# taz.de -- Ein Jahr Ampelregierung: Wirklich mehr Fortschritt wagen | |
> Der Koalitionsvertrag der Ampel ist ein Jahr alt, doch die Welt hat sich | |
> verändert. Die Parlamentsredaktion schlägt ein paar Updates vor. | |
Präambel: Wir stehen ein Jahr nach [1][Unterzeichnung des | |
Koalitionsvertrags] vor völlig neuen Herausforderungen. Putins | |
Angriffskrieg verändert auch Europa und die Rolle Deutschlands in der Welt. | |
Alle vorherigen Bundesregierungen und auch wir haben die russische | |
Aggression zu lange nicht wahrhaben wollen und die Energieabhängigkeit von | |
Russland fahrlässig forciert. Aus unseren Fehlern ziehen wir Konsequenzen | |
und haben unseren Koalitionsvertrag jetzt entsprechend aufgefrischt. | |
Erstens: Wir investieren mehr in unsere Sicherheit und pflegen dabei einen | |
erweiterten Sicherheitsbegriffe. Die Blockade von Getreideausfuhren, | |
Sprengstoffanschläge auf Pipelines und Hackerangriffe auf die digitale | |
Infrastruktur zeigen, dass Sicherheit nicht mehr nur militärisch gedacht | |
werden kann. Wir werden daher stärker in den Schutz ziviler Infrastruktur, | |
die digitale Gefahrenabwehr, Krisenprävention und Friedensförderung | |
investieren. | |
Zweitens: Die Klimakrise gefährdet unsere Lebensgrundlagen. „Die | |
Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität“: | |
Dieser Satz aus dem Koalitionsvertrag von 2021 gilt heute noch mehr. | |
Deutschland muss die Erneuerbaren deutlich schneller ausbauen. | |
Drittens: Wir werden uns aus einseitigen ökonomischen Abhängigkeiten, | |
insbesondere von China, lösen. Nicht überstürzt, aber konsequent. Das | |
betrifft den Export von Waren und den Import von Rohstoffen. Deutschland | |
wird sich verändern. Unsere Wirtschaft fußte lange auf dem Import billiger | |
fossiler Rohstoffe und stetigen Globalisierungsgewinnen. Diese Zeit geht zu | |
Ende. Wir bleiben eines der reichsten Länder der Welt, aber wir müssen den | |
Wohlstand in der Krise gerechter verteilen. Wer sehr reich ist, muss mehr | |
beisteuern als bisher. Nur so garantieren wir einen sozialen Frieden. Unser | |
nächstes Projekt ist die Kindergrundsicherung. Damit schaffen wir mehr | |
Chancengerechtigkeit. | |
Bei allen Veränderungen wollen wir Bewährtes erhalten. Deutschlands Stärke | |
ist in erster Linie Diplomatie, nicht Militär, nicht Konfrontation. | |
Deutschland ist keine alleinige Führungsmacht und setzt auf eine | |
Zusammenarbeit mit den Partnern in der EU. | |
Das gilt auch global. Die Ausgaben für Krisenprävention, humanitäre Hilfe | |
und Entwicklungszusammenarbeit sollen, wie 2021 verabredet, im Maßstab 1:1 | |
steigen, so wie die Ausgaben für Verteidigung. Wir werden mit Ländern des | |
Globalen Südens auf Augenhöhe kooperieren. Die Zeit, als der Westen der | |
Welt Vorschriften machen konnte, ist vorbei. | |
Wir sind eine Regierungskoalition aus drei unterschiedlichen Partnern. | |
Unter Krisen- und Kriegsbedingungen mussten wir tun, was uns zuvor | |
unvorstellbar schien – Waffen ins Kriegsgebiet liefern, Kohlekraftwerke | |
länger laufen lassen, Entlastungspakete mit kreativer Finanzpolitik | |
ermöglichen. Fehler wie die Gasumlage wollen wir künftig vermeiden. [2][Wir | |
wollen nicht mehr öffentlich übereinander herziehen und uns gegenseitig | |
handwerkliche Fehler vorwerfen.] Wir werden das Parlament als Ort der | |
Debatte stärken. Der Bundeskanzler wird grundsätzlich ohne Manuskript frei | |
