# taz.de -- Frauenquote in der CDU rückt näher: Vielleicht doch kein Teufelsz… | |
> Führt die CDU bald eine Frauenquote ein? Die Anzeichen dafür verdichten | |
> sich. Und das ausgerechnet unter Parteichef Merz, der diese lange | |
> ablehnte. | |
Bild: Sogar er weiß, dass es ein Frauenproblem in der CDU gibt: Parteichef Fri… | |
Gitta Connemann ist eine entschiedene Gegnerin der Frauenquote. Natürlich | |
müsse die CDU für Frauen attraktiver werden, das hat sie in der | |
Vergangenheit mehrfach öffentlich betont. Die Quote aber sei dafür das | |
falsche Instrument, Leistung und Kompetenz dürften nicht ausgehebelt | |
werden. „Es besteht die Gefahr, dass aus starken Frauen Quotenfrauen | |
werden.“ | |
Connemann, CDU-Bundestagsabgeordnete aus Ostfriesland, ist ohne Zweifel | |
eine starke Frau – und eine einflussreiche dazu. Seit Ende vergangenen | |
Jahres ist sie Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, kurz | |
MIT, in der sich der Wirtschaftsflügel der CDU trifft, eine der | |
einflussreichsten Organisationen in der Partei. Dreimal hat die MIT | |
mehrheitlich Friedrich Merz bei seinen Versuchen unterstützt, an die Spitze | |
der Partei zu gelangen, Anfang des Jahres gelang das. Merz, so die | |
Hoffnung, würde der CDU wieder „mehr Klarheit und Profil“ geben, wie | |
Connemann es nach seiner Wahl erfreut bemerkte. Gemeint war wohl: mehr | |
konservatives und wirtschaftsliberales Profil, also ganz im Sinne der | |
MIT-Mehrheit. | |
Doch jetzt dräut aus den Augen von Connemann Ungemach: Die CDU könnte nach | |
jahrelangen Querelen eine parteiinterne Frauenquote einführen. Linkes | |
Teufelszeug also, so denken ja viele im Wirtschaftsflügel, die Frage ist | |
ideologisch aufgeladen. Und dies soll nun ausgerechnet unter einem | |
Parteichef Friedrich Merz kommen, dem Hoffnungsträger, für den sie so lange | |
gekämpft haben? Am Mittwoch debattiert der Bundesvorstand der Partei, in | |
welcher Form der Antrag zur Einführung der Frauenquote auf dem Parteitag im | |
September eingebracht werden soll, dort wird dann entschieden. | |
Eigentlich sollte die CDU längst eine Frauenquote haben. Die ehemalige | |
Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wollte ihrer Partei eine | |
Modernisierung verpassen, die Struktur- und Satzungskommission der Partei | |
erarbeitete dafür Vorschläge. Einer davon: die stufenweise Einführung einer | |
Frauenquote bei Vorstandswahlen ab der Kreisebene. Ab 2021 sollte sie bei | |
einem Drittel, ab 2025 dann bei der Hälfte liegen. Wenn nicht genug Frauen | |
kandidieren, soll sich die Quote am Anteil der Bewerberinnen orientieren. | |
## Die CDU hat ein Frauenproblem | |
Das ist jetzt zwei Jahre her. Seitdem hat der CDU-Bundesvorstand [1][den | |
Beschluss zweimal bestätigt], die entscheide Abstimmung auf dem Parteitag | |
aber steht noch immer aus. Wegen Corona wurden zwei Parteitage ins Netz | |
verlegt, Satzungsänderungen aber können nur von einem Präsenzparteitag | |
verabschiedet werden. Einen solchen soll es nun im September in Hannover | |
geben, kurz vor der Landtagswahl in Niedersachsen. | |
In der Partei ist weitgehend angekommen, dass die CDU ein veritables | |
Frauenproblem hat – und dass auch dieses sie im vergangenen Jahr die Macht | |
gekostet hat. Der Frauenanteil unter den CDU-Mitgliedern liegt bei gut 26 | |
Prozent, bei den Neueintritten sind es nur minimal mehr, in der | |
