# taz.de -- Betroffene über Fluthilfe in der Eifel: „Die Handwerker fehlen“ | |
> Die Betroffenen der Flut vor einem Jahr haben viel Hilfe erhalten, sagt | |
> Petra Schmidt. Doch in ihr Haus in der Eifel kann sie noch immer nicht | |
> zurück. | |
Bild: Ein Jahr nach der Flut in Gemünd ist noch längst nicht alles so wie fr�… | |
taz: Frau Schmidt, wenn man ein Jahr danach durch die kleine Fußgängerzone | |
von [1][Gemünd] läuft: Sieht zum Teil doch wieder richtig gut aus … | |
Petra Schmidt: „… ja, von außen, das stimmt. Schon nach drei Monaten kamen | |
die ersten Touristen und sagten: toll … Da haben wir gesagt: Dann gucken | |
Sie mal in die Häuser rein. Innen ist vielfach bis heute noch nicht viel | |
passiert, so wie in meinem Haus auch. Wir haben hier noch ein paar Wochen | |
gehaust, Bad und die halbe Küchenzeile taten es noch, Therme war hinüber, | |
also kalt duschen. | |
Was wir ja bald alle müssen. Da haben Sie schon geübt. | |
Tja, wer weiß. Dann habe ich mit Glück eine Ferienwohnung gefunden weiter | |
oben. Ende 2021 war das Haus schon wieder trocken, vorige Woche kam die | |
Fußbodenunterkonstruktion. Jetzt sind die Handwerker seit einer Woche weg, | |
ich weiß nicht wo und warum. Und der Elektriker hat sich gerade abgemeldet: | |
Corona. | |
Gibt es für Sie einen Zeitplan? | |
Ich hoffe, Weihnachten wieder hier einziehen zu können. Manchmal denke ich | |
auch: Warum mach ich das!? Kommt das Wasser wieder? Es ist immer ein up and | |
down, das geht allen so. Aber wenn es nicht vorangeht, man mal wieder unten | |
ankommt, denkst du: gut, abstoßen, weiter geht’s. Aufgeben gilt nicht. Eine | |
Frau hat ein Schild in ihren Laden gehängt: „… dann bekam ich einen | |
Mutanfall“. | |
Was ist das größte Problem? | |
Versicherung funktioniert, jedenfalls bei mir, zum Glück habe ich auch | |
Elementarschäden abgesichert. Die Gemeinde tut auch alles. Es gab unfassbar | |
viel Hilfe beim Aufräumen. Das Problem sind die fehlenden Handwerker. Die | |
vor Ort brechen teilweise vor Arbeit zusammen. Hier auf dem Land sind viele | |
Leute handwerklich gut dabei, vieles geht über Nachbarschaftshilfe. Aber | |
nicht alles. Eine Nachbarin hat bis 200 Kilometer entfernt herumtelefoniert | |
und gemailt bei Sanierern und Schreinern: Wir zahlen auch die Unterkunft | |
extra, kommt bitte. Nix. | |
Haben denn Leute aufgegeben? | |
Manche Geschäftsinhaber haben aus Altersgründen Schluss gemacht, keine | |
Kraft mehr, kein Geld, keine Nachfolger. Eine Freundin muss abreißen und | |
neu bauen. Die meisten hängen halt an dem Ort, an ihrem Haus, und da ist | |
die Lust, es wieder schön zu machen. Aber bei jedem Regen guckst du auf die | |
Wetter-App. Als wir wieder mal hier schlafen wollten, hat mein jüngster | |
Sohn gesagt: „Hmm, nee. Ich hab Angst, dass das wiederkommt, höher und | |
schneller.“ Dabei war er in der Flutnacht mit seinem Papa in Urlaub, aber | |
er hat ja mitbekommen, dass sich Leute gerade noch aufs Dach retten konnten | |
und es auch Tote gab, ein Nachbar ist wohl im Schlaf ertrunken. Es waren | |
wohl acht Opfer in Gemünd, aber irgendwann wollte ich es auch nicht mehr | |
genau wissen. | |
Am Anfang hat man nur funktioniert, beim Ausräumen und Wegwerfen wurde auch | |
viel gelacht: Weg mit dem Kram! Galgenhumor, um die Seele zu schützen. Aber | |
vereinzelt haben Menschen auch traumatisiert aufgegeben. Therapieplätze | |
bekommst du nicht, alles voll. | |
Nun sagen ja viele, es sei verantwortungslos, in solchen Gefahrengebieten | |
die Gebäude wiederaufzubauen. Der Klimawandel macht Fluten | |
wahrscheinlicher. Und die nächste Flut ist womöglich viel schlimmer, | |
vielleicht auch in der Eifel. | |
Ja, es kann auch brennen. Das weiß ja niemand. Auch nicht, wo. Jetzt ist | |
gerade in Australien alles abgesoffen. Es gibt Grundstücke, die sind für | |
Wahnsinnssummen weggegangen, auch gleich am Fluss, wo die Häuser bis unters | |
Dach unter Wasser standen. | |
Denken die Menschen hier jetzt anders über das [2][Thema Klima]? Wir reiten | |
die Welt ans Ende? Die Grünen haben in dem Eifelstädtchen Schleiden ihr | |
Ergebnis bei der Landtagswahl im Mai fast verdreifacht, von 5 auf fast 14 | |
Prozent. | |
Es wird schon gesehen, wie bekloppt wir alle mit der Umwelt umgehen. Hier | |
haben die Menschen mit ihren Gärten und dem Landleben mehr Kontakt zur | |
Natur als in der Stadt. Aber ich weiß nicht, ob sie durch die Katastrophe | |
sensibler sind mit der Klimathematik. Autarker wollen viele sein: | |
Photovoltaik aufs Dach, mehr selbst und gesünder anbauen, neue Hochbeete. | |
Das höre ich viel. | |
Aber die Menschen schaffen nicht den Zweitwagen ab. | |
Hier tief in der Eifel überlegst du dir das zweimal. Fährt ja sonst fast | |
nix. Mitfahrbank, Anrufbusse – gibt es, aber spielt alles keine große Rolle | |
im Alltag. | |
Ich hatte beim Umsteigen oben in Vogelsang 20 Minuten Pause. Daumen raus. | |
An die hundert Autos. Keiner hielt. Von wegen solidarische Gesellschaft. | |
Tja. | |
Und Sie selbst – umdenken, umschwenken? | |
Man wird genügsamer durch so eine Katastrophe. Muss man alles nicht erlebt | |
haben – aber wir sind alle gesund geblieben und es hilft, den Blick zu | |
schärfen. Nicht sagen: Wie furchtbar. Sondern: Ich mach das Beste daraus. | |
Die Nachbarschaft ist enger geworden, ich habe tolle neue Menschen | |
kennengelernt, dann die Helferfeste. Vieles ist weg, aber richtig Leid | |
getan hat es mir nur um den hundert Jahre alten Schrank meiner Großtante … | |
Moment … (der Freund ruft an)… Ja, bin noch hier unten. Ich denk, so um 6 | |
bin ich zu Hause. Bis gleich. | |
Zu Hause? | |
Stimmt. Witzig. War mir auch aufgefallen. Tja, es gibt zurzeit zwei | |
Zuhauses. | |
14 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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