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# taz.de -- Gemeinsame Schuldenregeln: Lindner und die EU-Schuldenbremse
> Die EU-Finanzminister einigten sich auf neue Defizitregeln. Kritik kommt
> von europäischen Gewerkschaften und den Grünen.
Bild: Bundesfinanzminister Christian Lindner nach dem digitalen Treffen der EU-…
Brüssel taz | Der alte Stabilitätspakt für den Euro war überholt, am
Mittwochabend haben sich die Finanzminister der EU-Staaten auf neue
Schuldenregeln geeinigt. Hoch verschuldete Länder sollen danach künftig
mehr Zeit bekommen, ihre Budgetdefizite abzubauen, aber auch stärker
überwacht werden. Die Reform trägt die Handschrift von Bundesfinanzminister
[1][Christian Lindner (FDP)] – Gewerkschaften und Grüne meldeten Protest
an.
Nach den bisher gültigen Regeln müssen Mitgliedstaaten, deren Schuldenquote
oberhalb von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt, jährlich 5
Prozent ihrer Schulden abbauen, bis der Richtwert von 60 Prozent des BIP
erreicht ist. Ein unrealistisches Ziel, wie am Ende auch Deutschland
einräumte. Die Regeln wurden denn auch zu Beginn der Coronakrise 2020
ausgesetzt.
Die neuen Regeln bauen auf dem alten Stabilitätspakt auf. Die einst von
Ex-Finanzminister Theo Waigel („3,0 ist 3,0“) durchgesetzten Zielmarken von
3 Prozent für das Budgetdefizit und 60 Prozent für den Schuldenstand
bleiben, obwohl sie von Ökonomen als veraltet betrachtet werden. Die EU
konnte sich auch nicht dazu durchringen, eine Gesamtbetrachtung der
Schulden vorzunehmen.
Vielmehr soll die EU-Kommission künftig für jedes Land einen individuellen
Schuldenabbau-„Pfad“ vorgeben. Staaten mit einer Schuldenquote von über 90
Prozent des BIP – wie Griechenland, Italien und Frankreich – werden
verpflichtet, ihre Verschuldung jährlich um 1 Prozent des BIP zu
verringern. Für Staaten mit einer Verschuldung unter 90 Prozent lautet die
neue Vorgabe 0,5 Prozent. Damit würden die Regeln flexibler und einfacher,
heißt es in Brüssel.
## Ausnahmen für Investitionen
Auch an Investitionen ist gedacht. Künftig sollen bestimmte Staatsausgaben
aus der Berechnung der Gesamtschulden herausgerechnet werden.
„Investitionen müssen besser geschützt werden. Wir dürfen uns nicht selbst
strangulieren“, hatte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire immer
wieder betont.
Belohnt werden sollen künftig Investitionen in erneuerbare Energien und in
die Digitalisierung, aber auch Rüstungsausgaben. Überwacht wird das
detaillierte Regelwerk durch die EU-Kommission. Sie soll mit jedem Staat
auf Basis einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse einen
mehrjährigen Budgetplan ausarbeiten, der in der Regel vier Jahre umfasst.
Die Brüsseler Behörde richtet zudem für jedes Land ein sogenanntes
Kontrollkonto ein, um Abweichungen von den Vorgaben zu überprüfen. Damit
die Kommission nicht eigenmächtig agiert, wird sie selbst an die Kette
gelegt – durch Schwellenwerte für das Kontrollkonto, die sogar in
Rechtstexten verankert sind. Werden diese Werte überschritten, soll es ein
Defizitverfahren setzen. Lindner sprach von „Sicherheitslinien“, die die
Finanzstabilität in der EU sichern sollen. Mit den neuen Regeln, die auf
einem [2][deutsch-französischen Kompromiss] beruhen, werde die
Stabilitätskultur in Europa gestärkt. Sein Kollege Le Maire feierte eine
„ausgezeichnete Nachricht“. Zum ersten Mal würden die Bedeutung von
Strukturreformen und Investitionen anerkannt.
Kritik kommt vom Europäischen Gewerkschaftsbund. Die EU-Staaten würden sich
„selbst sabotieren“ und auf Austeritätskurs zwingen, hieß es vonseiten des
EGB. Anfang Dezember hatte er dagegen Tausende zu einem [3][Protestmarsch
in Brüssel] mobilisiert. Unzufrieden sind auch die Grünen im
Europaparlament. „Diese Einigung schadet unserer Wirtschaft, den Menschen
und dem Klima“, sagte Rasmus Andresen, der Sprecher der deutschen Grünen.
Die Grundsatzeinigung der Finanzminister muss noch mit dem Parlament
verhandelt werden, bevor die entsprechenden Rechtstexte 2024 in Kraft
treten können. Große Änderungen werden aber nicht mehr erwartet.
21 Dec 2023
## LINKS
[1] /Kersten-Augustin-Materie/!5972506
[2] /EU-Schuldenregeln/!5980926
[3] /Vor-dem-EU-Gipfel/!5980123
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Europäische Union
Schuldenbremse
Austerität
Christian Lindner
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Finanzen
Bundesregierung
Schwerpunkt Coronavirus
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