# taz.de -- Ampel stellt neues Rentenpaket vor: Unsichere Wette auf die Zukunft | |
> Die Ampel will das Rentenniveau sichern und dafür einen Fonds an den | |
> Kapitalmärkten einrichten. Gewerkschaften und Finanzexperten sind | |
> skeptisch. | |
Bild: Na sicher: die DAX-Kurve an der Börse in Frankfurt am Main | |
BERLIN taz | Bundesfinanzminister [1][Christian Lindner] (FDP) klang wie | |
der Anlageberater einer Sparkasse. Einen „Lerneffekt“ einzuleiten bei | |
Millionen Menschen in Deutschland, dafür böte das neue | |
„Generationenkapital“ eine „Chance“, sagte er. Es dürfe nicht fortgese… | |
werden, dass wir „im Vergleich zu anderen Ländern zu wenig auf die privaten | |
Kapitalmärkte“ vertrauen. Der am Dienstag vorgestellte Gesetzentwurf für | |
das Rentenpaket II enthält erstmalig das „Generationenkapital“, eine | |
Stiftung, mit der ein Kapitalstock eingerichtet werden soll, dessen Rendite | |
die Rentenkasse langfristig entlasten soll. | |
Lindner und Arbeitsminister [2][Hubertus Heil] (SPD) stellten den gemeinsam | |
erarbeiteten Gesetzentwurf am Dienstag vor. Hauptpunkte sind die | |
Stabilisierung des durchschnittlichen [3][Rentenniveaus] bis zum Juli 2039 | |
auf 48 Prozent des Durchschnittseinkommens und die Einführung des | |
„Generationenkapitals“. | |
Nach geltendem Recht und ohne das Rentenpaket II würde das Niveau | |
langfristig sinken, und das wäre „gerade gegenüber den heute jungen | |
Beschäftigten unfair, die für ihre Beiträge weniger Rente bekommen würden�… | |
sagte Heil. Ohne die Stabilisierung auf 48 Prozent, was in etwa dem | |
bisherigen Niveau entspricht, würde beispielsweise eine heute 49-jährige | |
Krankenschwester mit einem Bruttolohn von 3.100 Euro zu Rentenbeginn im | |
Jahre 2040 rund 1.100 Euro weniger im Jahr an Rente bekommen, rechnete Heil | |
vor. Rentenanpassungen sind bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt. | |
Allerdings wird laut dem Gesetzentwurf der Beitragssatz zur | |
Rentenversicherung, den Beschäftigte und Arbeitgeber anteilig zahlen, | |
dennoch langfristig steigen, und zwar von derzeit 18,6 Prozent des | |
Bruttolohns auf 22,3 Prozent im Jahre 2035. | |
## Bund zahlt 12 Milliarden Euro ein | |
Dank des „Generationenkapitals“ soll der Beitragssatz dann bis 2045 stabil | |
bleiben. Den Plänen zufolge soll dieser Fonds bis zum Jahr 2036 auf 200 | |
Milliarden Euro aufgestockt werden, durch jährliche Einzahlungen des | |
Bundes, die mit 12 Milliarden Euro in diesem Jahr beginnen. Die Gelder aus | |
dem Fonds sollen „langfristig und breit diversifizierend“ (Lindner) | |
angelegt werden und dann ab 2036 „erste Ausschüttungen“ aus dem Fonds | |
erfolgen. Mit diesen Ausschüttungen in Höhe von rund 10 Milliarden Euro pro | |
Jahr soll dann die Rentenkasse bezuschusst werden, sodass der Beitragssatz | |
trotz der demografischen Entwicklung stabil bleibt. Der Kapitalstock soll | |
durch eine Stiftung „Generationenkapital“ verwaltet werden, was es | |
unmöglich macht, dass eine Bundesregierung in späteren Jahren sich dieser | |
Gelder zur Stopfung von Haushaltslöchern bedient. | |
Woher die 200 Milliarden Euro bis zum Jahre 2036 genau kommen, dazu machte | |
Lindner eine besondere Rechnung auf: Das Geld für den Kapitalstock soll | |
unter anderem von Darlehen aus dem Bundeshaushalt und aus der Übertragung | |
von Eigenmitteln vom Bund zusammenkommen. Für die Darlehen nimmt der Bund | |
neue Kredite auf. Sie werden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. | |
Aus den Erlösen des „Generationenkapitals“ müssen aber erst mal die Zinsen | |
für die Schulden erwirtschaftet werden, die der Bund zum Aufbau ebendieses | |
Kapitalstocks aufgenommen hat. Nur wenn die Renditen aus dem | |
Generationenkapital die Zinszahlungen wegen dieser Darlehen übersteigen, | |
gibt es überhaupt Erträge, die man an die Rentenkasse weiterreichen kann. | |
Lindner betonte am Dienstag, die Zinsen für Kapitalanlagen lägen „deutlich | |
über den Zinsen, die wir für Staatsdarlehen bezahlen müssen“. Mit den | |
Zuschüssen aus dem Generationenkapital solle in der Zukunft ein | |
Beitragssatzanstieg um weitere 0,3 Prozentpunkte verhindert werden. | |
Die Sozialverbände und die Gewerkschaften begrüßten die Stabilisierung des | |
Renteniveaus, zeigten sich aber skeptisch beim Generationenkapital. Die IG | |
Metall bezeichnete dies als „Schritt ins Ungewisse“. Es sei eine | |
„kreditfinanzierte Wette auf unklare Erträge in der Zukunft“, so | |
IG-MetallVorstand Hans-Jürgen Urban. Der Ökonom Bernd Raffelhüschen sagte | |
dem Portal The Pioneer, ein kreditfinanziertes Besparen von Aktien könne | |
durch die Schuldenlast keine nennenswerte Rendite erwirtschaften, | |
„vielleicht 1 Prozent und das ist bei Weitem nicht genug, um das | |
Rentensystem zu stützen“. Jochen Pimpertz vom arbeitgebernahen Institut der | |
Deutschen Wirtschaft (IW) erklärte, ob das Generationenkapital für | |
substanzielle Entlastung sorgen könne, „steht in den Sternen“. | |
5 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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