sprechen. So wollen wir die politische Diskussion jetzt und für die Zukunft | |
vitaler gestalten. | |
## Verantwortung für Abrüstung, Sicherheit und Menschenrechte | |
Wir hatten uns zu einer restriktiven [3][Rüstungsexportpolitik] | |
verpflichtet. So versprachen wir in unserem ersten Koalitionsvertrag 2021: | |
Wir erteilen keine Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten, | |
solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. | |
Selbstkritisch müssen wir nun, ein Jahr später, konstatieren, dass wir | |
trotzdem im Herbst dieses Jahres Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien | |
genehmigt haben. | |
Konkret ging es um Zulieferungen zur Ausrüstung und Bewaffnung von | |
Kampfflugzeugen und Munition. Dafür sahen wir pragmatische Gründe, denn es | |
handelt sich um eine europäische Rüstungskooperation. Zudem verfügt das | |
saudische Regime über Öl und Wasserstoff – Rohstoffe, die wir auch in | |
Zukunft gut gebrauchen können, um unseren Wohlstand zu sichern. Künftig | |
wollen wir uns darum bemühen, unseren Ansprüchen an eine wertebasierte | |
Außenpolitik gerechter zu werden. | |
Da wir uns gemeinsam mit unseren Partnern für den Schutz von Frieden und | |
Menschenrechten weltweit einsetzen, werden wir nunmehr keine weiteren | |
Rüstungsexporte an autoritär verfasste Staaten genehmigen. Wir werden eine | |
entsprechende EU-Rüstungsexportverordnung auf den Weg bringen und dafür in | |
der EU werben. | |
Weiterhin setzen wir uns für eine Wiederbelebung der internationalen | |
Abrüstungs- und Rüstungskontrolle ein. So hatten wir es bereits in unserem | |
Vorkrisenkoalitionsvertrag vereinbart. Der russische Angriffskrieg gegen | |
die Ukraine zeigt, wie schwierig, aber auch notwendig dieses Unterfangen | |
ist. Deshalb stehen wir dazu: Wir brauchen eine abrüstungspolitische | |
Offensive und wollen eine führende Rolle bei der Stärkung internationaler | |
Abrüstungsinitiativen und Nichtverbreitungsregimes einnehmen. Das 100 | |
Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr bleibt daher | |
eine einmalige Ausnahme. Perspektivisch wollen wir nicht mehr, sondern | |
weniger Waffen – weltweit und auch in Deutschland. | |
Wir bleiben dabei, dass Deutschland im Sinne eines vernetzten und | |
inklusiven Ansatzes langfristig 3 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in | |
internationales Handeln investiert. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf | |
Diplomatie und Entwicklungspolitik. Wir setzen uns weltweit für nachhaltige | |
Entwicklung, den Kampf gegen Hunger und Armut, Klimagerechtigkeit, | |
Biodiversität und eine sozial-ökologische Wende ein. Dafür richten wir ein | |
weiteres 100-Milliarden-Sondervermögen ein, damit Deutschland seiner | |
Verantwortung im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Internationalen | |
Klimafinanzierung auch wirklich gerecht wird. | |
So tragen wir dazu bei, dass der auf der [4][Weltklimakonferenz COP27 in | |
Ägypten beschlossene Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden] tatsächlich mit | |
ausreichenden Mitteln ausgestattet werden kann. Wir appellieren außerdem an | |
andere Industriestaaten, vor allem an die USA und China, sich unserem | |
Beispiel anzuschließen. | |
## Kein Tempolimit bei der Energiewende | |
Bei den internationalen Bemühungen zur Erreichung der Klimaneutralität | |
