# taz.de -- Ausschreitungen zu Silvester: Nur Alis und Mohammeds | |
> In Sachsen kommt es Silvester zu „Sieg Heil“-Rufen – eine Debatte über | |
> Rechte löste das nicht aus. Stattdessen müssen wieder Ausländer | |
> herhalten. | |
Bild: Wer für Böller-Randale zu Silvester verantwortlich ist? Anscheinend sch… | |
„Heil Hitler“, riefen sie Silvester 2018/19 in Borna im Landkreis Leipzig. | |
Dieses Silvester war dort „Sieg Heil!“ zu hören. Rettungskräfte und Poliz… | |
sind mit Böllern und Raketen angegriffen worden. Während heruntergespielt | |
wird, was Nazis und rrreine Deutsche zum Jahreswechsel so treiben, müssen | |
aber eher [1][Ausländer für die Silvesterrandalen] herhalten. | |
Der Aufruhr ist groß, als mit Bezug auf eine Polizeimeldung medial | |
verbreitet wird, dass mehrheitlich Nichtdeutsche in Berlin wegen der | |
Ausschreitungen festgenommen worden seien. CDU- und AfD-Abgeordnete wollen | |
Vornamen mutmaßlicher Täter erfahren und sprechen rassenkundlich von | |
„Phänotypen“. Sie sind sicher: So was machen nur Alis und Mohammeds. | |
Inzwischen hat sich [2][auf Nachfrage des Tagesspiegels] bei der Polizei | |
herausgestellt, dass offenbar doch mehrheitlich Deutsche beteiligt waren | |
und sowieso nicht 145, sondern lediglich 38 Personen festgenommen wurden. | |
Doch da war sie schon ausgelöst, die Integrationsdebatte. Befeuert auch | |
durch Innenministerin Nancy Faeser, die fälschlicherweise von | |
„gewaltbereiten Integrationsverweigerern“ spricht. Rassistische | |
Ressentiments? Das würde sie sicherlich von sich weisen, wie die Polizei | |
die Anwendung von Racial Profiling. Zu den Vorfällen mit den Nazis hat sie | |
sich nicht geäußert. Indem die Politik solche Ausschreitungen ethnisiert, | |
muss sie sich mit möglicher Unzufriedenheit und Lebensrealität der | |
Randalierenden nicht befassen. | |
Wenn von „Integrationsverweigerern“ die Rede ist, fordern Rechte die | |
Verschärfung des Asylrechts und mehr Abschiebungen. Das ist nichts Neues. | |
Diese aufgewärmte Integrationsdebatte ist langweilig und kräftezehrend. Was | |
mich eigentlich stört: Wenn eine Auflehnung gegen den Staat und seine | |
Institutionen nicht von Nazis kommt, wird sie von Vertreter*innen von | |
Recht und Ordnung verteufelt, als würde man über den verstorbenen Papst | |
Ratzinger sagen, er habe pädophile Straftäter gedeckt. | |
## Konstruktive Vorschläge | |
Im Kontext von Silvester, aber auch im Zusammenhang der [3][Aktionen von | |
Kimaktivist*innen in Lützenrath] ist von „Gewalt gegen die Polizei“ | |
und „Ablehnung des Staats“ die Rede. Doch der Fokus auf diese Diskussion | |
führt dazu, dass andere wichtige Aspekte übersehen werden: konstruktive | |
Vorschläge wie bundesweit unabhängige Beschwerdestellen und eine Debatte | |
über die Heftigkeit von Polizeieinsätzen oder die bekannte Kritik an der | |
Polizei, die als Vertreterin des Staats immer Auflehnung erfahren muss. | |
Die Integrationsdebatte nimmt auch Raum ein, wo jugendliche Rebellion als | |
Normalität diskutiert werden sollte. Auch inhaltliche Forderungen der | |
Klimabewegung werden nicht ernst genommen, sondern die | |
[4][Aktivist*innen als „Klimaterrorist*innen“ diskreditiert]. Das ist | |
ein Armutszeugnis für diese Debatten. Etwas mehr Verständnis für andere | |
soziale Verhältnisse und etwas mehr Punk im Geiste stünde den Deutschen gut | |
zu Gesicht. | |
11 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Berlins-Politik-nach-Silvester/!5904826 | |
[2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/neue-zahlen-zu-berliner-silvester-krawal… | |
[3] /Luetzerath/!t5896252 | |
[4] /Unwort-des-Jahres-2022/!5908215 | |
## AUTOREN | |
Amina Aziz | |
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