Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Chefin trifft auf Oppositionsführer: „Seh' ick anders“
> Franziska Giffey kontert auf Podium Attacken von CDU-Chef Kai Wegner. Ein
> Nachtragshaushalt soll ein 1-Milliarde-Hilfspaket ermöglichen.
Bild: Auf der Suche nach gutem Klima: Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) m…
Berlin taz | Es ist wie eine nachgeholte Spitzenkandidatenrunde, die im
Vorjahr ausgefallen war. Bloß, dass Franziska Giffey (SPD) inzwischen zur
Regierenden Bürgermeisterin gewählt ist – „der ersten in 800 Jahren
Stadtgeschichte“ – während CDU-Chef Kai Wegner im Abgeordnetenhaus die
größte, wenn auch oftmals nicht maßgeblichste Oppositionsfraktion anführt.
Die Berliner Morgenpost hat die beiden in der parlamentarischen Sommerpause
bei einem Leserforum zusammen geführt und auch noch die
[1][Caritas-Direktorin Ulrike Kostka] dazu gesetzt. Die Überschrift der
Veranstaltung lautet: „Wohin treibt Berlin?“
Die Besetzung zieht: Der von der Zeitung gebuchte Kinosaal im Zoo-Palast
ist mit 200 Leuten voll, trotz lauer Sommerabendtemperaturen und
Grillstimmung. Giffey kommt etwas später als die anderen, hat dafür aber
eine Entschuldigung: Sie habe noch mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko
telefonieren müssen, dieses Mal aber mit reichlich Sicherheitschecks und
somit anders als beim ersten Anlauf im Juni. „Wir haben's geschafft“, sagt
sie, „mit doppeltem Boden und Netz.“
Ende Juni war die Regierungschefin [2][russischen Satirikern auf den Leim
gegangen]. Es sei ein gutes Telefonat gewesen, berichtet Giffey nun, eine
Stunde lang und auf Deutsch. Der frühere Schwergewichtsweltmeister
Klitschko boxte in seiner 17-jährigen Profikarriere für den Hamburger
Universum-Boxstall und galt fast als deutscher Boxer. Habe Klitschko
ermüdet gewirkt, ermattet? „Nein, er klang kämpferisch“, sagt Giffey und
kündigt an, dass sich am Montag drei große BSR-Fahrzeuge zur Unterstützung
auf den Weg nach Kiew machen. Das habe sie mit Klitschko vereinbart.
Vom Krieg in der Ukraine und der internationalen Krise auf die Berliner
Landespolitik umzuschwenken, ist eine Herausforderung. Die
Morgenpost-Moderation versucht es über den Blick von Caritas-Chefin Kostka,
die in Moraltheologie promoviert und habilitiert hat. Wer da meint, Kostka
wäre als Direktorin des Caritasverbands für das Erzbistum Berlin
automatisch CDU-nah und dresche nun auf den Senat ein, hat sich getäuscht.
„Nicht schlecht“, sagt Kostka zu den ersten acht Monaten von Giffeys
rot-grün-roter Koalition. Und dass sie es sehr schätze, „dass wir einen
kurzen Draht haben, nicht nur zu Frau Kipping (Sozialsenatorin von der
Linkspartei, d.taz.), sondern auch zu Frau Giffey.“ Die Aufnahme der
Ukraine-Flüchtlinge sei „fantastisch gelaufen.
## Wegner will Verfassungskonvent
So bleibt es Wegner allein überlassen, den Senat zu attackieren. Doch sein
„Berlin wird schlecht regiert“ ist von der CDU schon so oft zu hören
gewesen, dass Giffey es mit einem kurzen „Seh' ick anders“ kontern kann.
Interessanterweise hat die SPD-Chefin gar nicht widersprochen, als
Morgenpost-Moderator Hajo Schumacher eingangs sagt, sie, die nun mit Grünen
und Linkspartei regiert, hätte ja eigentlich lieber mit Wegner koaliert.
Die Stimmung im Saal ist nicht gerade senatsfreundlich: Wartezeiten im
Bürgeramt, Verkehrsprobleme, zu wenig Wohnungen und ein generelles Gefühl,
es ändert sich zu wenig. Doch Wegner kann nicht wirklich punkten, schlägt
als große Lösung einen Verfassungskonvent mit einer Verfassungsänderung als
Ziel vor. Das ist zwar im Prinzip nicht falsch, weil das Kompetenzgerangel
zwischen Land und Bezirken für viele Verzögerungen verantwortlich ist.
