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# taz.de -- Flüchtlingshelfer aus dem Wendland: Atomkämpfer werden Seenotrett…
> Atomkraftgegner:innen wollen jetzt Flüchtlinge im Mittelmeer retten.
> Das Segelboot „Trottamar III“ hat seinen ersten Einsatz bereits hinter
> sich.
Bild: Will im Mittelmeer nach Booten Ausschau halten und Hilfe rufen: die Crew …
Göttingen taz | Seit Ende August verstärkt ein weiteres Schiff die Nothilfe
für [1][Geflüchtete im Mittelmeer]. An Bord des Segelbootes „Trottamar
III“, das am 25. August erstmals im sizilianischen Hafen Licata ablegte,
sind sechs Aktivist:innen aus dem Wendland. Sie wollen zwischen der
italienischen Insel Lampedusa und der tunesischen Küste kreuzen und nach in
Seenot geratenen Flüchtlingsbooten Ausschau halten.
Um selbst Geflüchtete an Bord zu nehmen, ist die „Trottamar III“ mit einer
Länge von 13 Metern zu klein. Die Crew will Betroffenen aber nach
Möglichkeit Erste Hilfe leisten und ihre Boote stabilisieren. Gleichzeitig
soll die italienische Küstenwache über drohende oder bereits eingetretene
Unglücksfälle auf See informiert werden. Zudem wollen die Leute aus dem
Wendland mögliche Menschenrechtsverletzungen wie illegale „Pushbacks“ –
also etwa das Zurückdrängen von Flüchtlingsbooten – dokumentieren.
„Das Mittelmeer wird zum europäischen Massengrab“, sagt Katja Tempel von
der wendländischen Initiative „Compass Collective“, die das Segelboot
betreibt. Tatsächlich sind seit 2014 mehr als 28.000 Menschen auf ihrer
Flucht über das Mittelmeer ertrunken, mehr als 2.200 allein seit Anfang
dieses Jahres.
Tempel und ihre Mitstreiter:innen sind überzeugt: In den kommenden Jahren
werde die Zahl der Menschen, die über das Mittelmeer flüchten, weiter
zunehmen, vor allem wegen der sich rasant verschärfenden Klimakrise in
Afrika und Asien. Es existierten keine legalen Wege, über die sich bedrohte
Menschen in Sicherheit bringen könnten. Europa trete die Würde der
flüchtenden Menschen „und damit auch unsere eigene“ mit Füßen, sagt Temp…
„Deswegen schicken wir ein Schiff.“
## Rettungsschiffe immer wieder festgesetzt
Aber ist das überhaupt sinnvoll, ein kleines Segelboot loszuschicken, wenn
gleichzeitig viel größere Schiffe von professionelleren Organisationen auf
Rettungsmission unterwegs sind? So viele Schiffe seien es ja gar nicht,
halten die Aktivist:innen dagegen. Sie berichten von zunehmenden
[2][Schikanen durch die italienischen Behörden] und verweisen darauf, dass
diese in der Vergangenheit die „Aurora“ von „Sea-Watch“, die „Sea-Eye…
und die „Open Arms“ für jeweils 20 Tage festgesetzt und mit empfindlichen
Geldstrafen belegt haben.
Die für rund 4,5 Millionen Euro gekaufte „Sea-Watch 5“, ein früheres
Versorgungsschiff, liegt seit Monaten im Hafen von Flensburg und [3][wird
dort für die Seenotrettung umgebaut]. Ihr erster Rettungseinsatz wird wohl
erst 2024 beginnen.
Auch die „Trottamar III“ wurde in den vergangenen Wochen für die
Seenothilfe ausgerüstet und beladen. An Bord befinden sich nach Angaben der
Besatzung 230 Rettungswesten, „schnell erreichbar in der vorderen Kajüte“.
Zwei lange Rettungsschläuche, so genannte Centifloats, sind seitlich am Bug
befestigt, sie könnten jederzeit schnell ins Wasser gelassen werden. Auch
fünf Rettungsinseln warten auf ihren Einsatz. Ebenfalls mit dabei sind 300
Liter Trinkwasser in Halbliterflaschen und Müsliriegel als
Notfallverpflegung für Geflüchtete auf dem Wasser.
Von der ersten Einsatzcrew im Alter von 28 bis 67 Jahren haben zwei
Mitglieder bereits Erfahrung auf Schiffen der Organisationen „Sea Watch“
und „Sea Eye“ gesammelt. Auch die anderen verfügen über Segelerfahrung, s…
bringen ihr Know-How als Techniker, Rettungsbootfahrer oder Koch ein.
Zusätzlich ist eine Italienerin mit an Bord, sie soll die Kommunikation mit
der italienischen Küstenwache erleichtern.
## Anti-Atom-Kampf bringt Rückenwind
Matthias Wiedenlübbert ist der Skipper. Er und die ebenfalls im Wendland
lebenden [4][Katja Tempel und Jan Becker haben „Compass Collective“
gegründet]. Tempel und Wiedenlübbert waren nach eigenen Angaben davor auf
Fluchtrouten zu Land unterwegs, um Menschen auf dem Weg zu einem sicheren
Ort insbesondere durch medizinische- und Hebammenhilfe zu unterstützen.
Im Wendland gibt es bereits mehrere Initiativen, die sich für Geflüchtete
einsetzen. So wies ein „Freundeskreis Mittelmeer“ mit Traueranzeigen und
einer Trauerfeier auf dem Dannenberger Marktplatz auf rund 35. 000 tote
Geflüchtete hin, die auf dem Weg nach Europa gestorben sind – viele davon
bei der Überfahrt im Mittelmeer. Im Elbstädtchen Hitzacker entsteht ein
interkulturelles Mehrgenerationendorf mit hunderten Bewohner:innen.
Das Wendland ist die Region in Niedersachsen, die seit 45 Jahren von der
Auseinandersetzung um die Atomenergie geprägt ist. Massenhafter und breit
getragener Protest habe schließlich ein Atommüllendlager in Gorleben
verhindern können, erklärt das „Compass Collective“. Dieser Erfolg bringe
den Rückenwind, um solidarisch gegen Abschottung und das Sterben auf dem
Mittelmeer anzusegeln.
Inzwischen ist das Segelschiff vom ersten Einsatz zurück, sagt Tempel. Die
Crew habe leere Boote angetroffen und dokumentiert. „Es war eine Zeit mit
viel Sturm, sodass zum Glück nicht viele Boote aufgebrochen sind.“ Nächste
Woche gehe der zweite Einsatz los, diesmal mit einer anderen Crew.
12 Sep 2023
## LINKS
[1] /Flucht-ueber-das-Mittelmeer/!5959128
[2] /Vorwuerfe-gegen-Italien-bei-EU-Kommission/!5944839
[3] /Neues-Seenotrettungsschiff-Sea-Watch-5/!5953879
[4] https://compass-collective.org/
## AUTOREN
Reimar Paul
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Schwerpunkt Flucht
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