Unionsfraktion im Bundestag sind 23 Prozent der Abgeordneten weiblich. Die | |
CDU hat keine Ministerpräsidentin und weder im Bund noch in den 15 Ländern | |
eine Frau an der Spitze, nur die hessische Landtagsfraktion wird von einer | |
Frau, Ines Claus, geführt. Trotz 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel | |
liegt die Macht in der CDU derzeit vor allem bei Männern. Dabei belegen | |
Studien, dass Kandidatinnen die Partei für mögliche Wählerinnen attraktiver | |
machen. Merkel selbst sprach einst von einer „Existenzfrage“ für eine | |
Volkspartei, auch Merz sagt: „Das kann nicht so bleiben.“ | |
Umstritten aber ist, wie sich das ändern lässt. Yvonne Magwas, | |
Bundestagsvizepräsidentin und stellvertretende Vorsitzende der | |
Frauen-Union, hat den Vorschlag damals mit ausgehandelt. „Was vorliegt, ist | |
ein gut ausgehandelter Kompromiss, der umsetzbar ist“, sagt Magwas am | |
Telefon. Alle Landesverbände und Vereinigungen seien beteiligt gewesen, | |
auch die Frauen-Union habe in dem Prozess Zugeständnisse gemacht. Wenn man | |
mit Magwas telefoniert, wird schnell klar, dass die Sächsin endlich eine | |
Entscheidung will. „Wir haben lange diskutiert, jetzt müssen wir das Thema | |
endlich abschließen.“ Mit Blick auf die Sitzung des Bundesvorstands sagt | |
sie: „Ich bin guter Dinge, dass das wird.“ | |
Auch Karin Prien, CDU-Vize und [2][Bildungsministerin in | |
Schleswig-Holstein], sagt der taz: „Es ist jetzt Zeit zu handeln. Wir | |
müssen unsere Partei attraktiver machen für Frauen jeden Alters.“ Da gehe | |
es um Vorbilder und Sichtbarkeit von Frauen auf allen Ebenen. „Die Quote | |
ist sicher in der Theorie nicht die perfekte Lösung, aber sie ist die | |
richtige Lösung für ein Problem, das wir seit Jahren erfolglos zu lösen | |
versuchen“, so Prien. | |
## Vertrackte Lage für Merz | |
Und Friedrich Merz? Der Parteichef galt früher als Quotengegner, dann hat | |
er sich auf die Formel zurückgezogen, dass die Quote die „zweitbeste | |
Lösung“ sei. Inzwischen drängt sich der Eindruck auf, dass der CDU-Chef | |
erkannt hat, dass es keine bessere gibt. Nach dem Wahlsieg von Daniel | |
Günther in Schleswig-Holstein hat Merz betont, dass der Landesverband viele | |
Frauen aufgestellt habe, die Nord-CDU ist mit einer paritätisch besetzten | |
Liste angetreten. Das machte auch der Landesverband in NRW, wo Hendrik Wüst | |
eine Woche später ebenfalls die Wahl gewonnen hat. Geändert haben diese | |
Listen allerdings wenig: Weil die CDU weiterhin viele Direktmandate holt, | |
ziehen die Listen kaum. | |
An der Diversität der CDU in Schleswig-Holstein, so hatte Merz es aber am | |
Tag nach Günthers Wahlsieg gesagt, müsse sich die Partei in ganz | |
Deutschland ein Beispiel nehmen. Das kann man durchaus als rhetorische | |
Vorbereitung einer Neupositionierung des CDU-Parteichefs verstehen. Der | |
versucht ohnehin gerade, das alte Image des kantigen Konservativen | |
abzustreifen und sich als moderner und integrativer Parteichef neu zu | |
erfinden. Auch, dass CDU-Generalsekretär Mario Czaja derzeit öffentlich | |
stark für die Quote wirbt, kann man als ein Zeichen dafür interpretieren. | |
Im [3][taz-Interview sagte Czaja jüngst: „Unser Ziel ist Parität.“] Das | |
dürfte nicht ohne Abstimmung mit dem Parteichef geschehen sein. | |
Steht am Mittwoch also die öffentliche Wandlung von Friedrich Merz zum | |
Unterstützer der Frauenquote an? Das ist schwer zu sagen. „Solche wichtigen | |
