# taz.de -- Asyldebatte im Bundestag: Alternativer Deutschlandpakt | |
> Die Union wollte am Freitag im Bundestag über sogenannte „irreguläre | |
> Migration“ diskutieren. Innenministerin Faeser warf ihr Wahlkampf vor. | |
Bild: „Wir steuern und ordnen Migration“, sagt Ministerin Faeser | |
Berlin taz | Seit Tagen heizen Union und FDP die Migrationsdebatte an. Am | |
Freitag debattierte der Bundestag über einen Antrag der Unionsfraktion für | |
einen „Deutschlandpakt in der Migrationspolitik“, um „irreguläre Migrati… | |
zu „stoppen“, wie es im Titel heißt. | |
Einen „Deutschlandpakt“ hatte Bundeskanzler Olaf Scholz vor zwei Wochen an | |
gleicher Stelle im Bundestag vorgeschlagen. In seiner Rede ging es | |
allerdings um gemeinsame Maßnahmen von Bund und Ländern sowie Regierung und | |
Opposition zur Modernisierung der Infrastruktur des Landes. | |
Die Union will diesen Vorschlag nun in ihre Richtung drehen und drängt auf | |
eine schärfere Asylpolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warf | |
ihr am Freitag im Bundestag deshalb vor, „Wahlkampf auf dem Rücken von | |
Menschen zu machen, die vor Krieg und Terror bedroht sind“ und sprach von | |
„Populismus pur“. Das würde nur die [1][Rechtsextremen] stärken. Sie | |
zitierte dazu Markus Söder: Man könne ein Stinktier nicht „überstinken“. | |
Ordnen, steuern, begrenzen – das sind die Schlüsselwörter der | |
Migrationsdebatte. Sie fielen am Freitag auch im Bundestag häufig. Im | |
Forderungskatalog der Union liegt der Fokus allerdings ganz klar auf | |
„Begrenzung“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach im Bundestag | |
von einer „Migrationskrise“, die er als „größte Herausforderung unserer | |
Zeit“ bezeichnete. | |
„Die Kommunen sind überlastet, die gesellschaftliche Akzeptanz schwindet“, | |
sagte Dobrindt. Der Bundesregierung warf er eine Politik vor, die „illegale | |
Migration ausweitet und fördert“, indem sie Anreize und [2][Pull-Faktoren] | |
schaffe. Innenministerin Faeser sei „kein Zugpferd, sondern das Trojanische | |
Pferd der Migrationskrise“, polterte Dobrindt, und umwarb sie zugleich: | |
„Lösen Sie sich vom grünen Gängelband.“ | |
## Faeser betont die Kooperation mit Polen | |
Die Union fordert in ihrem Antrag unter anderem, an den Grenzen zu Polen | |
und Tschechien Kontrollen einzuführen. Das Aufnahmeprogramm Afghanistan | |
will die Union bis auf die Aufnahme von Ortskräften einstellen. Außerdem | |
machte sich Dobrindt im Bundestag für Asylzentren an den Außengrenzen der | |
EU stark. Asylverfahren könnten auch „in sicheren Drittstaaten“ | |
durchgeführt werden, heißt es im Papier der Union, ohne dabei konkrete | |
Staaten zu nennen. Solche Ideen schweben auch der britischen und der | |
dänischen Regierung vor. Sie scheiterten bisher aber an internationalem | |
Recht. | |
„Wir steuern und ordnen Migration“, antwortete Innenministerin Nancy Faeser | |
der Union, und strich die vermeintlichen Erfolge ihrer Regierung heraus. | |
Man kooperiere an den Grenzen mit polnischen und tschechischen Behörden und | |
verstärke dort die so genannte Schleierfahndung, so die SPD-Politikerin. | |
Man arbeite mit Ländern und Kommunen „intensiv“ daran, mehr Abschiebungen | |
durchzuführen. | |
Man werde laut Faeser Schleusern das Handwerk legen und diese künftig | |
ausweisen; das habe die Union nicht getan. Man habe die Liste der sicheren | |
Herkunftsstaaten um Georgien und Moldau erweitert, das habe spürbare | |
Effekte. Außerdem: Man habe in Brüssel den „historischen Durchbruch“ zu | |
einem gemeinsamen europäischen Asylsystem der EU geschafft und werde die | |
