Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Haushaltseinigung und ihre Folgen: Steilvorlage für die AfD
> Das Ende des Haushaltsstreits mag die Ampel-Koalition kurzfristig
> stabilisieren. Doch die Populisten im Osten reiben sich jetzt schon die
> Hände.
Bild: Was haben die denn ausgeheckt? Die Ampel-Spitze um Bundeskanzler Olaf Sch…
Kompromisse sind ein Wert an sich. [1][Wenn ein abgebrühter Autokrat wie
Viktor Orbán die EU und die anderen 26 Mitgliedsstaaten erpresst], wenn er
Menschenleben in der Ukraine aufs Spiel setzt, um die eigenen Interessen
durchzudrücken, dann ist man erleichtert, dass die Berliner Ampel anders
funktioniert. Dass es SPD, Grünen und der FDP gelungen ist, sich im
Haushaltsstreit zu einigen und einen Kompromiss zu schließen.
Was aber nicht automatisch heißt, dass auch der Kompromiss für sich gut
ist. Mit ihrer Einigung haben die drei Regierungspartner zwar sich und die
Ampel kurzfristig stabilisiert, mittelfristig tun sie sich damit keinen
Gefallen. Erst einmal hat nun jede Partei das bekommen, was ihr wichtig
ist: Die Sozialdemokraten können sich auf die Schultern klopfen, [2][dass
es keinen Sozialabbau geben wird].
Die Grünen freuen sich, dass es endlich an die klimaschädlichen
Subventionen geht und der Klimaschutz fast ungebremst weitergehen wird. Und
Christian Lindner kann zum Dreikönigstreffen der FDP mit der Botschaft
reisen: Die Schuldenbremse bleibt, Steuern werden nicht erhöht.
Doch genau hier liegt das Problem der Einigung. [3][Die Schuldenbremse wird
erstens wahrscheinlich doch etwas gelockert, um den Aufbau des überfluteten
Ahrtals weiter zu finanzieren]. Und falls Orbán sich durchsetzt oder die
Republikaner in den USA die Ukrainehilfen weiter blockieren, fehlen der
Ukraine auf einen Schlag riesige Milliardenbeträge, um sich weiter zu
verteidigen. Dann wird sich Deutschland ebenfalls in der Pflicht sehen,
seine Hilfen zu erhöhen. Wenn also Unionsfraktionschef Friedrich Merz von
Trickserei spricht, hat er nicht mal so unrecht.
Besser wäre es gewesen, den Krieg in der Ukraine ebenfalls als Notlage
anzuerkennen und die Schuldenbremse so auszusetzen, dass die militärische,
humanitäre und wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine nicht aus dem
Kernhaushalt bezahlt werden muss. Dafür hätte die Ampel gute Argumente
gehabt, denn es geht in der Ukraine auch um unsere Sicherheit und die
Stabilität in Europa, nämlich darum, dass Putin die Lust daran vergeht,
Russlands Nachbarländer zu überfallen und europäische Grenzen neu zu
ziehen.
Doch diese Idee haben Scholz, Habeck und Lindner verworfen, um die
Dreieinigkeit nicht zu gefährden und der FDP ihre
Wir-sind-Schuldenbremse-Party nicht zu vermiesen. Sie gehen einen anderen
Weg, und der ist riskant. Um Löcher im Haushalt und im Klima- und
Transformationsfonds zu stopfen, wird etwa der CO2-Preis stärker als
geplant erhöht. Auch die Ausgaben für den Ausbau der
Elektrizitätsleitungen, die Netztentgelte, werden nicht mehr aus der
Staatskasse erstattet.
Das heißt, der Strom, das Tanken und das Heizen wird teurer. Und natürlich
werden die Unternehmen ihre Mehrkosten ebenfalls an die
Verbraucher:innen weitergeben. Der Plan, die steigenden Kosten für den
Klimaschutz in Form eines Klimageldes auszugleichen, existiert nur noch auf
dem Papier des Koalitionsvertrags. Denn das Geld dafür fehlt schlicht.
