| # taz.de -- Einigung im Haushaltsstreit: Eine Rettung mit unbekanntem Preis | |
| > Die Regierung einigt sich beim Haushalt, doch viele Details sind unklar. | |
| > Wo wird konkret gekürzt? Klar ist nur: Für Bürger*innen wird es | |
| > teurer. | |
| Bild: Durchgemacht: Die Ampel-Spitze nimmt am Mittag nach der Einigung an der B… | |
| BERLIN taz | Die Ampel hat noch mal die Kurve gekriegt. Nach wochenlangen | |
| Haushaltsverhandlungen und einer letzten Nachtsitzung präsentierten Kanzler | |
| Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister | |
| Christian Lindner (FDP) am Mittwoch eine Einigung. Ihr Plan: Die fehlenden | |
| Milliarden im Haushalt und im Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollen | |
| durch Einsparungen und den Abbau klimaschädlicher Subventionen | |
| zusammengekratzt werden. [1][Für die Fluthilfe im Ahrtal] und, wenn | |
| notwendig, für eine zusätzliche Unterstützung der Ukraine will die Ampel | |
| die Schuldenbremse lüften, das aber zuvor mit der Union absprechen. Und die | |
| Bürger:innen sollen sich an der Ampelrettung beteiligen, und zwar, indem | |
| sie ab 2024 einen deutlich höheren CO2-Preis auf Gas und Benzin zahlen. | |
| Letzteres stößt auf heftige Kritik. | |
| Die Regierung halte an ihren Zielen fest, nämlich den Klimaschutz | |
| voranbringen, sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten und die Ukraine zu | |
| unterstützen, bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz nach durchwachter Nacht | |
| am Mittwochmittag im Bundeskanzleramt. „Wir müssen aber mit deutlich | |
| weniger Geld auskommen, um diese zu erreichen.“ | |
| [2][Als Scholz, Lindner und Habeck vor vier Wochen an gleicher Stelle | |
| auftraten], waren ihre Mienen deutlich verkniffener. Damals musste das Trio | |
| einräumen, dass 60 Milliarden Euro futsch waren. Wenige Stunden zuvor hatte | |
| das Bundesverfassungsgericht nämlich geurteilt, dass Milliardenkredite für | |
| Corona nicht einfach für Klimaschutz umgebucht werden durften. Das hatte | |
| alle Klimapläne der Ampel über den Haufen geworfen, genauso wie die | |
| Haushaltsberatungen für 2024, und das Fundament der Koalition erschüttert. | |
| Nun also lächelnde Mienen, seinem Kommunikationsstil von Mitte November | |
| blieb das Führungstrio aber treu: Wir verkünden, bitte keine Nachfragen! | |
| Auch in seiner Regierungserklärung im Bundestag verriet Scholz wenig | |
| Details, begründete aber noch einmal ausführlich, warum Deutschland die | |
| Ukraine nun erst recht unterstützen müsse. Putin, der sein Land auf | |
| Kriegswirtschaft umgestellt habe und darauf spekuliere, dass die | |
| internationale Unterstützung nachlasse, könnte damit durchkommen. „Die | |
| Gefahr, dass dieses Kalkül aufgeht, ist nicht von der Hand zu weisen“, so | |
| Scholz, der am Abend weiter nach Brüssel zum Europäischen Rat reiste. Auch | |
| in der EU bröckelt die Unterstützung. Deshalb will die Ampel die derzeitige | |
| Ukraine-Unterstützung – darunter 8 Milliarden Euro für Waffen, 6 Milliarden | |
| Euro für Geflüchtete sowie die Finanzhilfen für den Wiederaufbau, zwar aus | |
| dem Haushalt zahlen, sichert sich aber ab, falls sich, so Scholz, „die Lage | |
| an der Front verschlechtert, die Sicherheit Europas bedroht ist oder andere | |
| Unterstützer zurückfallen“. Für diese Fälle will die Regierung den | |
