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# taz.de -- Probleme in der Ausländerbehörde: „Ein blinder Fleck der Politi…
> Helge Lindh (SPD) hat ein Praktikum in Wuppertals Ausländerbehörde
> gemacht. Seine Kritik: Mitarbeitende stehen unter Druck, Digitalisierung
> fehlt.
Bild: Auch die Bedingungen in Krisengebieten, in die Deutschland Menschen absch…
Wuppertal taz | „Triggerthemen“ nennt der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge
Lindh aus Wuppertal sie: Migration, Integration, Ausländerbehörde. Die
Bereiche werden viel diskutiert und sind ideologisch aufgeladen. Dabei
kommen die konkreten Auswirkungen auf alle Beteiligten in den Kommunen
Lindh zufolge oft zu kurz. In Wuppertal entstand deshalb die Idee, einen
Vertreter der Politik aus Berlin zu einem „Praktikum“ in das Haus der
Integration zu holen. Dort befinden sich unter einem Dach vereint die
Ausländerbehörde, das kommunale Integrationszentrum und die Bereiche
Unterbringung und wirtschaftliche Hilfen.
Helge Lindh wollte sich nach Jahren als Vorsitzender des Integrationsrats
der Stadt einen tieferen Eindruck der umstrittenen Behörden verschaffen.
Ende August begab er sich für vier Tage in die verschiedenen Bereiche des
Hauses. Der Bundestagsabgeordnete spricht angesichts kurzer Wege und einer
engen Verzahnung der Bereiche von einer „positiven Ausnahme“, durch die die
Zusammenarbeit erleichtert wird. Doch auch in Wuppertal kennt man die
Probleme, mit denen viele Kommunen kämpfen: Das Personal wechselt häufig,
die Arbeitsbelastung ist hoch.
Nach Angabe von Suna Lenz, Leiterin des Ressorts Zuwanderung und
Integration, haben 43 Prozent der Menschen in Wuppertal eine
Zuwanderungsgeschichte. Sie benötigen von der Behörde Unterlagen,
Verlängerungen oder Unterstützung – Dokumente, die fast ausschließlich in
Papierform vorliegen, weil die Digitalisierung noch [1][nicht weit genug
vorangeschritten] ist.
## Der Redebedarf ist hoch
Lindh erklärt: „Wenn neue Gesetze und Regeln kommen, wird meist nicht
diskutiert, was das mit der Wirklichkeit zu tun hat – das ist ein blinder
Fleck der Politik.“ Manchmal handele es sich nur um einzelne Paragrafen,
die nicht funktionieren, manchmal führten neue Gesetze in der Anwendung zu
Widersprüchen mit bereits bestehenden Gesetzen.
Während seines Praktikums begleitete er sie in die Beratung mit den
Antragstellenden, musste Akten kopieren und in einer Unterkunft ein Bett
aufbauen. Im Austausch mit den Mitarbeitenden der Behörde glich Lindh dann
die Entscheidungen der Politik in Berlin mit dem ab, was das für diese
Stadt bedeutet – und bemerkte: Der Redebedarf ist hoch. „Die Mitarbeitenden
bekommen viel Druck ab – aus allen Richtungen“, so Lindh. Die Behörden
versuchten, die Gesetze anzuwenden, stünden aber auch immer moralisch in
der Verantwortung – schließlich gibt es einen Ermessensspielraum für
Einzelfälle. „Es ist ja nicht der emotionslose Staat, der dort arbeitet.“
Dies zeige sich auch daran, dass viele der Mitarbeitenden im Laufe der Zeit
teils eine [2][Nähe zu den Antragstellenden] aufbauten. Mitgefühl spiele
eine Rolle, außerdem gehe beispielsweise eine Sozialarbeiterin anders mit
Geflüchteten um als eine Sachbearbeiterin – was besonders dann schwierig
sei, wenn beide Funktionen von ein und derselben Person erfüllt werden
müssten.
Allein während der vier Tage in der Wuppertaler Behörde habe Helge Lindh
viele hochemotionale Situationen erlebt: „Es sind auch Tränen geflossen“ �…
etwa als eine marokkanische Ärztin aus der Ukraine verzweifelt darum rang,
in Deutschland bleiben und arbeiten zu dürfen.
Emotional werde es eigentlich immer, wenn Menschen abgeschoben werden
sollen – und zwar auf beiden Seiten. Manchmal drohen die Situationen zu
eskalieren. Bei einer [3][der vielen Abschiebungen], im August 2022, hatte
ein Geflüchteter eine Sachbearbeiterin der Wuppertaler Behörde mit einem
Messer angegriffen und verletzt. In der Mehrheit der Fälle verhalten
Betroffene sich friedlich. Doch auch wenn sie sich juristisch gegen
Abschiebungen wehren, stellt dies Aufwand für die Mitarbeitenden dar. „Wir
denken immer, dass sich die Regeln von alleine anwenden. Aber die
Mitarbeitenden müssen umsetzen, was die Politik,verbricht'.“
Wichtig sei, findet Praktikant Lindh ebenso wie die Ressortleiterin Lenz,
dass die Arbeit der Behörden bald digitalisiert wird, um die Schritte
effizienter zu machen und den Mitarbeitenden beispielsweise Homeoffice zu
ermöglichen, was wiederum die Attraktivität des Jobs steigere.
„Wenn Bund und Land hier keine Mittel zur Verfügung stellen, wird das aber
schwierig“, betont Lenz. „Man muss den Kommunen mehr zuhören, um zu wissen,
was die realen Probleme sind.“ Dazu gehört, dass den Städten und Gemeinden
häufig die Ressourcen fehlen, um entsprechende Strukturen aufzubauen, damit
sie die Aufgaben so erledigen können, wie es die Gesetze fordern. Suna Lenz
hat hierbei noch nicht einmal Mittel für konkrete Projekte wie die
Errichtung einer Unterkunft im Sinn. „Es fängt schon damit an, dass ein
Team der etwa 300 Mitarbeitenden am laufenden Band rechtliche Schulungen
gibt, damit wir uns an geänderte Gesetzeslagen anpassen können.“
Über das Praktikum von Lindh hat Lenz sich gefreut, da so über das Thema
gesprochen werde. Aber Reden allein reiche nicht. Nicht nur für einzelne
Abgeordnete wünscht sie sich einen „Realitätscheck“, sondern für die
Gesetzgebung im Ganzen.
22 Sep 2023
## LINKS
[1] /Laenger-im-Gefaengnis-wegen-IT-Problemen/!5953200
[2] /Landesamt-fuer-Einwanderung/!5953063
[3] /Steinmeier-zu-Migration/!5958393
## AUTOREN
Alina Komorek
## TAGS
Bundestag
Migration
Schwerpunkt Flucht
Ausländerbehörde
Wuppertal
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Schwerpunkt Flucht
Nancy Faeser
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