Beschlüsse lassen sich nicht von oben durch den Parteivorsitzenden | |
anordnen. Das entscheide ich nicht allein“, hat er vor einigen Tagen im | |
Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt. Das klingt nicht | |
nach Vorpreschen. Es könnte also auch sein, dass Merz versucht, eine eigene | |
Festlegung möglichst lange zu vermeiden und so das Thema möglichst klein | |
und das persönliche Risiko für ihn gering zu halten. Denn die Lage für Merz | |
ist vertrackt: Er muss etwas dafür tun, mehr Frauen für die CDU zu | |
gewinnen, sonst wird es mit der Rückkehr an die Macht schwer. Spricht er | |
sich aber für die Frauenquote aus, enttäuscht er damit seine treuesten | |
Anhänger:innen und könnte im Fall eines Scheiterns auf dem Parteitag | |
eine persönliche Niederlage einfahren. | |
Doch was Merz ganz bestimmt nicht will, ist ein öffentlich ausgetragener | |
Streit, der über den Sommer eskalieren könnte, mit Showdown auf dem | |
Parteitag in Hannover – kurz vor der dortigen Landtagswahl. Die derzeit | |
guten Umfragewerte könnten mit Blick auf eine erneut heillos zerstrittene | |
Partei schneller verschwinden als gecrashtes Eis in einem Cocktailglas. | |
## Gegen Jugend- und Frauenquote | |
Einen Treiber für diesen Streit scheint Merz inzwischen abgeräumt zu haben. | |
Am Dienstag hieß es aus der Partei, dass Gitta Connemann und ihre | |
Mittelstandvereinigung im Bundesvorstand wohl doch keine | |
Mitgliederbefragung zur Einführung der Quote beantragen werden, eine | |
offizielle Bestätigung aber gab es noch nicht. Zuvor soll Merz laut | |
verschiedener Medienberichte intern deutlich gemacht haben, dass er eine | |
solche Befragung nicht unterstützt. Erst Anfang des Monats hatte der | |
Vorstand der MIT die Forderung nach einer Basisbefragung beschlossen. Diese | |
habe „eine Befriedungsfunktion“, hieß es in dem Antrag. Wahrscheinlicher | |
aber ist, dass mittels Mitgliederbefragung die Einführung der Frauenquote | |
verhindert werden sollte. Das durchschnittliche CDU-Mitglied ist männlich, | |
61 Jahre alt, konservativ – und dürfte wohl mehrheitlich kein Befürworter | |
der Frauenquote sein. | |
Gegen die Quote ist mehrheitlich auch die Junge Union, was allerdings nicht | |
nur an der Männerdominanz in der CDU-Nachwuchsorganisation liegt. Auch | |
profilierte JU-Frauen, wie etwa Bundesvorstandsmitglied Wiebke Winter aus | |
Bremen, sprechen sich seit Langem gegen die Quote aus. Sie setzen auf | |
andere strukturelle Änderungen: hybride Sitzungen etwa, die mit festen | |
Anfangs- und Schlusszeiten versehen sind, und die Möglichkeit, von | |
politischen Ämtern Elternzeit zu nehmen – was die Mitarbeit in der Partei | |
erleichtern und attraktiver machen soll. Allerdings hat die JU in der | |
Struktur- und Satzungskommission für den Kompromiss gestimmt, bei der für | |
sie auch eine Art Jugendquote rausgesprungen ist. Später aber hat der | |
Deutschlandtag der JU sich mehrheitlich gegen den Kompromiss ausgesprochen. | |
Aus der Partei ist zu hören, der Ausgang auf dem Parteitag im September sei | |
ungewiss. Eine klare Positionierung des Parteichefs für die Frauenquote | |
samt dem Versuch, die Gegner:innen einzufangen, könnte helfen. So oder | |
so ist aber gut möglich, dass die CDU unter Merz die Frauenquote endlich | |
einführen wird – was schon eine ganz besondere Pointe wäre. | |
14 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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