Verhandlungen weiter voranbringen. Kurz: „Wir handeln, wo Sie nur fordern.“ | |
Und: „Unsere Maßnahmen wirken.“ Berichte, wonach sie plane, für Flüchtli… | |
den Familiennachzug zu erleichtern, wies sie zurück. Das habe sie im Moment | |
nicht vor, sagte die Innenministerin. | |
Mit ihrer Erzählung [3][trat Faser dem Katastrophenszenario entgegen], das | |
Dobrindt vorher gezeichnet hatte. Es blieb allerdings den Grünen | |
überlassen, ein anderes Wort in die Debatte einzubringen, das bis dahin | |
gefehlt hatte: „Humanität“. Das sei „eine Lehre aus unserer Geschichte�… | |
sagte Grünen-Ex-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: Sie erinnerte auch | |
daran, dass Geflüchtete, die Arbeit finden, selbst in Sozialsysteme | |
einzahlen. | |
Und sie meinte: „Wir hätten uns vorbereiten sollen.“ Fluchtmigration werde | |
es auch in Zukunft weiter geben, deshalb müsse man langfristig denken und | |
entsprechende Strukturen schaffen. Im Moment bräuchten Städte und Gemeinden | |
aber vor allem mehr Geld, um die aktuellen Herausforderungen zu meistern. | |
Das richtete sich auch an Finanzminister Lindner und die FDP und deren | |
Sparkurs. | |
## AfD wirft Union 180-Grad-Wende vor | |
Die AfD nutzte den Antrag der Union dagegen, um die Lage noch weiter zu | |
dramatisieren. Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der | |
AfD-Fraktion im Bundestag, sprach mit Blick auf die [4][Bilder aus | |
Lampedusa] von einer „Invasion“. „Das sind keine Schutzsuchenden. Das sind | |
Männer, vor denen wir Schutz brauchen“, schwadronierte er. „Schlimmer als | |
der menschengemachte Klimawandel“ sei „der menschengemachte | |
Bevölkerungswandel“. | |
Der Union warf Baumann eine migrationspolitische 180-Grad-Wende vor: Sie | |
übernehme „alle Positionen der AfD“, die sie einst zurückgewiesen habe. | |
Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, Sachleistungen statt Geld, den | |
Familiennachzug begrenzen – all das habe die AfD gefordert, als CDU und CSU | |
noch an der Regierung gewesen seien. Doch damals sei die Union „vor dem | |
links-grünen Mainstream eingeknickt“, während allein die AfD sich treu | |
geblieben sei. „Der einzige Grund für den Richtungswechsel der CDU ist der | |
Erfolg der AFD“, so Baumann. | |
Am Tag zuvor hatte es bereits einen Vorgeschmack auf diese Debatte gegen. | |
Auf Verlangen der AfD-Fraktion hatte sich der Bundestag bereits am Tag | |
zuvor in einer Aktuellen Stunde mit dem AfD-Antrag „Grenzschutz gegen | |
Massenmigration“ befasst. | |
Für die Union hatte sich Philipp Amthor von der AfD abgegrenzt. Diese | |
„instrumentalisiere“ die Migrationsdebatte für ihre Zwecke. Zugleich sprach | |
Amthor selbst von „Migrationskrise“ und „Migrationsdruck“, lobte Dänem… | |
als Vorbild in Sachen Abschiebungen und warb für „Grenzkontrollen, und zwar | |
flächendeckend“. Deutschland bräuchte einen „Systemwechsel“ in der | |
Migrationspolitik. | |
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Forderung nach mehr stationären | |
Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien bereits vor zwei Wochen | |
scharf zurückgewiesen. Von „Wahlkampffeuerwerk“ und „Polit-Placebo“ sp… | |
der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Sven Hüber in einer | |
Presseerklärung. | |
Es sei ein Irrglaube, dadurch die Zahl aufzunehmender Flüchtlinge | |
reduzieren zu können. Effektiver sei es, Schleuser zu bekämpfen und die | |
Schleierfahndung zu verdichten, heißt es in einem | |
Sechs-Punkte-Hintergrundpapier der Polizeigewerkschaft von Anfang | |
September. | |
22 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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