# taz.de -- Klimaschädliche Subventionen: Plastik, Flüge und Diesel | |
> Der Budgetpakt von Rot-Grün-Gelb belastet Verbraucher und Landwirte. Aber | |
> er erfüllt, was Umweltschützer fordern. | |
Bild: Bauern erhalten pro Wirtschaftsjahr etwa 2.900 Euro Dieselsubventionen. D… | |
BERLIN taz | Nachdem am Mittwochmorgen weißer Rauch über dem Kanzleramt | |
aufgestiegen war, rauchten am Donnerstag nach der Einigung die Köpfe in den | |
Ministerien. Sie müssen die groben Vorgaben der Ampelspitze jetzt in | |
konkrete Lösungen übersetzen. | |
Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und | |
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatten unter anderem beschlossen, | |
dass der Bund nicht länger die [1][Plastikabgabe] an die EU zahlt. Die ist | |
seit 2021 auf nicht recycelte Kunststoffe fällig. Pro Jahr sind das etwa | |
1,4 Milliarden Euro. | |
Das Finanzministerium muss nun entscheiden, wer die Abgabe künftig | |
übernehmen soll. Laut Koalitionsvertrag wären das die „Inverkehrbringer“ | |
von Kunststoffverpackungen, also etwa Hersteller von Käse, die ihr Produkt | |
eingeschweißt im Kühlregal anbieten. | |
Der Lobbyverband Plastics Europe ist – nicht überraschend – gegen die | |
Abgabe. Dem Umweltschutz sei damit nicht geholfen: „Die Hersteller werden | |
den Anteil von Kunststoff in ihren Verpackungen reduzieren und verwenden | |
etwa mehr beschichtete Pappe und Papier“, sagt Hauptgeschäftsführer Ingemar | |
Bühler. Die sei in der Produktion nicht umweltfreundlicher und lasse sich | |
schlechter recyceln. | |
## Keine Begünstigungen mehr für Agrardiesel | |
Laut der Zentralen Stelle Verpackungsregister, die das Recycling von | |
Verpackungen in Deutschland überwacht, lassen sich allerdings auch | |
Verbundverpackungen inzwischen mit hochwertiger Technik recyceln. | |
Problematisch seien Verpackungen aus Bambus, Holz, Jute, Keramik oder Kork. | |
Bambus statt Kunststoff – das wäre also keine gute Lösung. | |
Auch der Bauernverband übt Kritik an den Ampelbeschlüssen. Denn | |
[2][Steuerbegünstigungen für den Agrardiesel] sollen gestrichen werden. | |
Bisher können sich die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft einen Teil | |
der für ihren Kraftstoffverbrauch gezahlten Energiesteuer zurückerstatten | |
lassen. Der vergünstigte Sprit etwa für Trecker und Mähdrescher kostet den | |
Staat laut Haushaltsplan 440 Millionen Euro pro Jahr. | |
Die Streichung wäre „eine Kampfansage an die deutsche Landwirtschaft und an | |
uns Bauernfamilien“, sagte Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied. Sie | |
würde die Landwirte im europäischen Wettbewerb „stark schwächen“ und die | |
Lebensmittel „deutlich“ verteuern. Auch Bundesagrarminister Cem Özdemir | |
(Grüne) verwies auf Dieselsubventionen anderer EU-Länder an ihre Bauern. | |
Dabei fordert das Umweltbundesamt schon seit Jahren, die | |
Steuervergünstigung abzubauen. „Das Agrardieselprivileg steht im | |
Widerspruch zum Ziel des Klimaschutzes, da es fossile Energieträger | |
subventioniert und die ökonomischen Anreize zu einem effizienten Einsatz | |
der Energieträger stark verringert“, so die Behörde. Eine Untersuchung im | |
Auftrag des Finanzministeriums habe zudem ergeben, dass die Zahlungen „nur | |
in geringem Maße“ die Bauern im globalen Wettbewerb stärken würden. | |
„Eine höhere effektive Steuerbelastung haben beispielsweise Landwirte und | |
Landwirtinnen in den Niederlanden und Polen“, räumt das Agrarministerium | |
ein, auch wenn Bauern etwa in Frankreich und Spanien weniger Dieselsteuer | |
zahlen als in Deutschland. Aber: Der durchschnittliche Haupterwerbsbetrieb | |
in Deutschland erhielt im gesamten Wirtschaftsjahr 2020/21 nur rund 2.900 | |
Euro Agrardieselvergütung. So steht es im aktuellen agrarpolitischen | |
Bericht der Bundesregierung. Ohne die Subvention würde wohl kaum ein Hof | |
aufgeben oder die Preise stark erhöhen müssen. | |
## Steuer auf inländische Flüge | |
Weiteres Geld will die Bundesregierung offenbar mit einer | |
[3][Kerosinsteuer] für innerdeutsche Flüge eintreiben. Bekannt ist bisher | |
jedoch nur ein kurzer Satz aus einem Papier von Wirtschaftsminister Habeck: | |
„Unter anderem werden wir Kerosin im nationalen Luftverkehr zukünftig | |
besteuern.“ Fragen nach Höhe und Details der Steuer ließ das | |
Bundesfinanzministerium genauso wie Fragen zur Plastikabgabe bis | |
Redaktionsschluss unbeantwortet. | |
Der Luftfahrtkraftstoff Kerosin, der im gewerblichen Luftverkehr eingesetzt | |
wird, ist bislang von der Energiesteuer befreit. Dem Staat sind dadurch im | |
Jahr 2023 504 Millionen Euro entgangen, 2024 wären es schätzungsweise 584 | |
Millionen Euro – so steht es im Subventionsbericht der Bundesregierung vom | |
September. | |
Innerhalb Deutschlands fliegen die meisten Flugzeuge von Berlin nach | |
Frankfurt, sagt Matthias Runkel vom Forum Ökologisch-Soziale | |
Marktwirtschaft (FÖS). Wenn auf dieser Strecke die Energiesteuer zum | |
Regelsteuersatz gilt, würde ein Ticket etwa 20 Euro teurer werden. Die | |
meisten Menschen, die normalerweise im Inland fliegen, seien ohnehin | |
„Businessreisende und Berufspendler:innen, deren Tickets oft die | |
Arbeitgeber zahlen“, sagt Runkel. | |
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) ist trotzdem | |
alarmiert: „Schon heute liegt Deutschland im Luftverkehr deutlich hinter | |
fast allen anderen Ländern zurück“, sagt eine Sprecherin. „Die Einführung | |
einer nationalen Kerosinsteuer wäre ein Alleingang der Bundesregierung“, | |
der den Zubringerverkehr ins europäische und internationale Ausland | |
verschieben würde. | |
Wie viel von den 4 Milliarden Euro aus dem Aktionsprogramm Natürlicher | |
Klimaschutz von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) übrig bleibt, wird in | |
den nächsten Wochen verhandelt. „Das Bundesumweltministerium wird | |
selbstverständlich seinen Beitrag zur Konsolidierung leisten“, formulierte | |
ein Sprecher, wie sich das im BMUV-Haushalt operativ abbilde, werde | |
abgestimmt. | |
15 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Nanja Boenisch | |
Heike Holdinghausen | |
Jost Maurin | |
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