# taz.de -- Wahlwiederholung am 12. Februar: König ohne Land | |
> CDU-Chef Kai Wegner steuert nach der neuesten Umfrage auf einen Wahlsieg | |
> zu – und könnte trotzdem im Abgeordnetenhaus in der Opposition bleiben | |
Bild: Kai Wegners CDU liegt in der neuen Umfrage vorn. Dass er Regierungschef w… | |
BERLIN taz | Kai Wegner wirkt selten schlecht gelaunt und von | |
Selbstzweifeln geplagt. Aber als der CDU-Spitzenkandidat am Donnerstag in | |
Raum 453 der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus kommt, strahlt er noch ein | |
bisschen mehr als sonst. Was seinen Grund hat: Seit dem Vorabend liegt die | |
[1][neueste Wahlumfrage] vor, die erste seit vier Wochen, und die sieht die | |
CDU mit 23 Prozent klar vor Grünen (21) und SPD (18). Wegners Problem: Für | |
das bisherige links-grüne Bündnis reicht es trotzdem weiter für eine | |
Mehrheit. Ist das auch am Wahlabend des 12. Februar so, würde der CDU-Chef | |
zum König ohne Land: Trotz Wahlsiegs bliebe er in der Opposition. | |
Das will Wegner natürlich an einem solchen Tag nicht hören. „Ich kann mir | |
nicht vorstellen, dass die Wahlverlierer vom 12. Februar eine Koalition | |
gegen den klaren Wahlsieger bilden“, sagt er in Raum 453, wo es eigentlich | |
um den A100-Weiterbau geht, der nach CDU-Willen überdeckelt und begrünt | |
eine „Klimaautobahn“ werden soll. Wegners Optimismus baut sichtlich darauf, | |
dass die jetzigen 23 Prozent das [2][beste Umfrageergebnis der CDU seit | |
fast drei Jahren] sind. | |
Bei der nun zu wiederholenden Wahl vom 26. September 2021 hatte die CDU nur | |
18 Prozent der Stimmen bekommen. Das war allerdings immer noch besser als | |
bei der Wahl 2016 und noch nicht mal einen Prozentpunkt schlechter als die | |
zuvor so hoch gewetteten Grünen. | |
Das damalige Ergebnis galt vor allem deshalb als gar nicht so mies, weil | |
die CDU bei der parallelen Bundestagswahl gemessen an früherer Stärke viel | |
schlechter abschnitt. Aktuell aber haben die Christdemokraten bundesweit | |
wieder viel größeren Rückhalt als 2021. Dieser Trend wirkt sich sichtlich | |
auf die Berliner Landesebene aus. Denn große eigene Akzente konnte die CDU | |
seither nicht setzen. Während im Bundestag CDU-Bundeschef Friedrich Merz | |
zumindest gelegentlich erfolgreich die Ampelregierung unter Druck setzt, | |
ist Wegner im Landesparlament weit weniger auffällig. Als eigentlicher | |
Oppositionsführer gilt der Chef der kleinsten Parlamentsfraktion, Sebastian | |
Czaja, der häufiger und eloquenter auftritt. | |
Wobei es nicht so ist, dass Wegner nicht reden könnte – sein Auftritt beim | |
jüngsten CDU-Landesparteitag war einer der Besten, die er je hatte. Und wer | |
ihn bei Terminen im kleinen Kreis begleitet, erlebt jemanden, der durchaus | |
Leute begeistern kann. | |
Wegner und seine CDU dürften in der Umfrage auch von Problemen der | |
Gegenseite profitiert haben. Bei den Grünen gibt es nach dem Streit um die | |
Lützerath-Räumung enttäuschte Anhänger, die andere Parteien zu unterstützen | |
oder gar nicht zu wählen drohen. Und der SPD dürften manche vorhalten, dass | |
es zu den viel diskutierten Ausschreitungen an Silvester kommen konnte. Der | |
CDU könnte zudem genutzt haben, dass möglicherweise nicht alle ihre | |
Reaktionen auf jene Silvesterereignisse als so rassistisch empfinden wie es | |
Grüne oder Linke tun. Parteichef Merz etwa hatte nach den Attacken vor | |
allem durch junge Männer von [3][„kleinen Paschas“] gesprochen – die | |
Abgeordnetenhausfraktion hatte nach den Vornamen der Festgenommenen | |
gefragt. | |
Was der CDU mit Blick aufs Wahlergebnis vielleicht nützt, verbaut ihr aber | |
derzeit den Weg in die Regierung: Wegen der Vornamenaktion hat | |
Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch eine Koalition mit der CDU | |
[4][mehr oder minder ausgeschlossen]. Allein mit der FDP aber bekommt | |
Wegner keine Mehrheit im Abgeordnetenhaus zusammen. | |
Die Hoffnungen der CDU können sich höchstens darauf stützen, dass die SPD | |
am 12. Februar historisch schlecht abschneidet und deshalb Erneuerung in | |
der Opposition sucht. Eine zweite Variante wäre, dass die SPD lieber mit | |
dem Wahlsieger CDU ein Zweierbündnis eingeht, als mit deutlich weniger | |
Senatsposten kleiner Partner im bisherigen links-grünen | |
Drei-Parteien-Bündnis zu sein. | |
Ein schwarz-grünes Bündnis, an dem Wegner hintergründig seit vielen Jahren | |
bastelt, wäre wie Schwarz-Rot auch theoretisch nur möglich, wenn die FDP es | |
wegen der 5-Prozent-Hürde nicht wieder ins Parlament schafft. Angesichts | |
oft spürbarer CDU-Allergie bei linken Grünen, vor allem aus den | |
Kreisverbänden Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, wirkt diese Option | |
erst einmal weltfremd. Auch die weit auseinander laufender Vorstellungen | |
zur A100, wo die Grünen „Stopp“ sagen, während Wegner in Raum 453 eine | |
Klimaautobahn vorschwebt, sprechen dagegen. | |
Etwas aber macht die schwarz-grüne Variante durchaus glaubwürdiger: Das ist | |
das fortwährende Warnen der SPD vor einem solchen Bündnis. Das gilt bei den | |
Sozialdemokraten als gar nicht so unrealistisch – auch wenn man dort Wegner | |
offiziell für isoliert hält und als „der einsame Kai“ verspottet. | |
19 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/01/berlin-trend-wahl-abgeordnette… | |
[2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm | |
[3] /Debatte-ueber-Silvester-Gewalt/!5906228 | |
[4] https://www.tagesspiegel.de/berlin/absage-an-schwarz-grun-in-berlin-jarasch… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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