Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ole von Beust über Berlins CDU: „Nicht in allen Punkten zeitgem�…
> Hamburgs Ex-Regierungschef hat im Wahlkampf 2021 die Berliner CDU
> beraten. Nun empfiehlt er den Parteifreunden, sich von Dogmen zu
> verabschieden.
Bild: Ole von Beust mit CDU-Spitzenkandidat Wegner (r.) im Wahlkampf
taz: Herr von Beust, was läuft eigentlich falsch in der Berliner CDU? Im
Abgeordnetenhaus hat schließlich nicht die Union, sondern die kleine
FDP-Fraktion mit Sebastian Czaja an der Spitze [1][die
Oppositionsführerschaft übernommen].
Ole von Beust: Ob da etwas falsch läuft, kann ich von außen nicht
beurteilen. Ich glaube zum einen, dass die Enttäuschung groß war, mit einem
halbwegs passablen Wahlergebnis – auch im Sog der verlorenen Bundestagswahl
– letztlich [2][doch in der Opposition zu landen]. Und diese Enttäuschung
muss man erst mal überwinden.
Das sollte so langsam aber mal passiert sein – die Wahl war am 26.
September.
Das gilt aber nicht nur für Berlin. Wenn ich mir zum Beispiel meine
Heimatstadt Hamburg angucke, ist die Situation auch nicht besser. Dort
liegt die CDU bei Umfragen bei 13, 14 Prozent, und in vielen anderen
Großstädten ist es nicht anders: Die CDU hat dort nach wie vor ein massives
Problem. Und das Dritte ist, dass man vermutlich gerade in Städten nur
gewinnt, wenn man ein über die Parteigrenzen hinweg grenzüberschreitendes
programmatisches und personelles Angebot macht.
Das [3][Angebot der CDU war Kai Wegner], der ja zuvor sogar mal
Metropolenbeauftragter der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion war und in dieser
Rolle für bessere Großstadt-Verankerung sorgen sollte.
Das ist ein langer Prozess und auch nicht von einer Person alleine
hinzukriegen – eine Reihe von Ideen hatte und hat er ja durchaus.
Im Wahlkampf und davor hat die Berliner CDU viel versucht, sich hipp und
großstädtisch zu geben, ist sogar weg von den bundesweiten Parteifarben und
auf ein schwarz-oranges Logo umgeschwenkt hin – mit begrenztem Erfolg.
Der Wahlkampf war witzig und originell. Aber in der Empfindung der
Bevölkerung muss die Werbung auch zum Produkt passen. Und wenn Sie nur eine
flockige Werbung haben, aber das Produkt selber nicht als in allen Punkten
zeitgemäß angesehen wird, wird das eher nach hinten losgehen.
Was stimmt denn am Produkt nicht?
Ich will mal Beispiele aus der Vergangenheit nennen, und dann kann man zur
Gegenwart kommen. Die CDU hat ja jahrzehntelang eine Monstranz vor sich her
getragen: Dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, obwohl gerade in den
Großstädten der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund schon bei 30,
40 Prozent gelegen hat, in Schulklassen sogar bei 50 Prozent und mehr. Doch
mit so einem Dogma erfüllen Sie vielleicht die Herzen der eigenen Leute,
aber das reicht nicht, um zu gewinnen …
… sondern eben noch nicht mal für 20 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl.
Das Gleiche sehe ich bei der Verkehrspolitik. Die CDU tut sich immer noch
relativ schwer, nicht als Autofahrerpartei zu gelten. Maßnahmen, im
innerstädtischen Bereich den Autoverkehr zu reduzieren, gehen weiter gegen
das CDU-Herz. So bin ich ja selbst sozialisiert. Viele Leute wollen sich
aber in der Innenstadt als Fußgänger, als Fahrradfahrer, als Einkäufer frei
mit hoher Qualität bewegen können. Mit der Einsicht, dass man im Regelfall
außer beim Lieferverkehr in der Innenstadt kein Auto braucht, tut man sich
als CDU weiter schwer, in Berlin genau wie in anderen Großstädten.
Aber gerade in dem letzten Fall unterscheidet sich die CDU-Position ja kaum
von der der SPD. Die lehnt es genauso ab, Autos drastisch zu reduzieren.
Und diese Überschneidung gilt – jenseits von Migration – für viele große
Themen, von Baupolitik bis zu Sicherheit.
Die SPD ist am Wahlergebnis in Berlin ja auch nicht viel besser als die CDU
gewesen.
Nicht viel besser, tatsächlich, aber eben die entscheidenden 3,4
Prozentpunkte besser.
Die würde ich klar der Spitzenkandidatin zuordnen …
… Franziska Giffey…
… die als Typ einfach zu Berlin passt, so würde ich das zumindest als
„Halbberliner“ sehen. Zumal ihre Ansichten größere Zustimmung auslösen a…
die der Mehrheit ihrer Partei.