bekennt sich Deutschland auch weiterhin eindeutig zum Ausbau der | |
erneuerbaren Energien. Wind und Sonne sind Freiheitsenergien – die | |
Atomkraft stellt keine Alternative dazu da. Auch wenn wir aufgrund der | |
schwierigen Energiesituation infolge des Ukrainekriegs eine | |
Laufzeitverlängerung der letzten drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke | |
bis zum 15. April 2023 für notwendig erachten, [5][bekräftigen wir: Am | |
deutschen Atomausstieg halten wir fest.] Darüber hinaus werden wir uns, wie | |
schon vereinbart, für eine Abschaltung der grenznahen Risikoreaktoren | |
einsetzen. | |
Zusätzlich wollen wir aber auch unsere Möglichkeiten nutzen, die sich durch | |
die Übernahme des Düsseldorfer Gaskonzerns Uniper ergeben haben. So werden | |
wir uns für die Abschaltung der drei Atomkraftwerke in Schweden einsetzen, | |
an denen Uniper beteiligt ist. Das Gleiche gilt für die von Uniper | |
betriebenen Kohlekraftwerke in Russland. | |
Die 2020er Jahre wollen wir zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik | |
nutzen und eine nachhaltige, barrierefreie und für alle bezahlbare | |
Mobilität ermöglichen. Das dreimonatige 9-Euro-Ticket aus dem Sommer 2022 | |
hat dabei einen Weg aufgezeigt, wie wir um Akzeptanz für notwendige | |
Veränderungsprozesse werben und unsere Ziele dialogorientiert umsetzen | |
können. [6][Das 49-Euro-Ticket betrachten wir daher nur als eine | |
Übergangslösung.] | |
Unser Ziel ist es, spätestens 2024 gemeinsam mit den Ländern entweder ein | |
monatliches 29-Euro-Ticket oder ein 365-Euro-Jahresticket bundesweit | |
einzuführen. Dafür wird der Bund einen ausreichenden Betrag zum | |
Verlustausgleich zur Verfügung stellen. Für Menschen ohne oder mit geringem | |
Einkommen streben wir ein bundesweites 9-Euro-Monatsticket an. Unser | |
langfristiges Ziel lauet: Freie Fahrt für freie Bürgerinnen und Bürger. | |
Mobilität ist für uns nicht nur ein zentraler Baustein der Daseinsvorsorge, | |
sondern auch die Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse und die | |
Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Logistikstandorts Deutschland mit | |
zukunftsfesten Arbeitsplätzen. Dafür wollen wir Länder und Kommunen in die | |
Lage versetzen, Attraktivität und Kapazitäten des ÖPNV deutlich zu | |
verbessern. Beim Ausbau des ÖPNV darf es kein Tempolimit geben. Daher | |
erhöhen wir die Regionalisierungsmittel ab 2023 von derzeit rund 9 | |
Milliarden Euro um das Vierfache auf 36 Milliarden Euro. Zur | |
Gegenfinanzierung führen wir eine Pkw-Maut für alle auf Autobahnen ein. | |
## Stärkung des Bürgergelds | |
Am 1. Januar 2023 wird das Bürgergeld eingeführt. Das ist ein Erfolg dieser | |
Regierung, den wir ausbauen wollen. [7][Das Bürgergeld soll die Würde des | |
und der Einzelnen achten und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen.] In | |
einem ersten Schritt haben wir den Vermittlungsvorrang im SGB II | |
abgeschafft. Nur Weiterbildung und Qualifizierung sichern das Vorankommen | |
durch eigene Leistung. | |
Im Vermittlungsausschuss konnten wir nicht alle unsere Ziele umsetzen, | |
werden sie aber weiterverfolgen. Dazu gehört, dass wir, wie ursprünglich | |
von uns geplant, in den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezugs die | |
Leistung ohne Anrechnung des Vermögens gewähren und die Angemessenheit der | |
Wohnung anerkennen wollen. Wir verzichten weitgehend auf Sanktionen und | |
