen drei Jahre lang einzufrieren. Auch von ganz oben kommen | |
| solche Töne. Die meisten würden verstehen, wenn man nach dem Auslaufen des | |
| Sondervermögens an anderer Stelle sparen müsse, um den Wehretat zu | |
| finanzieren, [2][sagte Kanzler Scholz kürzlich der Süddeutschen Zeitung]. | |
| ## Wir werden dafür bezahlen | |
| In seiner wöchentlichen Videobotschaft äußerte Scholz dann dieses | |
| Wochenende: „Die wichtigsten Waffensysteme und vor allem auch Munition | |
| müssen kontinuierlich vom Band laufen.“ Das freut die Aktienmärkte. Seit | |
| der Zeitenwende hat sich der Börsenwert des Waffenherstellers Rheinmetall | |
| vervierfacht. Wer wird die Gewinne der Rüstungsunternehmen und die | |
| Dividenden ihrer Anleger bezahlen? | |
| Sie und ich werden das bezahlen. Die Aufrüstung wird eine Umverteilung von | |
| unten nach oben werden. Wir werden es bezahlen mit geringeren Renten, | |
| längerer Lebensarbeitszeit und schlechterer Absicherung von | |
| Arbeitslosigkeit und Armut, was dazu führen wird, dass mehr Leute gezwungen | |
| sind, schlechte Arbeitsbedingungen oder zu niedrige Löhne zu akzeptieren. | |
| Denn man darf nicht vergessen, dass der Sozialstaat keine milde Gabe ist, | |
| sondern ein Mittel, die Verhandlungsmacht der arbeitenden Mehrheit | |
| gegenüber den Bossen zu stärken. Darum hassen die Lindners und Fuests den | |
| Sozialstaat. Und deswegen benutzen sie jede Ausrede, um ihn anzugreifen, | |
| der [3][russische Angriff auf die Ukraine] ist da willkommene Gelegenheit. | |
| Die Gegenüberstellung von Rüstung und Rente konstruiert ohnehin eine | |
| falsche Alternative. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich | |
| Aufrüstung und Sozialstaat nicht gegenseitig ausschließen müssen. Im Kalten | |
| Krieg gab die BRD für den Wehretat zu Spitzenzeiten fast 5 Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts aus. Trotzdem wurde damals der Sozialstaat rapide | |
| ausgebaut. | |
| ## Kapitalgewinne besteuern wie Arbeit | |
| Es ist offensichtlich also möglich, sowohl einen aufgeblähten | |
| Militärapparat als auch einen starken Sozialstaat zu finanzieren, ohne dass | |
| wir bluten müssen. (Ob Aufrüstung in dem Ausmaß heute überhaupt sinnvoll | |
| ist, wäre auch noch zu diskutieren, aber das soll an anderer Stelle | |
| geschehen.) | |
| Saskia Esken widersprach in den Blättern der Funke Mediengruppe ihrem | |
| Kanzler: „Die Sozialdemokratie steht nicht dafür bereit, die soziale | |
| Sicherheit zu beschneiden, um notwendige Ausgaben für Sicherheit und | |
| Verteidigung zu finanzieren“, sagte sie. Die Grünen wiederum verweisen auf | |
| die Möglichkeit weiterer Sondervermögen oder eine [4][Aussetzung der | |
| Schuldenbremse]. Schon wieder ein falscher Gegensatz: Schmerzhafte | |
| Sparrunden oder Schulden. Dabei kann sich der Staat das Geld, das er | |
| braucht, auch einfach holen. Darauf verweist auch Esken. | |
| Als Allererstes sollte man die bizarre Bevorteilung von Beamten und | |
| Spitzenverdienern beenden, die aus der Solidargemeinschaft entlassen sind. | |
| In Österreich oder der Schweiz zahlen alle ins Rentensystem ein, sodass es | |
| auch der [5][Umverteilung von oben nach unten] dient. Vermögensabgabe, | |
| Erbschaftssteuer und eine Reform der regressiven Steuerprogression würden | |
| ebenfalls Milliarden einbringen, die man dringend benötigt, um gegen die | |
| Armut im Land vorzugehen. | |
| Und wenn an den Börsen wegen Rheinmetall und Co. die Korken knallen, warum | |
| nicht endlich Kapitalgewinne mindestens so hoch besteuern wie Arbeit? Statt | |
| das Thema Aufrüstung den Sparfetischisten zu überlassen, könnte es endlich | |
| Gelegenheit sein, diejenigen zur Kasse zu bitten, die viel zu lange ihren | |
| Beitrag nicht geleistet haben. | |
| 26 Feb 2024 | |
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| [1] /Bilanz-Muenchner-Sicherheitskonferenz/!5990301 | |
| [2] https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/politik/scholz-putin-atomwaffe… | |
| [3] /Zwei-Jahre-Krieg-gegen-die-Ukraine/!5991716 | |
| [4] /Oekonom-ueber-die-Schuldenbremse/!5982979 | |
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| ## AUTOREN | |
| Caspar Shaller | |
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