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# taz.de -- EU-Gipfel in Brüssel: Mut dringend gesucht
> Milliarden für Kyjiw, EU-Erweiterung, Migration. Ab Donnerstag sind die
> EU-Staats- und Regierungschefs gut beschäftigt. Orbán hält am Doppel-Veto
> fest.
Bild: Orbán, Sánchez, Selenski: Händeschütteln beim informellen EU-Treffen …
Brüssel taz | Reichen zwei frische Hemden, oder brauchen Kanzler Olaf
Scholz und seine europäischen Amtskollegen drei oder gar vier, um die
nächsten Tage und Nächte durchzustehen? Diese heikle Frage stellt sich beim
EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt. Die Beratungen über die
Ukraine, das EU-Budget und Migration könnten bis zum Wochenende dauern – so
kontrovers sind die Themen.
„Pivotal“, also „zentral“ oder gar „lebenswichtig“ werde das Treffe…
Staats- und Regierungschefs, schreibt EU-Ratspräsident Charles Michel in
seiner Einladung. Jetzt gelte es, die Versprechen gegenüber der Ukraine
einzulösen und den „Mut zu den richtigen Entscheidungen“ zu beweisen. Es
klingt nach Blut, Schweiß und Tränen.
Michel fordert, der Ukraine grünes Licht für den Start von
EU-Beitrittsgesprächen zu geben. Dies sei ein „notwendiges Signal“, um
Kyjiw „näher an unsere europäische Familie“ zu bringen. Außerdem sollen …
EU-Chefs eine Finanzspritze in Höhe von 50 Milliarden Euro bewilligen – nur
so lasse sich die Ukraine vor der Pleite bewahren.
Beides sind pikante Forderungen in einem schwierigen internationalen
Umfeld. Die EU soll etwas beschließen, das in den USA und der Nato nicht
möglich war. [1][In Washington scheitern geplante Finanzhilfen für die
Ukraine bisher am Widerstand der Republikaner]. Und beim Nato-Gipfel in
Vilnius wurde [2][der Beitritts-Wunsch abgewiesen].
## Wegen Orbán könnte der Gipfel scheitern
Die EU soll nun einspringen, fordert der ukrainische Präsident Wolodimir
Selenski. Unterstützung erhält er aus Berlin: Obwohl im deutschen
Staatshaushalt der Notstand ausgebrochen ist, soll es frisches Geld für
Kyjiw geben, wie Scholz in seiner Regierungserklärung am Mittwoch in Berlin
bekräftigte. Und obwohl Kyjiw noch nicht alle EU-Kriterien erfüllt, sollen
die Beitrittsgespräche beginnen.
Doch Selenski und Scholz haben die Rechnung ohne Viktor Orbán gemacht. Der
rechtslastige Regierungschef aus Ungarn hat mit einem doppelten Veto
gedroht – gegen die EU-Gespräche und gegen die geplante Finanzspritze. Er
fordert eine Strategiedebatte über die Ukraine und die Freigabe von
eingefrorenen EU-Mitteln für sein Land.
Damit könnte Orbán den Gipfel zum Scheitern bringen – oder in die
Verlängerung zwingen. Doch es geht nicht nur um den chronischen Neinsager
aus Budapest. Gegen den Start von Beitrittsverhandlungen hat sich auch
Österreich ausgesprochen. Die Regierung in Wien fordert, [3][auch
Bosnien-Herzegowina das begehrte EU-Ticket] zu geben.
Beim Geld stehen noch mehr Länder wie Italien oder Griechenland auf der
Bremse. Sie sehen nicht ein, dass das EU-Budget für Kyjiw aufgestockt
werden soll, nicht aber für die gemeinsame Migrationspolitik und andere
Aufgaben. Insgesamt geht es um 66 Milliarden Euro, die die EU für Migration
und andere Themen angefordert hat.
## Milliarden-Poker oder Erpressung der EU
Und dann wären da noch die rund 30 Milliarden Euro, die die EU-Kommission
wegen Rechtsstaats-Problemen in Ungarn auf Eis gelegt hat. Die Europäische
Kommission hat am Mittwoch zehn Milliarden Euro davon für Ungarn
freigegeben. Damit ließe sich Orbán, so die Hoffnung, vielleicht doch noch
in letzter Minute umstimmen.
Der Milliarden-Poker verfehlte zunächst jedoch seine Wirkung. Man brauche
nicht nur zehn, sondern die ganzen 30 Milliarden Euro, hieß es in Budapest.
Protest kam auch aus dem Europaparlament. Die EU dürfe sich nicht erpressen
lassen, forderten die Abgeordneten. Wenn man Orbán den kleinen Finger
reiche, wolle er die ganze Hand.
„Orbán wird diesen Weg immer wieder einschlagen, wenn er jetzt Erfolg hat“,
warnte die Vizepräsidentin des Parlaments, Katarina Barley (SPD). „Es ist
fast zu einem Ritual geworden, dass Orbán mit seinem Veto droht und die
EU-Kommission Gelder für Ungarn freigibt“, sagte der europapolitische
Sprecher der Grünen, Rasmus Andresen.
Die EU-Kommission wies den Vorwurf zurück. Man halte sich strikt an die
Regeln, so der Sprecher von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Sobald Ungarn die geforderten Rechtsstaats-Reformen im Amtsblatt
veröffentlicht habe, könne das Geld fließen.
Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. Denn von der Leyen war es auch, die
den Start von Beitrittsgesprächen und die Aufstockung des EU-Budgets
gefordert hat. Nun versucht sie, ihren Plan in letzter Minute zu retten.
13 Dec 2023
## LINKS
[1] /Selenski-in-den-USA/!5980181
[2] /Nato-Gipfel-in-Vilnius/!5943687
[3] /EU-Beitrittskandidat-Bosnien-und-Herzegowina/!5899025
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Haushalt
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