# taz.de -- Faeser und die Flüchtlingsverteilung: Aufnahmestopp bleibt bestehen | |
> Deutschland will keine Geflüchteten aus Italien aufnehmen. Schließlich | |
> nehme Italien Geflüchtete aus Deutschland nicht im vereinbarten Ausmaß | |
> zurück. | |
Bild: Wohin mit den Geflüchteten von Lampedusa? | |
Die gestiegene Zahl der Ankünfte auf der Mittelmeerinsel Lampedusa hat den | |
Streit über die Verteilung Geflüchteter innerhalb der EU neu angefacht. | |
Unter anderem geht es dabei um den Freiwilligen Solidaritätsmechanismus | |
(VSM). Am vergangenen Mittwoch hatte Deutschland – zum Ärger der Regierung | |
in Rom – [1][dessen vorübergehende Aussetzung angekündigt], weil Italien | |
seinerseits Verpflichtungen bei der Rücknahme Geflüchteter aus Deutschland | |
nicht nachkommt. Dabei soll es nun erst mal bleiben. | |
Am Freitag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in der ARD | |
gesagt, das freiwillige Aufnahmeverfahren sei ausgesetzt worden, „weil | |
Italien keinerlei Bereitschaft gezeigt hat, im Wege des Dublin-Verfahrens | |
Leute zurückzunehmen“. Faeser fügte unmittelbar danach hinzu: „Jetzt ist | |
natürlich klar, dass wir unserer solidarischen Verpflichtung auch | |
nachkommen.“ Die Äußerung war zunächst so interpretiert worden, dass | |
Deutschland angesichts der [2][Lage auf Lampedusa] die freiwillige Aufnahme | |
von Migranten aus Italien doch fortsetzen wolle. Die Unionsfraktion warf | |
Faeser daraufhin am Samstag vor, sie richte in der europäischen | |
Migrationspolitik Chaos an und zerstöre Vertrauen. | |
Tatsächlich aber blieb das BMI bei seiner Linie. Am Samstag sagte ein | |
Sprecher Faesers, der freiwillige Solidaritätsmechanismus „wurde nicht | |
ausgesetzt. Es finden lediglich aktuell keine Interviews zur Vorbereitung | |
von weiteren Übernahmen aus Italien statt, diese können aber jederzeit | |
wieder aufgenommen werden.“ In Rom wird dies zweifellos als Aufnahmestopp | |
gewertet. In einer Telefonkonferenz hatte Faeser am Samstag mit den | |
Innenministern Italiens, Spaniens und Frankreichs sowie EU-Innenkommissarin | |
Ylva Johansson gesprochen und versichert, dass Deutschland sich weiterhin | |
solidarisch zeigen werde. Faeser habe in dem Telefonat humanitäre | |
Unterstützung Deutschlands auf Lampedusa angeboten. | |
Der Solidaritäsmechanismus fällt zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Symbolisch | |
ist er aber umso bedeutsamer. Im Sommer 2022 hatten sich 18 der 27 | |
EU-Staaten auf das Verfahren geeinigt. Es sieht vor, bis Ende dieses Jahres | |
zunächst 13.000 Flüchtlinge aus den Außengrenzen-Staaten Zypern, | |
Griechenland, Malta und Spanien in andere Teile der EU umzuverteilen. | |
Die Außengrenzen-Staaten hatten eine solche Umverteilung seit Langem | |
gefordert – eine Reihe der osteuropäischen Länder lehnen sie aber strikt | |
ab. 13 EU-Staaten machten seither freiwillig konkrete Zusagen für die | |
Aufnahme von insgesamt 8.000 Menschen. Deutschland, das sich sehr für den | |
Mechanismus starkgemacht hatte, sagte 3.000 Plätze zu. Es ist eins der | |
zentralen Zugeständnisse an die Außengrenzen-Staaten, um in der EU eine | |
Mehrheit für das derzeit verhandelte [3][Gemeinsame Europäische Asylsystem] | |
zu schaffen. Doch die Umsetzung des Mechanismus verlief sehr schleppend. | |
Bis heute kamen rund 1.800 Menschen auf diesem Weg nach Deutschland, davon | |
rund 1.000 aus Italien. | |
Tatsächlich ziehen die meisten in Italien Ankommenden ohne Asylverfahren | |
auf eigene Faust weiter – und das häufig nach Deutschland. Italien ist | |
eigentlich verpflichtet, diese Menschen über die sogenannte Dublin-Regelung | |
zurückzunehmen. Doch Meloni hat diese im vergangenen Dezember faktisch | |
gestoppt. Von mehr als 12.400 Übernahmeersuchen an Italien durch die | |
Bundesregierung in diesem Jahr bis Ende August seien bislang nur zehn von | |
Italien akzeptiert worden, so das Innenministerium in Berlin. Unter der | |
Vorgängerregierung Melonis war das allerdings kaum anders. | |
17 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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