Doch an einem Abend, an dem Caritas-Chefin Kostka mit ihrer Forderung nach
einfachen, praktikablen Lösungen den Ton vorgibt, passt das nicht. Was
natürlich an Giffey nicht vorbei geht, die Wegner prompt vorhält, so ein
Verfassungskonvent würde Jahre dauern und am Ende nur Papiere produzieren,
die in irgendwelchen Regalen verstaubten würden. Sie lobt stattdessen ihre
neue Senatskommission Wohnungsbau, die ganz pragmatisch, schon den Weg für
5.000 neue Wohnungen frei gemacht habe.
Mit Blick auf steigende Energiepreise kündigt Giffey ein rund eine
Milliarde schweres Hilfspaket an – allein die S-Bahn habe schon
angekündigt, dass sie 100 Millionen Euro mehr für Strom brauche. Mit dem
aktuellen Krisenfonds von 380 Millionen Euro ist das nicht zu leisten, ein
Nachtragshaushalt soll her. Den gab es auch schon 2020 in der Corona-Krise.
## Nur mehr Geld hilft nicht
Von Kostka ist dazu überraschenderweise zu hören: „Nur mehr Geld hilft
nicht.“ Sie fordert, Menschen deutlich besser zu beraten, wie sie Energie
sparen können und hat auch gleich ein Beispiel auf Lager: Ein nur halb
gefüllter Kühlschrank brauche mehr Energie, deshalb sei es gut, noch ein
paar leere Flaschen rein zu legen. Energiesparmobile sollten stadtweit
unterwegs sein und solche Dinge vermitteln.
Sie werde das mit ins Rote Rathaus nehmen, sagt Giffey – und holt kurz
danach gegen diejenigen aus, die über Wochen morgendlich für [3][Staus an
A100-Auffahrten] sorgten: „Klimaschutz ist für mich nicht, sich auf der
Autobahn festzukleben.“ Klimaschutz leistet aus ihrer Sicht stattdessen
jemand, der in einem entsprechenden Beruf arbeitet, als Maurer dämmt, als
Installateur einen effizienten Kessel einbaut – Erkenntnisse einer Tour bei
Handwerksbetrieben wenige Tage zuvor mit Wirtschaftssenator Stephan
Schwarz.
Zum Schluss deutet sich noch ein fortgesetzter SPD-interner Konflikt über
den Weiterbau der A100 über die Spree hinaus an, den [4][der jüngste
Landesparteitag] ablehnte. Giffey, die ja auch SPD-Landesvorsitzende ist,
wirkt überhaupt nicht so, als hielte sie genauso wenig von jenem 17.
Bauabschnitt wie die Mehrheit der Parteitagsdelegierten.
Es geht um jenen Abschnitt, der von der Elsenbrücke durch Friedrichshain
führen würde. Ja, Rot-Grün-Rot werde den Bau nicht vorantreiben, zitiert
sie den [5][Koalitionsvertrag]. Dennoch gelte: „Der Bund ist Bauherr, wir
müssen warten, was da passiert.“ Immerhin räumt Giffey aber ein, dass man
in der SPD eine junge starke Generation habe, die den Weiterbau ablehne.
„Da kann ich nicht einfach sagen: Ihr müsst jetzt was anderes wollen.“
12 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.caritas-berlin.de/diecaritasimerzbistum/vorstand/vorstand
[2] /Cyberattacken-auf-Buergermeister/!5863450
[3] /Letzte-Generation-in-Berlin/!5864019
[4] /Streit-um-A-100-in-Berlin/!5861933
[5] https://www.berlin.de/rbmskzl/regierende-buergermeisterin/senat/koalitionsv…
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Berlin
Kai Wegner
Franziska Giffey
Deepfake
Franziska Giffey
Obdachlosigkeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Vermeintlicher Klitschko-Deepfake: Giffey-Gags und Ausreden
Dass Giffeys Gespräch mit dem falschen Klitschko ein Deepfake war, scheint
immer unwahrscheinlicher. Das wirft Fragen auf.
Abgeordnetenhaus beschließt Haushalt: Mit Rekord-Etat in die Sommerpause
Regierungschefin Giffey (SPD) verteidigt im Abgeordnetenhaus sich und den
neuen Haushalt, CDU-Fraktionschef Wegner die Geringverdiener.
Gipfel der Berliner Kältehife: Der nächste Winter wird noch härter
Politik und Verbände haben sich zu einem „Kältehilfegipfel“ getroffen. Im
kommenden Winter soll die Koordination der Angebote besser werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.