# taz.de -- Abgeordnetenhaus beschließt Haushalt: Mit Rekord-Etat in die Somme… | |
> Regierungschefin Giffey (SPD) verteidigt im Abgeordnetenhaus sich und den | |
> neuen Haushalt, CDU-Fraktionschef Wegner die Geringverdiener. | |
Bild: Bei der Haushaltsdebatte auch mal mehr Kämpferin denn Landesmutter: Regi… | |
Berlin taz | Der Mann sieht aus wie Kai Wegner. Er hört sich auch so an. | |
Aber was er sagt, wirkt so, als sei der CDU-Fraktionschef im | |
Abgeordnetenhaus zur Linkspartei gewechselt. Denn Wegner hält der | |
rot-grün-roten Koalition und vor allem den Grünen soziale Kälte vor: Die | |
bislang für knapp 10 Euro jährlich erhältliche [1][Anwohnerparkvignette] um | |
100 Euro teurer zu machen, das geht für Wegner nicht. In gleicher Weise | |
macht er den Senat generell für mehr Armut in der Mittelschicht | |
verantwortlich. Kurzum: „Sie haben ein Stück weit die Lebenswirklichkeit | |
aus dem Blick verloren.“ | |
Es ist die [2][letzte Sitzung des Abgeordnetenhauses] vor der Sommerpause, | |
dieser Donnerstag steht ganz im Zeichen des Haushaltsbeschlusses. Zusammen | |
rund 75 Milliarden Euro soll die Regierung in diesem Jahr und 2023 ausgeben | |
können, so viel wie nie zuvor. Für zwei Menschen ist es aber nicht nur | |
deshalb eine besondere Sitzung, vor allem in der einleitenden | |
Generaldebatte, dem Schlagabtausch zwischen Senat und Opposition. | |
Da ist zum einen Franziska Giffey, die SPD-Regierungschefin. Sie muss | |
schlicht noch einen überzeugenden Auftritt hin zu legen, bevor das | |
Parlament bis Anfang September in die Sommerpause geht. [3][Zu desaströs] | |
waren die Kommentare nach dem SPD-Parteitag am Sonntag, bei dem sie nur mit | |
sehr schwachem Ergebnis als Landesvorsitzende bestätigt und wenig | |
beklatscht wurde. | |
Und dann ist da eben Kai Wegner. Der hat in den ersten neun Monaten der | |
Wahlperiode nicht die Rolle des Oppositionsführers ausfüllen können, die | |
ihm als Chef der größten Oppositionsfraktion nominell zukommt. Das klappt | |
auch an diesem Mittwoch nicht ganz: Giffey sieht man häufiger mitschreiben, | |
als FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja ans Mikro tritt. Und als sie | |
abschließend selbst redet, bezieht sie sich öfter auf den FDP-Mann und | |
dessen Zwischenrufe als auf Wegner. | |
Dass Wegner so sehr das Soziale betont – eine Strategie, die die CDU nach | |
ihrer Wahlschlappe bei der Bundestagswahl [4][nun bundesweit verfolgt] –, | |
mag ihm die Fraktionschefin der Linkspartei, Anne Helm, nicht durchgehen | |
lassen. „Die Krokodilstränen von Herrn Wegner machen mich ein bisschen | |
wütend“, sagt sie. Denn die CDU habe doch im letzten Jahr den Mietendeckel | |
weggeklagt und viele soziale Initiativen blockiert. | |
## CDU sieht „Zwang und Bevormundung“ | |
Auch die [5][Mobilitätswende] sieht der CDU-Fraktionschef in den falschen | |
Händen, nämlich denen der Grünen. Die haben aus seiner Sicht den falschen | |
Ansatz: „Eine Mobilitätswende kriegen Sie nicht über Zwang und Bevormundung | |
hin.“ Die CDU hat aus seiner Sicht Besseres vorgeschlagen – die | |
rot-grün-rote Koalition habe das in den Haushaltsberatungen bloß abgelehnt. | |
Was die Koalition im Haushalt für U-Bahn-Bau bereit gestellt hat, reicht | |
ihm genauso wenig wie Czaja. Die vorgesehenen 30 Millionen Euro für | |
Untersuchungen und Vorplanungen sind für Wegner „nur ein bisschen mickriges | |
Planungsgeld“. Wobei er ziemlich genau weiß, dass rein technisch vor 2024 | |
kein Bagger und keine Bohrmaschine an U-Bahn-Tunnels arbeiten wird und | |
deshalb dafür noch gar kein Geld im Haushalt stehen muss. | |
Wie aber schlägt sich nun Giffey? Die tritt etwas kämpferischer auf als bei | |
früheren Reden, bei denen sie eher die überparteiliche Landesmutter | |
betonte. Das muss sie auch, nachdem ihr Czaja mit Blick auf den jüngsten | |
Parteitag vorgeworfen hat, die SPD würde „das Klein-Klein der | |
Sozialdemokratie auf dem Rücken der Berliner austragen“. | |
Giffey kontert Kritik am Haushalt – für Wegner „ein absolutes Trauerspiel�… | |
– und generell am Senat mit den besonderen Umständen. Zum Start im Dezember | |
sei man mit Corona in einer Krisensituation gewesen, „die der Senat | |
gemeistert hat, und aus der kamen wir am 24. Februar in eine weitere“. Der | |
dann begonnene Krieg in der Ukraine habe für sie alles verändert, auch im | |
Abgeordnetenhaus – „man kann heute keine Rollenspiele, keine Generaldebatte | |
wie immer abziehen“. Giffey, die stets Optimistische, müht sich, | |
gestikuliert, aber es ist mehr ein Reagieren. Und so klingen auch ihre | |
Schlussworte eher nach Hoffnung denn Überzeugung: „Berlin lebt, Berlin | |
liefert.“ | |
23 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://service.berlin.de/dienstleistung/121721/?wt_ga=135129275227_5745666… | |
[2] /tmp/Terminkalender_Plenum_2022-1.pdf | |
[3] /Parteitag-in-Berlin/!5859319 | |
[4] /Landesparteitag-der-Christdemokraten/!5858325 | |
[5] https://www.berlin.de/sen/uvk/verkehr/mobilitaetswende/verkehr-888873.php | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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