# taz.de -- Wahlumfragen in Berlin: Zartgrün ist der Horizont | |
> In einer neuen Umfrage vor der Berliner Wiederholungswahl verliert die | |
> SPD überraschend deutlich. Jetzt müssen die Grünen aus der Reserve | |
> finden. | |
Bild: Vielleicht lohnen sich die Mühen des Straßenwahlkampf ja noch für sie:… | |
Umfragen vor Wahlen sind nur Momentaufnahmen, der Wählerwillen ist bis in | |
die Wahlkabine hinein eine volatile Angelegenheit. Und dennoch, dieser | |
[1][BerlinTrend vom Donnerstag] ist interessant. Das Rennen ums Rote | |
Rathaus am 12. Februar scheint durchaus ein bisschen offener als es zuletzt | |
den Anschein hatte. Die [2][Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey] | |
ist womöglich angezählter, als man glauben mochte nach der durchaus von ihr | |
erfolgreich versenkten Silvester-Diskussion. | |
Erste Auffälligkeit beim BerlinTrend im Auftrag von RBB und Berliner | |
Morgenpost: Die CDU liegt vorn, mit 23 Prozent Zustimmungswert sogar noch | |
komfortabler als in der Umfrage eines anderen Meinungsforschungsinstituts | |
eine Woche zuvor. Zweite Auffälligkeit: Die Grünen sind deutliche drei | |
Prozentpunkte vor der SPD, mit 21 zu 18 Prozentpunkten. Eine Woche zuvor | |
lagen beide Parteien mit jeweils 19 Prozent noch gleichauf in der | |
Wähler*innengunst. | |
Man merke: Die Berliner CDU kann sich offensichtlich Entgleisungen leisten, | |
wie den [3][rassistischen Vorschlag einer Vornamenabfrage] zu den | |
vermeintlichen Silvester-Tätern. Selbst ein Bundesvorsitzender Friedrich | |
Merz schadet mit seiner „Pascha“-Rhetorik den stabilen Zustimmungswerten | |
der Berliner CDU nicht. Sie muss also über eine relativ unerschrockene | |
Stammwähler*innenschaft in dieser Stadt verfügen. | |
Die SPD wiederum profitiert nicht von der Performance der Regierenden – zu | |
der die Wähler*innen ein ambivalentes Verhältnis haben. 34 Prozent | |
würden sie in einer Direktwahl wählen, wenn sie denn könnten – die | |
Grünen-Kandidatin Bettina Jarasch nur 15 Prozent; für Kai Wegner von der | |
CDU würden 20 Prozent stimmen. Nur hilft Giffey das nichts, wenn die | |
Menschen – weil sie sie nunmal nicht direkt wählen können – ihr Kreuz dann | |
doch lieber bei der CDU machen. | |
Der Union hatte Giffey im Wahlkampf 2021 mit einem konservativen Kurs | |
Stimmen streitig gemacht: Die Verlängerung der A100 mochte sie nicht | |
auschließen, eine Randbebauung des Tempelhofer Felds ebenso wenig. Wenn die | |
Wähler*innen wieder zum konservativen Original schwenken, werden die | |
Grünen zur eigentlichen Gefahr für Giffey. | |
## Zurück zum Original | |
Liegen sie am Wahlabend vor der SPD, würde Giffey in einer möglichen | |
grün-rot-roten Koalition den Chefinnensessel verlieren. Dass sie als | |
Senatorin in ein Kabinett Jarasch geht ist indes schwer vorstellbar. Ebenso | |
wenig, dass sie nach einem verpatzten Wahlsieg noch Berliner | |
Parteivorsitzende bleiben könnte. | |
Zugleich ist schwer vorstellbar, dass die deutlich links ausgerichteten | |
Berliner Grünen mit einer CDU zusammengehen würden, die sich besagte | |
rassistische Entgleisungen leistet – denn rein rechnerisch wäre nach dem | |
BerlinTrend auch eine Jamaika-Koalition mit der FDP möglich. Da ist die | |
Linke, die in Berlin noch zweistellig ist, für die Grünen schon eher der | |
Koalitionspartner der Herzen. Jarasch hat eine Koalition mit der CDU auch | |
bereits für sich ausgeschlossen. | |
Eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP wäre zwar ebenfalls | |
rechnerisch möglich, aber unwahrscheinlich: In vielen Punkten, [4][etwa | |
beim A100-Weiterbau] und bei der Haltung zum Volksentscheid Deutsche Wohnen | |
enteignen, sind längst nicht alle auf Linie mit der Regierenden. Bei der | |
Wiederwahl zur Parteivorsitzenden bekam sie im Sommer 2022 nur 59 Prozent. | |
Der Landesverband ist also deutlich linker als die Chefin. Wäre die weg vom | |
Rathausfenster, ist eine Juniorpartnerschaft mit der CDU kaum attraktiv. | |
Die Zeichen stehen also – zumindest bis zur nächsten Umfrage – auf | |
grün-rot-rot. Und wer zurecht denkt, wo eigentlich die Grünen bleiben in | |
diesem Wahlkampf, der könnte schlussfolgern: Wenn Jarasch noch mal einen | |
Akzent setzen will in diesem kurzen Wahlkampf, dann jetzt. | |
21 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.rbb24.de/politik/wahl/abgeordnetenhaus/agh-2023/beitraege/berli… | |
[2] /taz-Talks-zur-Berlin-Wahl-1/!5908718 | |
[3] /Ausschreitungen-zu-Silvester/!5905056 | |
[4] /Berliner-SPD-revidiert-Autobahn-Beschluss/!5859473 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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