Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Abgeordnetenhauswahl 2023: Giffey knöpft sich die CDU vor
> Auf Klausur in Brandenburg stimmt Raed Saleh seine SPD-Fraktion auf den
> Berliner Wahlkampf ein.
Bild: Gemeinsam Wahlkampf gegen die CDU: die Berliner SPD-Parteichef:innen Fran…
Gross-Behnitz/Berlin taz | Aus dem beschaulichen brandenburgischen Dorf
Groß-Behnitz, 615 Einwohner und rund 50 Kilometer westlich vom Roten
Rathaus, sollen sie kommen: Prägende Impulse für Senat und Partei,
ausgeschlaut von der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
Die ist dazu in Klausur gegangen, einfach mal voraussetzend, dass die
Sozialdemokraten auch nach der Wahlwiederholung am 12. Februar mitregieren.
Die Top-Themen sind dabei nicht etwa die Silvester-Ausschreitungen oder
Klimaschutz, sondern eine neue Kinderklinik, Seniorenarbeit und
Verkehrssicherheit.
Vier Wochen vor dem Wahltermin aus Berlin wegfahren, dafür auf
Wahlkampftermine zuhause verzichten? Wäre es da nicht sinniger, sich nach
der Wahl zu treffen, wenn klar ist, [1][ob die SPD künftig auch wirklich
Berlin regiert]?
Torsten Schneider, der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion und
damit im Grunde ihr Manager, macht in Groß-Behnitz gleich zu Beginn klar,
dass es die Tradition war, an der man festhalten wollte. Seit 1994 gehe die
Fraktion im Januar in Klausur, nur 2021 fiel die Tagung wegen Corona aus,
2022 wurde sie auf Juni verschoben. Das verpflichtet offenbar. Immerhin
wurde die sonst dreitägige Klausur stark verkürzt auf rund 25 Stunden.
## Kein schnelles Enteignungsgesetz
Kurz und kompakt also die eigenen Leute nochmal motivieren und möglichst
Schlagzeilen machen. Für mitreisende Journalisten ist es auch eine gute
Gelegenheit, bei führenden Köpfen gleich mal Reaktionen auf jüngste
Ereignisse abzufragen. Wie etwa den [2][Parteitag des Koalitionspartners
Linkspartei am Vorabend]. Da hat deren Spitzenkandidat, Kultursenator Klaus
Lederer, angekündigt, dass der Senat bis Ende 2023 ein Enteignungsgesetz
vorlegen könnte.
Damit soll der Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienunternehmen
vom 26. September 2021 umgesetzt werden. Er halte es für möglich, innerhalb
eines Jahres einen Gesetzentwurf rechtssicher und sauber vorzubereiten und
im Senat zu beschließen, hatte sich Lederer am Freitag geäußert.
Also gleich mal nachgefragt bei der Regierenden Bürgermeisterin und
SPD-Chefin Franziska Giffey. Die hat vor der nun zu wiederholenden
Parlamentswahl 2021 die Enteignung von großen Immobilienunternehmen als
„Rote Linie“ für eine Koalition bezeichnet und sieht das auch jetzt anders
als Lederer. „Das halte ich für eine kühne Ankündigung“, sagt Giffey der
taz, die könne sie nicht unterstützen.
Giffey hatte schon mehrfach darauf verwiesen, dass ein im Dezember
vorgelegter Zwischenbericht der vom Senat eingestezten
Enteignungskommission kein Abschlussbericht sei und wiederholt das auch
jetzt. „Wir haben noch keine Ergebnisse“, sagt sie in Groß-Behnitz. Die
Linkspartei interpretiert diesen Zwischenbericht hingegen so, dass er
bereits grünes Licht für eine Enteignung gebe. Über diesen Punkt hatte
Giffey auch am Freitagabend mit Gäst:innen [3][beim ersten taz Wahltalk]
diskutiert.
## Kinderklinik als Public-Private-Partnership
Die neue Kinderklinik, für die es bei der Klausurtagung viel Unterstützung
in der Fraktion gibt, stellt nicht nur ein gesundheitspolitisches, sondern
auch ein grundsätzliches Thema für die SPD-Abgeordneten dar. Denn die
Klinik, dringend nötig nicht nur wegen der Überlastung der Berliner
Kindermedizin jüngst zu Weihnachten, soll als Mieter in ein privat zu
errichtendes Gebäude einziehen.
