| # taz.de -- Altervorsorge in Deutschland: Ginge es auch gerecht? | |
| > Fragen und Antworten zum deutschen Rentensystem und zu seiner | |
| > Finanzierung – und was die Alternativen wären. | |
| Bild: Rentner:innen genießen ihren Ruhestand an einem Strand auf Fuerteventura | |
| Wie stark ist der Handlungsdruck bei der Rente? | |
| Der Handlungsdruck bei der Rente ist hoch, weil in den nächsten Jahren die | |
| Generation der sogenannten [1][Babyboomer] (geboren 50er und 60er Jahre) in | |
| Rente geht und sich dadurch das Verhältnis von Einzahler:innen in die | |
| Rentenversicherung und Rentenempfänger:innen verschiebt. Dieses | |
| Verhältnis spielt auch in der Rentenformel eine Rolle. Laut dem aktuellen | |
| [2][Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung] würde, wenn nichts | |
| passiert, das Rentenniveau von derzeit rund 48,2 Prozent bis zum Jahre 2037 | |
| auf 45 Prozent sinken. Dieses Rentenniveau bezeichnet das Verhältnis des | |
| durchschnittlichen Nettoverdienstes zur Nettorente vor Steuern, wenn jemand | |
| 45 Jahre gearbeitet hat. Gleichzeitig könnte der Beitragssatz von heute | |
| 18,7 Prozent des Bruttolohnes auf dann 21,1 Prozent steigen. | |
| Könnte man das Rentensystem nicht künftig nur durch Steuerzuschüsse | |
| stabilisieren? | |
| Bisher werden schon erhebliche steuerliche Mittel aus dem Bundeshaushalt in | |
| die Rentenkasse gezahlt, nämlich mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr. | |
| Passiert nichts, müssten diese steuerlichen Zuschüsse in den nächsten | |
| Jahren weiter erheblich steigen. Die Steuermittel müssten vor allem durch | |
| die Generation der Erwerbstätigen aufgebracht werden. Es sei denn, man | |
| erhebt oder erhöht mehr [3][Steuern auf Vermögen] und Erbschaften. | |
| Vermögensteuern würden Ältere mehr heranziehen, weil diese über mehr Besitz | |
| verfügen. | |
| Warum kann man nicht alle Erwerbstätigen in das Rentensystem einzahlen | |
| lassen, also auch Selbstständige und Beamte, und damit die Finanzprobleme | |
| lösen? | |
| [4][Hubertus Heil] hat am Dienstag bekräftigt, dass künftig auch, wie im | |
| Koalitionsvertrag festgehalten, Selbstständige in die Rentenversicherung | |
| einbezogen werden sollen, wenn sie nicht eine ausreichende private | |
| Altersvorsorge betreiben oder etwa über berufliche Versorgungswerke | |
| abgesichert sind, wie etwa Rechtsanwälte oder Architekten. Das bedeutet | |
| allerdings, dass Selbstständige mit geringen Einkünften einen nicht | |
| unerheblichen Teil ihres Einkommens in eine Altersvorsorge einzahlen | |
| müssen, was heikel sein kann für Selbstständige mit prekärer | |
| Einkommenslage. | |
| Bezöge man Beamt:innen in die Rentenkasse ein, entstünden schlagartig | |
| sehr hohe Kosten für die öffentlichen Kassen, denn sie müssten dann ab | |
| sofort die Beiträge aufbringen. Die Pensionen für die Beamt:innen | |
| werden derzeit ja erst mit Eintritt des Ruhestandes für die öffentlichen | |
| Kassen fällig. Nicht zuletzt ist bei Beamt:innen die Lebenserwartung | |
| relativ hoch, langfristig würden sie die Rentenversicherung also nicht | |
| ent-, sondern belasten. In anderen Ländern allerdings gibt es den | |
| Beamtenstatus nicht, etwa in Österreich, was sich positiv im Rentensystem | |
| auswirkt. | |