verstehen das als großen Schritt für den Abbau von überflüssiger | |
Bürokratie. | |
Außerdem wollen wir die Berechnungsmethode verändern, um einen armutsfesten | |
Regelsatz zu garantieren. Das ist angesichts der hohen Inflation notwendig, | |
um den sozialen Frieden zu wahren. Krankheit, Schicksalsschläge oder | |
Jobverlust dürfen nicht dazu führen, dass Menschen ihr gewohntes Umfeld | |
verlassen und ihre Ersparnisse aufbrauchen müssen. Wer in Not gerät, | |
verdient die Solidarität der Allgemeinheit. Nur so sichern wir langfristig | |
den Wohlstand unseres Landes. | |
## Kritische Infrastruktur schützen | |
Nachdem uns die Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 mit einem Doppel-Bumms | |
um die Ohren geflogen sind, gestehen wir uns ein, dass die | |
Schröder-Putin-Pipeline vielleicht doch kein rein privatwirtschaftliches | |
Projekt war. Daraus ziehen wir nun schonungslose Konsequenzen für die | |
Energieinfrastruktur. | |
Die Lösung beruht in der komplexen weltwirtschaftlichen Lage auf mehreren | |
Säulen: Statt auf fossiles Pipeline-Gas setzen wir nun auf fossiles Gas, | |
das wir mit klimaneutralen Schiffen aus fortschrittlichen Nationen | |
importieren, die sich nachhaltigen Energieträgern und Menschenrechten | |
verpflichtet fühlen (Liebe Grüße nach Katar, One Love!). | |
Das neue schwimmende LNG-Terminal für Flüssiggas vor Wilhelmshaven werden | |
wir zeitnah für die Gewinnung von Wasserstoff nutzen und dessen Beforschung | |
mit einer optimistischen Innovationsoffensive per Sondervermögen fördern. | |
Darüber hinaus bauen wir die digitale Infrastruktur massiv aus, um gegen | |
die Willkür geltungssüchtiger Tech-Milliardäre gewappnet zu sein. | |
Fake-News-Kampagnen von Troll-Armeen und russische Desinformationen werden | |
ins Leere laufen, da wir [8][beim dezentralen sozialen Netzwerk Mastodon | |
Behördenserver betreiben] wollen, die mindestens so verlässlich sein werden | |
wie das WLAN in der Deutschen Bahn und der Mobilfunkempfang auf dem Land. | |
## Energiesoli für Entlastungen einführen | |
Die haushaltspolitische Lage des Bundes für die 20. Wahlperiode gestaltet | |
sich weiterhin anspruchsvoll. Die multiplen und sich überlagernden Krisen, | |
von den Nachwirkungen der Coronapandemie über die Energiekrise bis zu einer | |
drohenden Rezession, haben eine Schuldenaufnahme in historischem Ausmaß | |
erfordert. Auch in den kommenden Jahren werden die Auswirkungen des | |
russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu bewältigen sein. Sie begründen | |
weiterhin eine außergewöhnliche Notsituation im Sinne der Schuldenregel. | |
Wir sagen: Die Schuldenbremse ist kein Selbstzweck. Vielmehr müssen wir | |
alles tun, um den sozialen Zusammenhalt in unserem Land nicht zu gefährden | |
und die Wirtschaft zu stabilisieren – ohne Denkverbote und ideologische | |
Scheuklappen. | |
Um die Energiekrise solidarisch zu bewältigen und die zusätzliche Belastung | |
des Staatshaushalts zu begrenzen, werden wir [9][gemäß den Empfehlungen der | |
Wirtschaftsweisen] einen Energie-Solidaritätszuschlag für Vermögende | |
einführen. So wollen wir sicherstellen, dass Lasten leistungsgerecht | |
verteilt werden und insbesondere die hart arbeitende Mehrheit der | |
Bevölkerung entlastet werden kann. | |
Unverändert gilt: Wir werden in nie dagewesenem Umfang zusätzliche Mittel | |
einsetzen müssen, um die zur Erreichung des 1,5-Grad-Klimaziels und zur | |