So stellt es Charité-Klinikdirektorin Angelika Eggers vor, die von der
Fraktion als Gast eingeladen worden war. PPP, Private-Public-Partnership
nennt sich das, ein Konstrukt, das in der jüngeren Vergangenheit in der SPD
nicht mehr sonderlich angesagt war. Großer Vorteil aus Sicht von Eggers:
Auf diese Weise könnte die Klinik in fünf Jahren fertig sein – als
staatlicher Bau würde es doppelt so lang dauern.
Giffey ist offen dafür mit privaten Partnern zu arbeiten, auch wegen der
Kosten. „Wenn wir als Mieter reingehen“ – wofür sie jährlich grob neun
Millionen veranschlagt – „ist das auf jeden Fall realistischer, als wenn
wir ein Projekt für eine halbe Milliarde starten.“ Aus der Fraktion meldet
sich in der Diskussion niemand, der Vorbehalte ein solches Modell hätte.
„Ich finde gut, dass wir ideologische Grundsätze haben“, sagt der Treptower
Abgeordnete Lars Düsterhöft. Aber man müsse trotzdem abwägen, was wichtiger
ist – und das sei, dass die Klinik schnell fertig wird.
Am Rande der Klausur, die das Wahlkampf-Finale beflügeln soll, ist durchaus
auch die Befürchtung zu vernehmen, dass das Bundesverfassungsgericht die
Wahlwiederholung noch kippen könnte. Eine solche Skepsis mündet meist in
eine Art Da-hilft-nur-abwarten-wir-können's-eh-nicht-ändern. Das
bekannteste Gesicht unter denen, die mit ihrer Beschwerde das
Verfassungsgericht zum Kippen gedrängt haben, fehlt in Groß-Behnitz:
Exfinanzsenator Matthias Kollatz, SPD-Abgeordneter in einem Steglitzer
Wahlkreis, hat sich laut Fraktionsangaben krank gemeldet.
## Gegen Vornamen-Debatte der CDU
Giffey, die bei ihrer Rede laut beklatscht wird, weist der SPD unter den
Parteien, die gerade so sehr für sich werben, eine Alleinstellung zu: Nur
die SPD habe die ganze Stadt im Blick, auch wenn andere das gleichfalls
behaupten würden. Kurz blickt sie nochmal auf die Ausschreitungen der
Silvesternacht zurück. Da mag sie nichts unter den Teppich kehren und die
Attacken konsequent bestrafen. Aber dabei bringt es aus ihrer Sicht gar
nichts, wenn die CDU-Fraktion nach den Vornamen der Festgenommenen fragt
und damit nahe legt, die Attacken seien ein Integrationsproblem.
„Wir müssen wegkommen von der Diskussion, wann jemand ein richtiger
Berliner ist und ab wann nicht“, sagt Giffey. Wenn man alle abziehe, die
nicht bis ins Mittelalter Berliner Herkunft hätten, dann wäre der
Tagungsraum der Klausur leer, mutmaßt sie. „Ich kann nicht akzeptieren,
dass der Name darüber entscheidet, ob ich jemanden als guten oder
schlechten Menschen einstufe.“
Fraktionschef Raed Saleh sieht die CDU wegen der Reaktionen auf die
Vornamen-Frage zunehmend isoliert. Nicht nur die Grünen hätten sich von ihr
distanziert, aus seiner Sicht gibt es auch starken Gegenwind bei den
Christdemokraten selbst. Der Tagesspiegel hatte berichtet, der
[4][Landesgeschäftsführer des CDU-Nachwuchsverbands Junge Union] habe die
Vornamenabfrage als „weniger hilfreich“ kritisiert.
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner steht für Saleh deshalb zunehmend allein da.
„Hier sitzt die Regierende Bürgermeisterin“, sagt Saleh unter dem Beifall
der Fraktion, „und da irgendwo schleicht der Herr Wegner von der CDU – der
einsame Kai.“
15 Jan 2023
## LINKS
[1] /Beginn-des-Wahlkampfs-in-Berlin/!5906861
[2] /Berliner-Linke-Landesparteitag/!5908704
[3] /taz-Talks-zur-Berlin-Wahl-1/!5908718
[4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/vornamen-abfrage-nach-silvester-in-der-b…
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Berlin
Franziska Giffey
SPD Berlin
Raed Saleh
Bettina Jarasch
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Berlin
Kai Wegner
Franziska Giffey
Schwerpunkt AfD in Berlin
Wochenkommentar
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Lesestück Recherche und Reportage
Silvesterknallerei
Jugendgewalt
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Migrationshintergrund
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wahlkampf in Berlin: Die Küchenhelfer von der SPD
Parteichef Klingbeil und Berlins Fraktionschef Saleh besuchen die Tafel in
Spandau. Zumindest bei den Mitarbeitenden kommt das gut an.