| Könnte man nicht die niedrigen Renten für Menschen in belastenden | |
| Verschleißberufen stabil halten und nur höhere Renten, etwa in Büroberufen, | |
| deckeln, um das Rentensystem in Zukunft stabil zu halten? | |
| Das Rentensystem ist ungerecht: Gutverdiener:innen haben am Ende nicht | |
| nur höhere monatliche Ruhestandsbezüge, sondern auch eine höhere | |
| Lebenserwartung, um diese Zeit zu genießen. Beamt:innen etwa leben im | |
| Schnitt mehr als vier Jahre länger als Arbeiter:innen, auch Angestellte | |
| leben länger als Arbeiter:innen, zeigen Zahlen des Deutschen Instituts für | |
| Wirtschaftsforschung (DIW). Das oft geforderte [5][höhere | |
| Ruhestandseintrittsalter] würde gering verdienende Menschen in | |
| Verschleißberufen daher erst recht benachteiligen: Sie hätten mit der | |
| später einsetzenden Rente noch weniger von ihrem Ruhestand. | |
| Die Frage stellt sich, wie und ob man „Verschleißberufe“ näher definieren | |
| könnte, um sie rentenrechtlich besser abzusichern. In Österreich hat man | |
| einmal eine sogenannte Schwerarbeiterpension eingeführt, die den | |
| Kalorienverbrauch bei der Arbeit als Maßstab für die Belastung nimmt. | |
| Nervliche Belastungen und persönliche Gesundheitszustände aber kann man | |
| damit nicht erfassen. | |
| Man könnte allerdings einen früheren Ruhestandseintritt für manche | |
| belastenden Berufe definieren. Damit könnte man Mangelberufe, etwa in der | |
| Pflege, attraktiver machen, wenn darin schon ein Ruhestand oder eine | |
| auskömmliche Erwerbsminderungsrente etwa ab 60 möglich wäre. Denn gerade | |
| Frauen in Care-Berufen sind von Verschleiß und niedrigen Rentenansprüchen | |
| betroffen, wie der [6][Equal Pay Day] jetzt wieder zeigte. | |
| Könnte man nicht für Niedrigverdiener:innen generell bessere Renten | |
| festlegen und für Hochverdiener:innen die Renten beschränken? | |
| Das wird ansatzweise in der staatlichen [7][Rente in der Schweiz] gemacht. | |
| Dort zahlen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen einen | |
| bestimmten Prozentsatz vom Einkommen in die staatliche Rentenkasse ein, es | |
| gibt keine Beitragsbemessungsgrenze wie in Deutschland. Die ausgezahlte | |
| Rente ist gedeckelt, Hochverdiener:innen zahlen also relativ mehr ein, | |
| als sie herausbekommen. Dies betrifft allerdings nur einen kleinen Teil der | |
| Altersvorsorge in der Schweiz. Ein solches Umverteilungselement einzubauen | |
| würde in Deutschland den Abschied vom Äquivalenzprinzip bedeuten. Bisher | |
| hat sich noch keine Partei in der Regierung da herangewagt. Im Ansatz | |
| steckt etwas Umverteilung in der „Grundrente“, die bei | |
| Niedrigverdiener:innen die Rente aufstockt. | |
| 5 Mar 2024 | |
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| [1] /taz-Talk-ueber-Boomer-mit-Heinz-Bude/!5992489 | |
| [2] https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rente/rentenversicherungsberich… | |
| [3] /Vorstoss-zu-Vermoegenssteuer/!5887251 | |
| [4] /Der-Buergergeld-Rap/!5983579 | |
| [5] /Sozialwissenschaftler-ueber-Rente-mit-70/!5902143 | |
| [6] /Gender-Pay-Gap-in-der-EU/!5973154 | |
| [7] /Volksinitiative-in-der-Schweiz/!5993532 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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