| Bundestag bitten, erneut eine Notlage zu erklären, die es erlauben würde, | |
| die Schuldenbremse auszusetzen. | |
| ## Weniger Haushaltsgeld für die Bahn | |
| Da es am Mittwoch noch keine schriftliche Zusammenfassung der Ergebnisse | |
| gab, schälen sich die übrigen Konturen des Haushaltskompromisses erst | |
| scheibchenweise heraus. | |
| So muss der Bundeswirtschaftsminister erheblich im KTF kürzen. Ursprünglich | |
| waren Ausgaben von knapp 212 Milliarden Euro bis 2027 vorgesehen. Davon | |
| sollen insgesamt 45 Milliarden Euro wegfallen, davon allein 12 Milliarden | |
| Euro im Jahr 2024. | |
| Auf der Streichliste stehen unter anderem die Mittel für die Instandsetzung | |
| und Modernisierung der Deutschen Bahn, über 12 Milliarden Euro. Diese | |
| könnten durch andere Maßnahmen aufgebracht werden, etwa indem die Bahn den | |
| Lkw-Spediteur Schenker verkauft. | |
| Der staatliche Zuschuss für E-Autos soll früher als bislang geplant | |
| auslaufen. Und besonders schmerzhaft für Habeck: Die Mittel für den | |
| Wiederaufbau der Solarindustrie werden gekürzt, für den er sich | |
| starkgemacht hat. „Das tut mir weh“, sagte Habeck. „Das ist der Preis | |
| dafür, dass die zentralen Säulen im KTF erhalten bleiben.“ Erhalten bleiben | |
| unter anderem die Mittel für die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden, | |
| für grünen Stahl und für neue Chipfabriken in Ostdeutschland. | |
| ## Für private Verbraucher wird es teurer | |
| Um die Kürzungen auszugleichen, will die Ampel den CO2-Preis, den die Große | |
| Koalition eingeführt hatte, schneller erhöhen als geplant. Das bedeutet, | |
| dass fossile Heizenergie und Sprit teurer werden. Derzeit beträgt der | |
| CO2-Preis pro Tonne 30 Euro. Zum 1. Januar sollte er ursprünglich auf 40, | |
| nun aber auf 45 Euro steigen. Und im Jahr darauf auf 55 Euro, so ein | |
| Sprecher des Bundeswirtschaftministeriums. | |
| Der Verbraucherzentrale Bundesverband sieht hier eine Schieflage zulasten | |
| von Privatleuten, denn „die Industrie soll weiterhin von einer | |
| Stromsteuersenkung profitieren“, so deren Chefin Ramona Pop. Die | |
| Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, und die Grüne Jugend | |
| fordern nun im Gegenzug das Klimageld einzuführen. „Hohe Preise sind jetzt | |
| schon die größte Sorge der Menschen in Deutschland. Wenn Klimaschutz das | |
| Leben jetzt noch teurer macht, werden Mehrheiten wegbrechen“, so | |
| Grüne-Jugend-Sprecherin Svenja Appuhn. | |
| Für private und gewerbliche Verbraucher:innen bitter ist auch die | |
| Streichung von 5,5 Milliarden Euro, mit denen die Bundesregierung die | |
| Erhöhung der sogenannten [3][Netzentgelte für die Stromübertragung] | |
| kompensieren wollte. Das wird sich auf die Preise auswirken. Die Industrie | |
| leidet bereits jetzt unter den hohen Energiekosten. Der Deutsche Industrie- | |
| und Handelskammertag (DIHK) kritisiert die Streichung. „Damit drohen der | |
| Wirtschaft in der gesamten Breite zum Jahreswechsel deutlich steigende | |
| Strompreise – und das von einem bereits sehr hohen Niveau aus“, sagte | |
| DIHK-Präsident Peter Adrian. | |
| Wie in den vergangenen Wochen vielfach gefordert, nimmt die Ampel auch | |
| umweltschädliche Subventionen ins Visier, um die Haushaltslücke zu | |