Dekarbonisierung der Wirtschaft erforderlichen Maßnahmen zu finanzieren. | |
Die Gegenfinanzierung werden wir mit verschiedenen Maßnahmen, vor allem | |
aber über die Abschöpfung von Zufallsgewinnen sicherstellen. Auf diese | |
Weise wollen wir Geld, welches der breiten Mitte der Gesellschaft durch | |
überhöhte Preise entzogen wird, wieder an die Gesellschaft zurückgeben. | |
## Wehrhafte Demokratie absichern | |
Zu einer modernen Demokratie und werteorientierten Politik gehört für uns | |
auch Wehrhaftigkeit, weil die pluralistische Grundordnung nach einem | |
europaweiten autoritären Rechtsruck auch in Deutschland unter Druck steht. | |
Zu allem Überfluss stehen der AfD durch den Wiedereinzug in den Bundestag | |
nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz formal [10][bis zu 70 Millionen Euro | |
Fördergelder für ihre parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung] zu. Deswegen | |
bleibt es bei unserem Bekenntnis: „Die Arbeit und Finanzierung der | |
politischen Stiftungen wollen wir rechtlich besser absichern. Dies soll aus | |
der Mitte des Parlaments geschehen unter Einbeziehung möglichst aller | |
demokratischen Fraktionen.“ | |
Weil wir mittlerweile eingesehen haben, dass der Rechtsstreit mit der AfD | |
vor dem Gericht in Karlsruhe ohne sichere Rechtsgrundlage ein großes Risiko | |
darstellt, starten wir eine „Mehr Wehrhaftigkeit wagen“-Offensive im | |
politischen Bildungswesen. Von einer überparteilichen Initiative – von CSU | |
bis Linke – wird in kürzester Zeit ein Stiftungsgesetz erarbeitet, das die | |
Förderung parteinaher Stiftungen antidemokratischer Parteien ausschließt. | |
## Das „Nie wieder“ wirklich ernst nehmen | |
Mit Blick auf innere Sicherheit betrachten wir den Rechtsextremismus | |
weiterhin als die größte Bedrohung. Es gilt das klare Bekenntnis | |
Deutschlands zu seiner historischen Verantwortung für die Überlebenden des | |
Holocausts zu stärken. Wie bereits von uns formuliert: „Wir werden die | |
laufenden Entschädigungsleistungen wie auch die finanzielle Unterstützung | |
für die Pflege der heute hoch betagten Holocaust-Überlebenden konsequent | |
sicherstellen, um ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen.“ | |
Dazu stehen wir bedingungslos. Deswegen werden wir die [11][Mittel für | |
Holocaust-Überlebende in der Jewish Claims Conference] verdreifachen. „Nie | |
wieder“ bedeutet für uns, die Anerkennung historischer Schuld – und eigene | |
Fehler im Umgang mit der historischen Verantwortung einzugestehen. Nie | |
wieder werden wir wegen der Schuldenbremse erwägen, weniger Geld an | |
Holocaust-Überlebende zu zahlen. Nie wieder werden wir | |
Entschädigungsgespräche mit der Jewish Claims Conference wie | |
Tarifverhandlungen führen. | |
## Mieten richtig deckeln | |
Unser Ziel, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen – darunter 100.000 | |
öffentlich geförderte –, ist infolge des russischen Angriffskrieges | |
illusorisch geworden. Gestiegene Energie- und Materialkosten sowie fehlende | |
Fachkräfte stellen die Baubranche vor große Herausforderungen. | |
Der Bund unterstützt die Länder beim sozialen Wohnungsbau bis 2026 mit der | |
Rekordsumme von 14,5 Milliarden Euro. Das wird nicht reichen. Aber [12][das | |
„Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ wird die entscheidenden Akteure an einen | |
Tisch bringen], um weiter über diese Krise zu beraten. | |