Landesparteitag der Berliner Grünen: Jarasch wirbt für gutes Klima
Die grüne Spitzenkandidatin kämpft um die Stimmen von frustrierten
Klimaschützern. Von der CDU grenzt sie sich deutlich ab – kopiert aber eine
Kampagne.
Wahlumfragen in Berlin: Zartgrün ist der Horizont
In einer neuen Umfrage vor der Berliner Wiederholungswahl verliert die SPD
überraschend deutlich. Jetzt müssen die Grünen aus der Reserve finden.
taz-Talk zur Berlin-Wahl (2): Lederer legt Giffey Rücktritt nahe
Der Spitzenkandidat der Linken hält sich mit Angriffen auf die politischen
Gegner zurück. Doch bei der Enteignungs-Frage wird Klaus Lederer deutlich
Wahlwiederholung am 12. Februar: König ohne Land
CDU-Chef Kai Wegner steuert nach der neuesten Umfrage auf einen Wahlsieg zu
– und könnte trotzdem im Abgeordnetenhaus in der Opposition bleiben
Wahlwiederholung am 12. Februar: Enteignung als Gewissensfrage
Beim Spitzenkandidatentreffen positioniert sich Giffey klar gegen
Enteignung von Wohnkonzernen. Grüne Jarasch will nicht alle Autos
verbannen.
Gaga-Wahlkampf in Berlin-Marzahn: Abgehängt mit Gunnar
Marzahn-Nord hat viele Probleme – und auch noch Gunnar Lindemann (AfD) als
Abgeordneten. Linke und SPD wollen ihm nun sein Direktmandat abluchsen.
Politik gegen Jugendgewalt in Berlin: Viel Wahlkampf, viele Tabus
Beim Gipfel gegen „Jugendgewalt“ wurden Millionen für mehr Sozialarbeit
angekündigt. Das ist schön – löst aber nur einen kleinen Teil der Probleme.
taz Talks zur Berlin-Wahl (1): Giffey gibt sich grün
Beim Wahltalk in der taz-Kantine lobt Regierungschefin Franziska Giffey
(SPD) ihre Klimapolitik. Doch das Publikum glaubt ihr nicht so ganz.
Wahlkampf in Berlin: Initiative will Geisel loswerden
Die Initiative Deutsche Wohnen enteignen ruft dazu auf, nur Kandidaten zu
wählen, die ihr Anliegen unterstützen. Der SPD-Bausenator gehört nicht
dazu.
Nach Silvester-Randale in Berlin: Neuköllner Kids
Seit der Gewalt gegen Einsatzkräfte Silvester in Berlin haben
Schuldzuweisungen Konjunktur. Aber wie schaut es tatsächlich im Bezirk
Neukölln aus?
Reaktion auf Randale an Silvester: Erfolg für Giffeys Krawall-Gipfel
Berlins Regierungschefin spricht mit Experten, Polizei und Politikern über
Folgen der Silvesternacht. Für die Ergebnisse gibt es überraschend viel
Lob.
Debatte über Jugendgewalt: „Ein schneller Gipfel bringt es nicht“
Franziska Giffey (SPD) lädt nach den Silvester-Krawallen zum
Jugendgewalt-Gipfel. Akteure aus Sozialarbeit, Schule und Polizei und
Feuerwehr fordern mehr.
Beginn des Wahlkampfs in Berlin: Wer wählt Giffey?
Fünf Wochen sind es noch bis zur Wiederholungswahl. Klare Favorit*innen
gibt es nicht. Die große Frage ist: Wie beliebt ist die Amtsinhaberin?
Gewalt an Silvester: Brennpunkt Berlin
Nach den Silvester-Krawallen spricht ganz Deutschland mal wieder über
Neukölln. Was sagen die Menschen im Kiez?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.