Das ist jetzt hart für Kai Wegner als damaligen CDU-Spitzenkandidaten, den
Sie ja beraten haben. Der erhebt als geborener Spandauer ja auch den
Anspruch, genau zu wissen, was Berlin bewegt.
Ich kenne Kai Wegner schon lange, und ich weiß, was für ein humoriger, auch
selbstironischer Typ er ist, der ein unglaubliches Talent hat, mit Menschen
umzugehen, und seine Stadt genau kennt.
Trotzdem ist es im Abgeordnetenhaus so, dass Wegner eben nicht die Debatten
dominiert und klar die Opposition anführt.
Das ist doch eher eine reine Journalistensicht.
Aber während Friedrich Merz im Bundestag die Ampel-Koalition unter Druck
setzt, passiert das bei Kai Wegner im Abgeordnetenhaus eben nicht.
Es gibt welche, die tolle Redner sind und Dinge zuspitzen – was den
Journalisten dann immer gefällt. Aber die Wahrnehmung der Bevölkerung ist
eine andere. Frau Merkel etwa war auch nicht die große Debattenrednerin und
ist trotzdem Kanzlerin geworden – und es lange geblieben.
Als Kai Wegner 2019 Monika Grütters als CDU-Landeschefin ablöste, passierte
das mit dem unterschwelligen Vorwurf, Grütters interessiere sich zu wenig
für Berliner Alltagsthemen, sie sei zu sehr Paris und zu wenig Spandau.
Jetzt kann man hören, Wegner sei vielleicht zu sehr Spandau und zu wenig
Metropole …
Ehrlich gesagt hat auch Michael Müller als Regierender Bürgermeister nicht
viel Paris-Charme gehabt. Und trotzdem hat er, bei allen Fehlern, seine
Rolle ausgefüllt.
Was heißt das Ganze jetzt unterm Strich konkret für die Berliner CDU und
für Kai Wegner mit Blick auf die nächste Wahl?
Am Ball bleiben, auf ein großes Thema setzen und das dauerhaft vermitteln,
dass nur die CDU glaubwürdig genau dafür steht. Eine allgemeine gute
Produktpalette bringt leider nichts. Und am Ende gehört immer auch ein
bisschen Glück zum Gewinnen – dass die anderen Parteien schwache Kandidaten
haben, Fehler machen, sich streiten. Das war bei mir in Hamburg nicht
anders.
14 Jun 2022
## LINKS
[1] /Debatte-im-Berliner-Abgeordnetenhaus/!5827437
[2] /-Wahlen-in-Berlin-/!5803005
[3] /CDU-Spitzenkandidat-ueber-den-Wahlkampf/!5795391
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Wahlkampf
Kai Wegner
Ole von Beust
CDU Berlin
Rot-Grün Hamburg
Kai Wegner
Kai Wegner
Franziska Giffey
Mario Czaja
Friedrich Merz
Ukraine-Konflikt
Abgeordnetenhauswahl 2021
## ARTIKEL ZUM THEMA
Privatisierungswahn zurückgedreht: Hamburg wieder Hausherr
2006 verhökerte der CDU-geführte Senat viele städtische Immobilien. Nun
drohen der Stadt dort hohe Mieten, weshalb sie erste Immobilien
zurückkauft.
Wahlwiederholung am 12. Februar: König ohne Land
CDU-Chef Kai Wegner steuert nach der neuesten Umfrage auf einen Wahlsieg zu
– und könnte trotzdem im Abgeordnetenhaus in der Opposition bleiben
Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl: Vom Saulus zum Paulus?
CDU-Chef Kai Wegner startet in den Wahlkampf: Er, der einst vehement gegen
den Mietendeckel kämpfte, will nun mehr Mieterschutz.
Abgeordnetenhaus beschließt Haushalt: Mit Rekord-Etat in die Sommerpause
Regierungschefin Giffey (SPD) verteidigt im Abgeordnetenhaus sich und den
neuen Haushalt, CDU-Fraktionschef Wegner die Geringverdiener.
Landesparteitag der Christdemokraten: Zu Gast beim Mario
Die Berliner CDU tagt in ihrer Bundeszentrale, wo der zuvor wenig gelittene
Mario Czaja nun Generalsekretär ist. Inhaltlich geht es um Kinderarmut.
Frauenquote in der CDU rückt näher: Vielleicht doch kein Teufelszeug
Führt die CDU bald eine Frauenquote ein? Die Anzeichen dafür verdichten
sich. Und das ausgerechnet unter Parteichef Merz, der diese lange ablehnte.
Senat soll T34 abräumen: Ehrenmal ohne Panzer?
CDU-Abgeordnete fordert Umdenken wegen Putins Krieg: Panzer würden nicht in
friedliches Berlin passen. Der Senat weist die Forderung zurück.
taz-Talk Berlin-Wahl mit Kai Wegner: „Grün-schwarz wäre auch ok“
CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner gibt sich im taz Talk umgänglich und
anschlussfähig. Bisweilen versucht er, noch etwas grüner als die Grünen zu
sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.