Solange nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden, können sich keine | |
angemessenen Mieten am Wohnungsmarkt bilden. Daher bedarf es eines | |
Strategiewechsels. Auf sechs Jahre begrenzt werden wir einen bundesweiten | |
Mietendeckel einführen. Denn nur gedeckelte Mieten sind Freiheitsmieten. | |
Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel | |
geht klar hervor, dass die Gesetzgebungskompetenz hierfür beim Bund liegt. | |
Nach der faktischen Abschaffung des kommunalen Vorkaufsrechts durch ein | |
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich erheblicher | |
gesetzgeberischer Handlungsbedarf – dies haben wir erkannt. Daher stellen | |
wir das staatliche Vorkaufsrecht bei privaten Immobilienverkäufen wieder | |
her, um mit diesem scharfen Schwert die Wohnungsnot in Großstädten zu | |
lindern und den gemeinwohlorientierten Wohnungssektor zu stärken. | |
## Digitalisierung gegen Wurstigkeit | |
Deutschland muss handlungs- und leistungsfähig sein, insbesondere in | |
Krisenzeiten. Failed-State-Szenarien und die Wiederholung von | |
Landtagswahlen wie in Berlin dürfen nicht passieren. Diesem Geist der | |
Wurstigkeit und des „Is mir doch egal“ werden wir entschieden | |
entgegentreten. Von der Leitung der Bundesländer und den Führungskräften im | |
öffentlichen Dienst erwarten wir, dass sie eine moderne Führungs- und | |
Verwaltungskultur vorantreiben. Die Verwaltung soll agiler und digitaler | |
werden, daher werden wir die [13][Digitalisierung gehörig beschleunigen]. | |
Es kann nicht sein, dass der Staat den Bürgern und Bürgerinnen nicht direkt | |
unter die Arme greift, weil die IT-Infrastruktur des Staates lediglich | |
100.000 Überweisungen pro Tag durchführen kann. | |
Wir wollen künftig verhindern, dass Studierende wochenlang und bei | |
Minusgraden auf Heizkostenzuschüsse warten müssen, und erst eine digitale | |
Plattform errichtet werden muss, um sie zu erfassen. Wir werden die | |
Einführung einer digitalen Identität beschleunigen, Nachweispflichten | |
vereinheitlichen und auf das Einscannen von Papierdokumenten verzichten. | |
Online first. | |
## Es soll viel mehr Europa sein | |
Der Krieg in der Ukraine zeigt: Es droht eine neue Ära globaler | |
Machtkonkurrenz. Deutschland braucht die EU daher mehr denn je. Auf uns, | |
das wirtschaftlich stärkste Land in Europa, kommen besondere Aufgaben zu. | |
Wir haben die Sorgen unserer osteuropäischen Nachbarn vor Russland zu wenig | |
ernst genommen. Das werden wir ändern – ohne die Beziehungen zu unseren | |
westlichen Nachbarn zu vernachlässigen. | |
Die EU braucht eine Reform, die sie handlungsfähiger macht. Die | |
Bundesregierung wird ihr Möglichstes tun, um bis 2025 das lähmende | |
Einstimmigkeitsprinzip in der EU für zentrale Bereiche wir Steuern | |
abzuschaffen. Positive Veränderung in der EU gibt es nur, wenn [14][das | |
deutsch-französische Verhältnis] störungsfrei läuft. Das war nicht immer | |
der Fall. Die Abstimmung mit Paris muss besser werden. Der Kanzler wird in | |
keiner wichtigen, manuskriptfreien Rede mehr vergessen, die besondere | |
Bedeutung der Achse Berlin–Paris zu betonen. | |
28 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Regierung-von-SPD-Gruenen-und-FDP/!5809667 | |
[2] /Podcast-Bundestalk/!5889814 | |
[3] /Weltweite-Ruestungsausgaben-2021/!5846897 | |
[4] /Klimagipfel-COP-27-in-Aegypten-endet/!5896214 | |
