# taz.de -- Flüchtlingspolitik von SPD bis CDU: Im Wettkampf der Asylverschär… | |
> Regierung und Opposition überbieten sich mit restriktiven Plänen in der | |
> Flüchtlingspolitik. Das Ziel: weniger Ankünfte, mehr Abschiebungen. | |
Bild: Mehr Menschen fliehen in die EU – die will das mit allen Mitteln verhin… | |
BERLIN taz | Es sagt einiges aus über den Stand der Asyldebatte, dass man | |
manchmal nicht auf Anhieb sagen kann, wer eigentlich mit wem regiert. Man | |
wolle die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten nicht nur um | |
Georgien und Moldau erweitern, sondern [1][auch um die Maghrebstaaten] | |
Tunesien, Algerien und Marokko, beschloss am Montag das Präsidium der | |
mitregierenden FDP. Geflüchtete sollen Sach- statt Geldleistungen bekommen, | |
Asylanträge sollen in Drittstaaten ausgelagert werden. Genau das fordert in | |
einem aktuellen Antrag, der am Freitag im Bundestag debattiert werden soll, | |
auch die oppositionelle Union. | |
Der Entwurf liegt der taz vor. Demnach will die Unionsfraktion | |
Abschiebungen ausweiten, Grenzkontrollen nach Tschechien, Polen und zur | |
Schweiz einführen und Sachleistungen für Asylsuchende den Vorzug geben. | |
Alle Bundesaufnahmeprogramme sollen ausgesetzt werden, auch das für | |
Afghanistan. Und Asylverfahren sollen „uneingeschränkt in sicheren | |
Drittstaaten“ möglich sein. | |
Einen „Deutschlandpakt in der Migrationspolitik“ nennt die Union ihre | |
Vorschläge – ein direkter Seitenhieb auf Olaf Scholz (SPD). Der | |
Bundeskanzler hatte der Union Anfang September seinerseits einen | |
„[2][Deutschlandpakt]“ angeboten, mit dem Genehmigungsverfahren | |
beschleunigt, aber auch die Verwaltung digitalisiert und Unternehmen | |
gefördert werden sollten. | |
„Die ausgestreckte Hand von mir ist da“, sagte am Dienstag CDU-Parteichef | |
Friedrich Merz. Aus dem Bundeskanzleramt habe es bislang keine | |
substanziellen Vorschläge bezüglich des Scholz’schen Deutschlandpaktes | |
gegeben. Daher mache die Union mit ihrem Vorstoß „zur Begrenzung der | |
illegalen Migration“ nun einen eigenen Aufschlag. CSU-Landesgruppenchef | |
Alexander Dobrindt ergänzte: „Die Scholz-Fata-Morgana des Deutschlandpakts, | |
die er uns präsentiert hat, muss mit Inhalten gefüllt werden.“ | |
„Ich bedauere, dass die Union den Entschluss gefasst hat, nur ein Thema | |
herauszugreifen: Migration“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf | |
Mützenich und warf der CDU vor, lediglich auf einen „innenpolitischen | |
Vorteil“ aus zu sein. Zugleich äußerte er sich selbstgewiss über die | |
Migrationspolitik der Regierungsparteien. „Nur diese Koalition ist in der | |
Lage, die Jahrhundertaufgabe der Migration zu beantworten. Mit anderen | |
Parteien ist eine vernünftige, aus unterschiedlichen Elementen bestehende | |
Migrationspolitik nicht möglich.“ | |
## Humanitäre Lage ist desaströs | |
Auf der italienischen [3][Mittelmeerinsel Lampedusa schnellen derzeit die | |
Zahlen der ankommenden Geflüchteten] in die Höhe, die humanitäre Lage ist | |
desaströs. Längst ist daraus auch in Deutschland ein innenpolitisches Thema | |
geworden – nicht zuletzt, weil [4][in Hessen] und Bayern in wenigen Wochen | |
Landtagswahlen anstehen. | |
Die Union versucht, die Bundesregierung in Migrationsfragen vor sich | |
herzutreiben. Nicht ohne Erfolg: Grünen-Chefin Ricarda Lang forderte am | |
Montag „endlich Fortschritte“ bei den Rückführungsabkommen. Zwar kassierte | |
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit seiner Forderung nach | |
einer „Obergrenze“ gerade eine Abfuhr der Bundesinnenministerin. Doch seit | |
Monaten schon meldet sich Nancy Faeser, SPD-Spitzenkandidatin in Hessen, | |
zum Thema vor allem mit restriktiven Plänen zu Wort. | |
Einige Punkte aus dem Unionsantrag hatte sie schon Anfang August in einem | |
Diskussionspapier im Nachgang des Bund-Länder-Gipfels zum Thema Flucht in | |
den Raum gestellt, etwa die Verlängerung des Ausreisegewahrsams von derzeit | |
10 auf 28 Tage. Zuletzt hatte das Bundesinnenministerium die freiwillige | |
Aufnahme von Geflüchteten aus Italien ausgesetzt mit der Begründung, das | |
Land verweigere seinerseits die Rücknahme Geflüchteter nach dem | |
Dublin-Abkommen. | |
## Es brauche mehr EU-Grenzschutz | |
„Deutschland sollte derzeit keine Migranten aus Italien aufnehmen“, | |
bekräftigte nun FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Rheinischen | |
Post. Vielmehr brauche es mehr EU-Grenzschutz, durch „physische Grenzen | |
ebenso wie eine strengere Überwachung des Mittelmeeres“. Viele Kommunen | |
seien bei der „Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern schon jetzt | |
akut überfordert“. | |
Der Grünen-Abgeordnete Julian Pahlke widerspricht: [5][Den | |
Solidaritätsmechanismus jetzt aufzukündigen], sende „kein gutes Signal an | |
die Staaten, mit denen wir gerade über eine Neuaufstellung des europäischen | |
Asylsystems verhandeln“, sagte er der taz. „Europäische Solidarität | |
aufzukündigen eignet sich wirklich nicht als Wahlkampfansatz.“ Auch die | |
Forderungen nach mehr Restriktion sieht er kritisch. Vielmehr müsse der | |
Bund die Kommunen ausreichend unterstützen, auch finanziell. „Es ist | |
einfach nicht die Realität, dass man einen Schalter umlegt, und dann | |
fliehen weniger Menschen.“ | |
Auch die grüne Migrationsexpertin Filiz Polat fordert eine „nationale | |
Kraftanstrengung für eine Integrationsoffensive“. Die Union führe | |
„Scheindebatten“. Es sei die „Fortsetzung einer Politik, die wir aus 16 | |
Jahren unionsgeführtem Innenministerium kennen – und die gescheitert ist“. | |
19 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
Cem-Odos Güler | |
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