In einer vernünftigen Welt hätte man sich auch vorstellen können, dass die
Ampel eine einmalige Vermögensabgabe beschließt, dass auch die
schätzungsweise [4][226 deutschen Milliardäre] einen stärkeren Beitrag
leisten. Zumal wenn das Wort des Jahres „Krisenmodus“ ist, gefolgt von
„Antisemitismus“ und „leseunfähig“. Besser lässt sich die Lage nicht
zusammenfassen und eine Krisenabgabe kaum begründen.
Ausgerechnet der Antikommunist Konrad Adenauer hatte 1951 vorgemacht, dass
es geht, und dem Bundestag ein Gesetz über den Lastenausgleich vorgelegt,
das großen Vermögen eine Abgabe auferlegte. Damals besaß das oberste eine
Prozent der Bevölkerung ein Viertel des gesamten Vermögens, inzwischen sind
es 35 Prozent. Die Ungleichheit ist gewachsen, genauso wie die Vermögen,
aber das beeindruckt die FDP und ihren Finanzminister nicht.
Nun kann Lindner noch so sehr betonen, dass im kommenden Jahr
Steuererleichterungen greifen, SPD und Grüne noch so sehr bestätigen, dass
das Bürgergeld bleibt und sie weiter das Klima retten können. Die
populistische Botschaft wird sein: Wir liefern Waffen an die Ukraine,
machen Klimaschutz und der Ottonormalverbraucher (gegendert wird nicht!)
muss es bezahlen.
Die Kreativabteilungen der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im
nächsten Jahr gewählt wird, sammeln wahrscheinlich schon die besten
Sprüche, um Klimaschutz, Ukrainehilfen und natürlich die Ampel ordentlich
zu verhetzen. Leider ist zu befürchten, dass sie verfangen und die AfD im
nächsten Jahr die Gewinnerin ist. Eine Partei, die weder sozialen
Zusammenhalt noch Klimaschutz will und die im Kern, so wie Orbán, einen
autoritären Staat anstrebt – ohne Kompromisse.
16 Dec 2023
## LINKS
[1] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5980444
[2] /Debatte-um-Haushalt-2024/!5978829
[3] /Einigung-im-Haushaltsstreit/!5976249
[4] /Neue-Vermoegensstudie/!5976161
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Bundesregierung
Ampel-Koalition
Haushalt
Schulden
Europäische Union
Finanzen
Currywurst
Christian Lindner
Ampel-Koalition
Das Milliardenloch
Haushaltsstreit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gemeinsame Schuldenregeln: Lindner und die EU-Schuldenbremse
Die EU-Finanzminister einigten sich auf neue Defizitregeln. Kritik kommt
von europäischen Gewerkschaften und den Grünen.
Kürzungen beim Bundeshaushalt: Jeder spart für sich allein
Die Bundesregierung gibt die Streichliste für den Haushalt 2024 raus. Harte
Kürzungen stehen an. Aber die Sparpläne sind noch vage.
Ein schlechtes Jahr für die Grünen: Allein auf grüner Flur
Ohne Anreize und Verbote lässt sich keine effektive Klimapolitik machen.
Doch die Mehrheiten dafür haben sich in diesem Jahr pulverisiert.
Pläne des Finanzministers: Kleine Reform der Schuldenbremse
Finanzminister Lindner plant für 2024 eine Teilreform der Schuldenbremse.
Damit soll sich die Verschuldung an Konjunkturschwankungen anpasst lassen.
Bundeshaushalt 2024: Die Berechnung der Ratlosigkeit
Die Bundesregierung hat nach langem Ringen einen Plan. Preise für Heizung
und Strom könnten steigen.
Klimaschädliche Subventionen: Plastik, Flüge und Diesel
Der Budgetpakt von Rot-Grün-Gelb belastet Verbraucher und Landwirte. Aber
er erfüllt, was Umweltschützer fordern.
Bundeshaushalt 2024: Das Loch stopfen
Schröpft der Staat die Bürger:innen? Diesen Vorwurf erhebt die Union nach
der Einigung zum Haushalt 2024. Doch es gibt auch deutliche Entlastungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.