| # taz.de -- Ukrainische Geflüchtete in Deutschland: Die Solidarität ist ungeb… | |
| > Die Belastung der Kommunen ist durch den Angriffskrieg gestiegen. Dennoch | |
| > unterstützt die Bevölkerung die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. | |
| Bild: Willkommeszeichen: Aufenthaltsraum im Ankunftszentrum Tegel | |
| Berlin taz | Wenn Politiker*innen dieser Tage über Flucht und | |
| Geflüchtete sprechen, dann geht es zumeist um eins: [1][um Probleme]. Die | |
| Unterstützung für die etwas mehr als eine Million Geflüchteten aus der | |
| Ukraine scheint das bisher aber nicht zu mindern. „Die Solidarität in der | |
| Bevölkerung gegenüber Menschen aus der Ukraine ist immer noch sehr hoch“, | |
| sagt etwa der Politikwissenschaftler Hans Vorländer, Vorsitzender des | |
| Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR). | |
| Fast 11 Millionen Menschen mussten seit Beginn des russischen | |
| Angriffskriegs aus ihrer Heimat fliehen, davon hat Deutschland rund 1,1 | |
| Millionen aufgenommen. Für sie gelten hierzulande andere Regeln als für die | |
| meisten Geflüchteten: Die EU aktivierte im März 2022 die sogenannte | |
| Massenzustromrichtlinie, wonach Ukrainer*innen hier kein Asyl beantragen | |
| müssen. Sie erhalten „temporären Schutz“, können sofort arbeiten, sich | |
| selbst eine Wohnung suchen, statt in eine Unterkunft ziehen zu müssen – und | |
| sich innerhalb der EU frei bewegen. | |
| In den vergangenen Wochen und Monaten hatten Bund, Länder und Kommunen | |
| heftig um die Versorgung und Integration Geflüchteter gerungen. Kommunale | |
| Spitzenverbände warnten, die Kommunen seien am Limit und bräuchten mehr | |
| Geld. [2][Der Bund sicherte schließlich 1 Milliarde Euro zu]. | |
| Außerdem gab Deutschland sein [3][Ja zu massiven Asylrechtsverschärfungen | |
| auf EU-Ebene], um die Zahl der Ankommenden zu reduzieren, während | |
| hierzulande mal wieder überlegt wird, wie man schneller und mehr abschieben | |
| könne. | |
| ## Hoher Bedarf an Kita- und Schulplätzen | |
| Diese Debatte dreht sich aber bisher vor allem um Geflüchtete aus anderen | |
| Drittstaaten wie Syrien oder Afghanistan – und nicht um Menschen, die aus | |
| der Ukraine geflohen sind. Als etwa Niedersachsens Städtetagspräsident im | |
| Februar eine „Atempause“ für bestimmte Städte und Kreise bei der Aufnahme | |
| geflüchteter Ukrainer*innen forderte, stellte er im selben Atemzug fest: | |
| Er sei keineswegs für einen Stopp des Zuzugs. | |
| Man höre durchaus von Problemen in stark belasteten Kommunen, gerade aus | |
| größeren Städten, so Vorländer. Aus der Ukraine sind vor allem Frauen | |
| geflüchtet, viele von ihnen mit kleinen Kindern, während die Männer an der | |
| Front kämpfen. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Kita- und Schulplätzen. | |
| Auch die Unterbringung ist mitunter ein Problem, weil viele Menschen | |
| gleichzeitig kommen, während in den vergangenen Jahren Unterbringungsplätze | |
| abgebaut wurden und der private Wohnungsmarkt vielerorts ohnehin angespannt | |
| ist. | |
| ## Solidarität für Geflüchtete | |
| „Vor allem die mit dem Thema befassten Behörden sind vielerorts an der | |
| Grenze der Belastbarkeit, manchmal darüber hinaus“, konstatiert Vorländer. | |
| Das wirke sich zwar stark auf die aktuelle Asyldebatte aus. „Aber dass es | |
| zu Akzeptanzproblemen gegenüber Menschen aus der Ukraine führt, konnten wir | |
| bisher nicht feststellen.“ | |
| Tatsächlich ist die Unterstützung für Ukrainer*innen trotz der sich | |
| verschärfenden Asyldebatte bisher stabil. „Viele Menschen haben sich sofort | |
| solidarisch gezeigt – sei es auf der Straße oder auch im Ehrenamt“, sagt | |
| Tareq Alaows von Pro Asyl. Das halte bis heute an, aber: „Die | |
| Ehrenamtlichen haben Aufgaben übernommen, für die eigentlich der Staat | |
| verantwortlich ist, und haben gleichzeitig selber mit den Folgen von | |
| Pandemie und Inflation zu kämpfen.“ Viele seien erschöpft, warnt er. | |
| Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland Geflüchteten gegenüber | |
| ist generell relativ hoch – besonders gegenüber Menschen aus der Ukraine. | |
| Das zeigt eine Untersuchung des SVR aus dem Juli. | |
| ## Ein Thema mit Sprengstoffpotential | |
| Einzelne Äußerungen wie etwa die des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der | |
| Ukrainer*innen i[4][m Oktober eine Art „Sozialtourismus“ unterstellte], | |
| seien bislang nicht in den allgemeinen Diskurs gedrungen, sagt | |
| Politikwissenschaftler Hans Vorländer. „Wir sehen bisher eigentlich nur auf | |
| rechtsextremen Demonstrationen in Ostdeutschland, dass Forderungen für | |
| Frieden in der Ukraine verbunden werden mit dem Argument, deutschen | |
| Wohlstand zu schützen.“ Er warnt aber auch, dass sich das angesichts der | |
| multiplen Krisen dieser Tage ändern könne. „Nächstes Jahr wird in mehreren | |
| ostdeutschen Ländern gewählt – da kann das Thema schon zum Sprengstoff | |
| werden, fürchte ich.“ | |
| Der vorübergehende Schutz, den Ukrainer*innen genießen, läuft im März | |
| 2024 aus. Dann können die EU-Innenminister*innen ihn um ein weiteres Jahr | |
| verlängern. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl, aber auch | |
| Ausländerbehörden und kommunale Spitzenverbände haben zwecks | |
| Planungssicherheit [5][gerade erst] eine rasche Entscheidung gefordert. | |
| Eine taz-Anfrage an das Bundesinnenministerium, wie es um die Entscheidung | |
| steht und was passiert, sollte der Krieg länger als drei Jahre dauern, | |
| blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. | |
| 24 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Notunterkuenfte-in-Berlin/!5947811 | |
| [2] /Fluechtlingsgipfel/!5933923 | |
| [3] /Kritik-an-Fluechtlingsgipfel/!5933962 | |
| [4] /Merz-unterstellt-Sozialtourismus/!5880211 | |
| [5] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-fluechtlinge-schutz-eu-100.h… | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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