[5] /AKW-Entscheidung-des-Kanzlers/!5885797 | |
[6] /Nachfolge-der-OePNV-Flatrate/!5889114 | |
[7] /Buergergeld-und-Armut/!5897714 | |
[8] /Twitter-Alternative-Mastodon/!5893407 | |
[9] /Gutachten-der-Wirtschaftsweisen/!5890563 | |
[10] /Karlsruhe-lehnt-Eilantrag-ab/!5870056 | |
[11] /Entschaedigungszahlungen-fuer-NS-Opfer/!5874999 | |
[12] /Buendnis-fuer-bezahlbaren-Wohnraum/!5884025 | |
[13] /Infrastruktur-in-Deutschland/!5885932 | |
[14] /Galerie/Emmanuel-und-Olaf-Droht-das-Liebes-Aus/!g5891177 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Gareth Joswig | |
Jasmin Kalarickal | |
Anna Lehmann | |
Stefan Reinecke | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Ampel-Koalition | |
Bundesregierung | |
Olaf Scholz | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2021 | |
GNS | |
wochentaz | |
Podcast „Vorgelesen“ | |
Ampel-Koalition | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Rolf Mützenich | |
Ampel-Koalition | |
9-Euro-Ticket | |
Fachkräftezuwanderungsgesetz | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Ampel-Koalition | |
Ampel-Koalition | |
Ampel-Koalition | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rechtsstreit um den Soli: Lindner verärgert SPD und Grüne | |
Das Finanzministerium schickt keinen Vertreter zur Verhandlung des | |
Solidaritätszuschlags am Bundesfinanzhof am Dienstag. Das kritisieren seine | |
Koalitionspartner. | |
SPD-Fraktionschef über Ukrainekrieg: „Wir dürfen uns nicht damit abfinden“ | |
Diplomatie werde in Deutschland reflexhaft unter Verdacht gestellt, | |
kritisiert Rolf Mützenich. Ein Gespräch über eigene Fehler und Hoffnung für | |
die Ukraine | |
Bilanz nach einem Jahr Ampel: Auf Harmonie getrimmt | |
Nach einem Jahr Ampel ziehen die Fraktionschef*innen Bilanz. Der Ton | |
ist pragmatischer geworden. Dennoch sind sich alle einig: Läuft super. | |
Anke Domscheit-Berg über Digitalpolitik: „Es fehlt eine gemeinsame Vision“ | |
Die Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg wirft der Ampel vor, auch nach | |
einem Jahr noch nicht zu wissen, was sie digitalpolitisch will. Einzig beim | |
Thema Nachhaltigkeit tue sich was. | |
Öffentlicher Nahverkehr: Länder für 49-Euro-Ticket ab April | |
Die Verkehrsminister:innen der Länder haben sich auf einen | |
Starttermin für die Nachfolge des 9-Euro-Tickets geeinigt. Um Mehrkosten | |
gibt es Streit mit dem Bund. | |
Leichtere Anwerbung von Fachkräften: Erfahrung statt Zertifikate | |
Das Kabinett will Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung beschließen. Die | |
Diskussion vermischt sich mit der Debatte über Einbürgerungen. | |
Regelung der Rüstungsexporte: Gesetz mit Schlupflöchern | |
Das geplante Rüstungsexportgesetz ist ein Lieblingsprojekt der Grünen. | |
Umstritten ist es nicht nur wegen des Kriegs in der Ukraine. | |
Podcast „Bundestalk“: Die Restlaufzeit der Ampel | |
Der Streit um den Ausstieg aus der Atomenergie ist geschlichtet – vorerst. | |
Die vergangene Woche hat gezeigt, wie fragil die Regierung ist. | |
Koalition in der Krise: Welche Signale sendet die Ampel? | |
Der Streit um die Atomkraft hat die Regierung in ihre erste große Krise | |
gestürzt. Wie geht es weiter? Sieben Thesen zum Zustand der Koalition. | |
AKW-Entscheidung des Kanzlers: Kernspaltung der Ampel verhindert | |
Kanzler Scholz hat mit einem Machtwort den wochenlangen Streit in der | |
Koalition beendet. Doch die Atomdebatte könnte wieder losegehen. |