| schließen. Damit sollen laut Lindner 3 Milliarden Euro mobilisiert werden. | |
| Die Ampel will – wie von Umweltschützer:innen seit Langem gefordert – | |
| eine Kerosinsteuer auf Inlandsflüge erheben. Außerdem soll der Zuschuss des | |
| Agrardiesels für Landwirtschafts- und Forstbetriebe wegfallen. Die | |
| Plastiksteuer in Höhe von 1,4 Milliarden Euro, die der Staat bislang für | |
| Unternehmen an die EU abgeführt hat, sollen die Betriebe künftig selbst | |
| bezahlen. | |
| ## Kritik an ungenauen Angaben | |
| Auch die Ministerien müssen noch einmal kräftig sparen – wo genau, ist noch | |
| nicht klar. Auch auf Nachfragen konnten die Pressestellen wenig mitteilen. | |
| Doch offenbar soll Arbeitsminister Hubertus Heil 0,6 Milliarden Euro an | |
| staatlichen Rentenzuschüssen kürzen, beim Bürgergeld soll der Bonus für | |
| Fortbildungen gestrichen und Sanktionen verschärft werden. Die | |
| Bundesagentur für Arbeit soll 1,5 Milliarden Euro einsparen. An der | |
| Kindergrundsicherung will die Ampel festhalten. | |
| Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, | |
| kritisiert die ungenauen Angaben zu den Kürzungen. „Für uns als | |
| Wohlfahrtsverband stellt sich so die dringliche Frage: Was ist mit den | |
| Freiwilligendiensten, was ist mit der Migrationssozialarbeit, mit der | |
| Unterstützung von Sozialverbänden, oder wie sieht es mit Einsparungen bei | |
| Sozialtransfers aus?“ Das Mindeste, was man erwartet hätte, wäre eine | |
| sofortige Aufhebung der aktuellen Haushaltssperre für die sozialen Dienste | |
| gewesen. | |
| Am Nachmittag kam der Koalitionsausschuss zusammen, am Abend tagten die | |
| Fraktionen. Dass sie die Einigung torpedieren, ist unwahrscheinlich. | |
| Daniela Kluckert, parlamentarische Staatsekretärin im Verkehrsministerium, | |
| schreibt auf X: „Kein Schleifen der Schuldenbremse und keine | |
| Steuererhöhungen!“ Es sind die roten Linien der FDP in der Ampelkoalition. | |
| Die Grünen-Führung lobte die Lösung unisono. „Wir sichern unseren | |
| Wohlstand, den sozialen Zusammenhalt und lassen beim Klimaschutz nicht | |
| nach“, so Parteichef Omid Nouripour. Auf Unionschef Friedrich Merz, der der | |
| Ampel erneut „Trickserei“ vorwarf, entgegnete Fraktionschefin Britta | |
| Haßelmann im Bundestag: „Das ist alles andere als Ihr Mimimi, das ist | |
| Handlungsfähigkeit.“ | |
| ## Merz will „Trick nicht durchgehen zu lassen“ | |
| Merz machte im Bundestag klar, dass die Ampel wohl einen sehr hohen Preis | |
| zahlen muss, wenn sie, die Union für eine Aufhebung der Schuldenbremse | |
| gewinnen will. Die Unterstützung der Ukraine sei wichtig, aber keine | |
| unvorhersehbare Notlage, sagte Merz und kündigte an, „diesen Trick nicht | |
| durchgehen zu lassen“. | |
| Zunächst kann die Ampel den Haushalt aber mit eigener Mehrheit beschließen. | |
| Noch vor Weihnachten soll der Kabinettsbeschluss fallen und der | |
| Haushaltsausschuss sich noch vor Heiligabend zur Bereinigungssitzung | |
| treffen. „Mit ein bisschen gutem Willen von allen Beteiligten“ könne der | |
| Haushalt für 2024 dann Ende Januar verabschiedet werden, so die | |
| Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast. | |
| Doch für 2025 wird es dann umso schwieriger. Denn dann klafft im KTF ein | |
| noch größeres Loch. | |
| 13 Dec 2023 | |
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